»Es war ein Qualitätsprodukt«

Auf dem Parteitag von »Die Linke« in Magdeburg servierte die antifaschistische Initiative »Torten für Menschenfeinde« eine nicht bestellte Süßware. Ein Mitglied der Gruppe bewarf Sahra Wagenknecht mit einer Torte, in einem Schreiben begründete die Initiative dies mit Wagenknechts Äußerungen zu »Kapazitätsgrenzen und Grenzen der Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung«, zum »Gastrecht« und zu weiteren Fragen der Flüchtlingspolitik. Hannah Ludwig von »Torten für Menschenfeinde« hat mit der Jungle World gesprochen.

Wie teuer war die Torte?
Den genauen Preis kenne ich gar nicht. Es war aber auf jeden Fall ein Qualitätsprodukt von »Coppenrath & Wiese«, eine Schokosahnetorte.
Hat sich die Investition im Rückblick für Ihre Gruppe gelohnt?
Ja, die paar Euro waren gut investiert angesichts des großen Medienechos. Die Torte wird allerdings nicht der größte Kostenpunkt bleiben. Es kommen noch Repressionskosten auf uns zu. Aber einen Solidaritätstortentresen kriegen wir sicher hin, um diese Kosten zu decken.
Wer soll denn rechtlich belangt werden, nur der Tortenwerfer oder auch andere Mitglieder Ihrer Gruppe?
Die Polizei hat mitgeteilt, dass der Tortenwerfer und zwei weitere Beteiligte angezeigt wurden. Aber damit haben wir gerechnet.
Die Linkspartei hat angesichts des Tortenwurfs ihre Reihen geschlossen und das Motto ausgegeben: »Das war ein Angriff auf uns alle.« Eine innerparteiliche Distanzierung von Sahra Wagenknecht hat die Torte also nicht bewirkt.
Die Reaktion der Linkspartei ist ziemlich scheinheilig. In ihrem Post mit dem Ausspruch »Das war ein Angriff auf uns alle« behauptet Katja Kipping auch, Sahra Wagenknecht habe wie alle anderen Mitglieder der Linkspartei nichts mit Rassismus zu tun. Das ist eine mutige Aussage. Ähnlich verhält es sich, wenn es um Mitglieder wie Diether Dehm geht, der mit Ken Jebsen, Die Bandbreite und anderen Verschwörungstheoretikern per Du ist. Das zeigt, wie die Führungsriege der Linkspartei öffentlich mit strittigen Fragen und Debatten umgeht: einfach das Problem leugnen. Man muss aber auch sagen, dass die Partei nicht so homogen ist, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Meinungen in den sozialen Netzwerken sind durchwachsen. Viele Basismitglieder haben sich dort positiv geäußert, viele Mitglieder der Linksjugend ebenfalls. Da ist auf jeden Fall eine Debatte entbrannt, es wird gestritten und diskutiert. Wer den Tortenwurf als Anlass nimmt, um nicht mehr über Wagenknechts Äußerungen und Ansichten reden zu müssen, macht es sich zu einfach.
Wagenknecht hat sich einschlägig zur Flüchtlingspolitik geäußert. Politiker von »Die Linke« weisen nun aber darauf hin, dass die Partei in offiziellen Beschlüssen beispielsweise fordert, das Asylrecht im Grundgesetz wieder vollständig herzustellen, ein gesichertes Bleiberecht statt der Duldungen zu garantieren, die Abschiebehaft abzuschaffen und Sammellager zu schließen. Ist die Flüchtlingspolitik überhaupt der richtige Punkt, um die Linkspartei anzugreifen?
Dennoch ist Sahra Wagenknecht die Fraktionsvorsitzende im Bundestag. Ob ihre Äußerungen zu ihrem Amt und zu den Beschlüssen der Partei passen, steht gar nicht zur Debatte. Das hat sicherlich damit zu tun, dass die Linkspartei zurzeit auf Wagenknecht angewiesen ist, weil sie die Partei ist, die am meisten Stimmen an die AfD verliert. Es ist auch nicht damit getan, sich auf Wagenknecht zu versteifen. Oskar Lafontaine hat 2005 seine berüchtigte Fremdarbeiter-Rede gehalten. Das ist kein neues Phänomen in der Linkspartei und Wagenknecht ist nicht die einzige, die dafür steht. Wie gesagt: Die Partei ist kein homogener Haufen. Aber die Kräfte, die den Antifaschismus tatsächlich noch ernst nehmen, sind nun gezwungen, Stellung zu beziehen.
Wäre die Linkspartei ohne Wagenknecht und ihre Zirkel eine bessere Partei?
Die Partei hat selbstverständlich noch viele weitere Probleme. Ob es der Antisemitismus ist, der sich immer wieder an Fragen entlarvt, die Israel betreffen, oder das Ressentiment gegen die USA und die EU, ob es der damit zusammenhängende Wunsch ist, zurück zum kleinen Nationalstaat zu gehen, oder die Lokalpolitik in sächsischen Dörfern, wo die Partei wirklich alles mitmacht – es gäbe viel zu tun. Aber Sahra Wagenknecht wäre nicht der schlechteste Anfang.