In Norwegen reglementiert die EU den Fischfang

Fischchaos in der EU

Ob EU-Mitglied oder nicht, im europäischen Wirtschaftsraum gelten strenge Regeln für alle. Auch für den Lachs.

Dass Norwegen kein Mitglied der EU wurde, ist vor allem Charles de Gaulles Schuld. 1963 und 1967 hatte der damalige französische Präsident sein Veto gegen den EWG-Beitritt Großbritanniens eingelegt, was zum automatischen Stopp der Verhandlungen auch mit Dänemark, Irland und eben Norwegen führte. Es folgten zwei weitere Versuche, die allerdings 1972 und 1994 in Volksabstimmungen jeweils knapp abgelehnt wurden – zwischen den beiden Abstimmungen hatte sich Norwegen vom armen Fischer- und Bauernland zu einem reichen Ölstaat entwickelt, entsprechend gern hätte die EU das Land als Nettozahler aufgenommen. Ob eine norwegische Mitgliedschaft in der Europäischen Union nicht vielleicht doch von Vorteil sein könnte, ist bis heute umstritten ist. Die Initiative »Nei til EU«, eine NGO mit 27 000 Mitgliedern, 19 Regionalbüros und 21 Angestellten, hatte sich auf Seiten der britischen Austrittsbefürworter engagiert und argumentiert, Norwegen sei ein gutes Vorbild dafür, wie wohlhabend die Briten nach einem Ausstieg werden könnten. Die norwegische Regierung riet dagegen vom Austritt ab, weil Norwegen als Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), aufgrund des hohen Bruttosozialprodukts jährlich mit rund 390 Millionen Euro das Vierfache des britischen Beitrags an die EU zahle und dazu Gesetze und Vorschriften übernehmen müsse, im Gegenzug allerdings kein Mitspracherecht und jede Menge Probleme habe.
Wie kompliziert der Handel in der EU selbst für dem europäischen Wirtschaftsraum angeschlossene Nichtmitglieder ist, zeigt die Frage des Lachspreises, die Norwegen und die EU fast 20 Jahre lang beschäftigte. Fisch ist nicht Bestandteil der EWR-Abkommen und gehört zu den Hauptargumenten der norwegischen EU-Befürworter, denn sie sind sicher, dass das Land als Mitglied der EU zu deutlich besseren Konditionen exportieren könnte. Um die Wichtigkeit des Lachses zu verdeutlichen, hatte Ministerpräsidentin Erna Solberg ihn im vergangenen Jahr als »Norwegens Ikea« bezeichnet und betont, dass das schwedische Unternehmen nur deswegen ein Erfolg wurde, weil es im Gegensatz zu Fischbetrieben ungehindert Geschäfte machen könne.
Der Ärger um den norwegischen Lachs hatte 1989 begonnen, als das EU-Mitglied Schottland, ebenfalls Lachs-Exporteur, eine Preisdumping-Klage vor der Europakommission eingereicht hatte. Im Frühjahr 1990 wurde das Verfahren eröffnet, 1991 zog die Kommission ihren ursprünglichen Vorschlag, einen rund elfprozentigen Strafzoll auf norwegischen Lachs, zurück. Hintergrund war ein kurz zuvor begonnenes Projekt der Vereinigung norwegischer Fischzüchter mit dem Ziel, die Lachspreise zu erhöhen. Zwölf Millionen Jungfische wurden getötet, so dass in den kommenden Jahren weniger Lachs exportiert werden konnte. Im November 1991 führte die EU gleichwohl einen Mindestpreis für norwegischen Lachs ein, Schottland kündigte eine weitere Dumpingpreis-Klage an.
Mit Rücksicht auf die anstehende EU-Abstimmung in Norwegen wurde diese Klage jedoch 1994 zurückgezogen. Nach dem norwegischen Nein zu einem Beitritt führte die EU im Dezember 1995 erneut für ein halbes Jahr einen Mindestpreis für Lachs ein, danach wurde ein weiteres Preisdumping-Verfahren eröffnet. Es endete mit Strafzöllen und -abgaben in Höhe von 13,7 Prozent auf norwegische Lachs-Importe. Am 2. Juni 1997 wurde nach langen Verhandlungen schließlich das »Lakseavtalen« mit der EU unterzeichnet. 115 norwegische Lachsexporteure mussten sich in zusätzlichen Einzel-Abkommen mit der EU-Kommission verpflichten, die festgelegten Preise einzuhalten. 2002 lief das »Lakseavtalen« aus, im Mai 2003 lehnte die EU Neuverhandlungen ab, da man Norwegen nicht länger für den Fischexport nach Europa bestrafen wolle. Dann jedoch wurde 2004 die European Union Salmon Producers Group (EUSPG) aktiv, die eine Minderheit innerhalb der schottischen und irischen Lachsproduzenten repräsentiert, die über ihre Landesregierungen darauf drang, Schutzmaßnahmen gegen den Lachsimport zu treffen. Ein halbes Jahr ­später wurde ein norwegischer Kompromissvorschlag abgelehnt, die Kommission erließ stattdessen eine Quotenregelung, wonach bis Februar 2005 164 000 Tonnen norwegischer Lachs in die EU exportiert werden durften. Jede weitere Tonne wurde mit Strafzöllen belegt. Ende 2004 wurde nach einer Klage der EUSPG das nächste Strafverfahren wegen Preisdumping gegen Norwegen angestrengt. Eine Safeguard-Verordnung der EU mit Mindestpreisen, Quoten und Zollregelungen stieß in Dänemark und Frankreich auf Widerstand. Es folgte ein Kompromiss zwischen norwegischer Lachsindustrie und EU-Kommission. Im Januar 2006 beschloss der EU-Ministerrat Anti-Dumping-Maßnahmen gegen den Norwegischen Lachs. Norwegen schaltete daraufhin die Welthandelsorganisation ein. Nach langen Verhandlungen erklärte im Juli 2008 der EU-Ministerrat alle Anti-Dumping-Maßnahmen gegen die norwegische Fischindustrie für beendet. Derzeit zahlt diese rund 5,5 Millionen Euro jährlich dafür, dass sie Lachs in der EU verkaufen darf.