Kleinanleger sollen an der italienischen Bankenrettung beteiligt werden

Große Sparer, große Sorgen

Mehreren italienischen Banken droht wegen einer hohen Anzahl sogenannter fauler Kredite der Zusammenbruch. Gestritten wird nun darum, ob, wie von der EU vorgesehen, private Einleger an der Bankenrettung beteiligt werden müssen.

Italien galt lange Zeit als möglicher Pleitekandidat in der Eurozone, doch angesichts der Krise in anderen südeuropäischen Ländern schien die Situation noch halbwegs tragbar. Mittlerweile häufen sich aber die Stimmen, die schwere wirtschaftliche Probleme prognostizieren, und in manchen Medien wird Italien bereits als failed state gehandelt. Anlass für die pessimistischen Kommentare bietet vor allem die marode Bankenbranche. Die italienischen Geldins­titute leiden unter einer enormen Anzahl sogenannter fauler Kredite, deren Summe sich, vorsichtig geschätzt, auf insgesamt 360 Milliarden Euro beläuft. Nach Angaben der Zentralbank Banca d’Italia gelten fast 14 Prozent aller Kredite in den Büchern italienischer Banken als hinfällig. Das Land hat nach Griechenland die größte öffentliche Schuldenlast in Europa, und entsprechend groß ist die Sorge, dass die Banken in nicht allzu ferner Zukunft kollabieren könnten. Die Institute benötigen also dringend frisches Kapital, um sich gegen Zahlungsausfälle abzusichern. Dabei kommt eine italienische Besonderheit ins Spiel. Wegen der niedrigen Zinsen haben viele Kunden ihre Sparkonten in den vergangenen Jahren in Anleihen umgewandelt und auf diese Weise rund 200 Milliarden Euro ihren Banken ­anvertraut. Das könnte sich nun als fatal erweisen. Denn als Konsequenz aus den bisherigen Bankenkrisen hat die EU Richtlinien erlassen, wonach die Institute ihre finanziellen Probleme nicht mehr per »Bail-out« lösen dürfen, also mit Schuldenübernahme und Tilgung durch Steuermittel. Stattdessen müssen nun private Einleger ab einer Mindestgrenze haften (»Bail-in«). Zuerst wurde diese Regel bei der Bankenkrise in Zypern praktiziert. Wer mehr als 100 000 Euro auf dem Konto hatte, musste sich zwangsweise an der Sanierung beteiligen. Auf Italien angewendet würde diese Richtlinie für unzählige Anleger enorme Verluste bedeuten. Mindestens 31 Milliarden Euro haben private Sparer in Bankanleihen investiert, schätzt der Internationale Währungsfonds. So hat allein die kriselnde Bank Monte dei Paschi di Siena mehr als fünf Milliarden Euro bei privaten Kunden platziert. Ein Albtraum für alle, die auf diese Einlagen angewiesen sind, etwa für die Alterssicherung. Welche Konsequenzen das haben kann, wurde Anfang dieses Jahres deutlich. Als vier kleinere Regionalbanken, darunter die Banca Popolare Etruria und die Banca Marche, abge­wickelt wurden, beging ein Rentner Selbstmord. Kleinsparer waren zwar bis zu einem bestimmten Betrag durch die Einlagensicherung geschützt. Dennoch gingen über 100 000 Kunden, die Aktien und Anleihen der ­Regionalbanken hielten, bei dem Insolvenzplan leer aus. Aber nicht nur private Kleinanleger halten Anteile an italienischen Banken, sondern auch europäische Versicherungen und große Kreditinstitute. Allein die französischen Banken müssen um rund 250 Milliarden Euro bangen, während deutsche Geldinstitute nach Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr (BIZ) mit rund 80 Milliarden Euro beteiligt sind. Die Situation ist deswegen nicht nur für Italien dramatisch, sondern für ganz Europa. Seit der Finanzkrise 2008 haben europäische Banken ihre Schulden auf fast 800 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Wenn nun Kreditinstitute in Mailand oder Rom insolvent werden, könnten sie ihre Partner in Frankfurt oder Paris gleich mit in den Abgrund ziehen. Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, hatte deswegen kürzlich in der Welt am Sonntag eine neue Bankenrettung gefordert – ohne Beteiligung der privaten Gläubiger. Aus seiner Sicht sollten ­dafür 150 Milliarden Euro ausreichen. Immerhin muss allein die Deutsche Bank in Italien um insgesamt 13 Milliarden Euro bangen. Bei der Commerzbank stehen angeblich ebenfalls mehr als zehn Milliarden Euro italienischer Staatsanleihen und 500 Millionen Bankanleihen in den Büchern. Mit großem Interesse wurde daher Ende Juli der sogenannte Stresstest bei europäischen Großbanken von der italienischen, französischen und deutschen Regierung verfolgt. Dabei wurde simuliert, in welchem Maße die Kreditinstitute auf Zahlungsausfälle vorbereit sind. Überraschend schnitten die italienischen Geldhäuser dabei gut ab, mit Ausnahme der schwer angeschlagenen Bank Monte dei Paschi. Doch auch dafür wurde schnell ein Rettungsplan vorgestellt. Das Kreditinstitut soll einen Großteil der faulen Kredite in eine »Bad Bank« auslagern, zusätzlich stellt ein Bankenkonsortium frisches Kapital für Monte dei Paschi bereit. Die Bank kann also vorerst ohne staatliche Hilfe gerettet werden, und auch die privaten Einleger werden nicht belangt. Die Freude in Italien über die schon fast wundersame Rettung erhielt aber bereits wenige Tage später wieder einen deutlichen Dämpfer, nachdem die Ratingagentur DBRS angekündigt hatte, die Kreditwürdigkeit des Landes womöglich herabzustufen. Eine schlechtere Note für Italien würde für die klammen Banken unweigerlich höhere Kosten nach sich ziehen und eine Rekapitalisierung deutlich erschweren. Die kanadische Agentur hatte ihre Entscheidung mit dem geplanten Referendum zur Reform der italienischen Verfassung begründet. Ministerpräsident Matteo Renzi hat seine weitere Zukunft von der Abstimmung im Herbst abhängig gemacht. Scheitert er, könnte die euroskeptische Fünf-Sterne-Bewegung stark profitieren, die ihrerseits bereits ein Referendum über den weiteren Verbleib Italiens in der Eurozone angekündigt hat. Viele Italienerinnen und Italiener sehen in der Gemeinschaftswährung auch den Grund für die ­langanhaltende Misere: Seit über zehn Jahren stagniert die Wirtschaft, die ­Arbeitslosenrate ist höher als vor dem Beitritt zur Eurozone. Selbst Griechenland hatte im vorvergangenen Jahr eine höhere Wachstumsrate vor­zuweisen. Für Renzi ist daher die weitere Entwicklung der Bankenkrise von entscheidender Bedeutung. Er muss auf jeden Fall vermeiden, dass Kleinan­leger bei möglichen Insolvenzen mithaften müssen. Verlieren Hundert­tausende Sparer ihre Vermögen oder ihre Alterssicherung, würde Renzi dies mit Sicherheit politisch nicht überleben. Setzt er aber durch, dass private Anleger verschont werden, verstößt er gegen EU-Richtlinien und zieht sich den Unmut der EU-Kommission und anderer europäischer Regierungen zu. So oder so bleibt Italien ein heißer Kandidat für die nächste große Krise in Europa.