Chatbots sprechen und spielen mit uns

Wir können drüber reden

Von Enno Park

Chatbots werden im Alltag immer beliebter. Bei bestimmten Aufgaben können sie Menschen bereits vollkommen ersetzen.

»Computer! Wie weit ist das gegnerische Schiff entfernt?« Im Star-Trek-Universum bekommt Captain Kirk vom Computer eine sinnvolle Antwort. Seit rund fünf Jahren gibt es das auch in der Realität: Apples Sprachassistent Siri reagiert auf gesprochene Kommandos, liest den Wetterbericht vor oder ruft Websites auf. Deshalb sind sich Futuristen ganz sicher: Demnächst findet die nächste große Computer-Revolution statt und wir werden mit PCs und Smartphones ganz anders arbeiten als bisher. Programme und Apps, Mauszeiger und Wisch­gesten werden verschwinden. Sie werden ersetzt durch künstliche Intelligenzen, die Fragen beantworten, Gegenfragen stellen oder Kommandos ausführen – etwa ein Taxi bestellen. Apps sollen dann keine Programme mehr sein, die gestartet werden, um etwas Bestimmtes damit zu tun, sondern im Hintergrund laufen und unsichtbar ihren Dienst verrichten, wenn ein Anwender einen passenden Wunsch gegenüber dem Telefon äußert: Ein Youtube-Video abspielen, Musik auf Spotify hören oder eben ein Taxi bestellen. Sollte diese Vision Realität werden, würde das den Markt für Apps ziemlich umkrempeln. Bisherige Geschäfts­modelle, bei denen mit dem Verkauf von Apps oder dem Einblenden von Werbung Geld verdient wird, würden in große Schwierigkeiten geraten. Deshalb will jetzt, solange die Anwender noch überwiegend Apps auf ihren Telefonen installieren, statt nur mit Siri & Co. zu plaudern, jeder App-Anbieter der erste sein, wenn es darum geht, mit seinem Produkt einen regelmäßigen Platz auf den Homescreens der Telefone zu erobern. Allen voran Facebook: Die Messenger-App wurde aus der eigentlichen Facebook-App herausgelöst und um mehrere Chatbots ergänzt. In einigen Ländern kann man damit bereits Uber-Fahrten und Blumen bestellen, Geld überweisen oder das interaktive Text-Adventure »Zork« spielen – alles per Chat mit einem Computer als Gegenüber. Vorgemacht hat es die chinesische App Wechat, die ebenfalls längst aufgehört hat, eine reine Chatplattform zu sein und ihren 650 Millionen meist chinesischen Anwendern allerlei Alltagsaufgaben abnimmt. Für chinesische Unternehmen ist es mittlerweile wichtiger, per Wechat erreichbar zu sein, als eine normale Homepage oder eine App zu besitzen. Der Vorteil von schriftlichen Chatbots gegenüber Sprachassistenten wie Siri: Viele Anwender kommen sich komisch vor, wenn sie ihrem Telefon gesprochene Kommandos er­teilen, besonders im Café oder in der ­U-Bahn. Apps wie Wechat – oder in Deutschland Whatsapp – hingegen zählen zu den meistgenutzten Apps überhaupt. Da ist ein Chat zur Blumen­bestellung einfach nur ein Gespräch. Und falls ein Chat zu komplex für den Computer wird, lassen sich im fliegenden Wechsel menschliche Gesprächspartner hinzuschalten, die auf die Anfragen der Nutzer eingehen – am besten so, dass die es gar nicht merken. Im Idealfall müssen die Anwender nicht mehr in Warteschleifen von Telefonhotlines herumhängen. Sie senden ihren Wunsch als Chatnachricht ab, bekommen je nach Inhalt die Antwort von einem Computer oder einem menschlichen Gegenüber. Anders als am Telefon macht es auch nichts, sollten zwischen Frage und Antwort mal ein paar Minuten liegen. Während Facebook, Google und Microsoft an eigenen Chatbots arbeiten oder Apps wie Messenger und Skype erweitern, drängen gerade immer neue Anbieter auf den Markt: Per Facebook-Messenger lässt sich der Chatbot Poncho, eine kleine Katze, die Avocados mag, nach dem Wetter und Rezepten fragen. H&M hat einen Chatbot, der nach Kleidervorlieben fragt und daraufhin Outfit-Vorschläge macht, und mit Whatson kann man per Messenger »Jeopardy« spielen. Gleich den Journalismus revolutionen will Resi. Der Dienst listet nicht irgendwelche tagesaktuellen Schlagzeilen auf, sondern beantwortet Fragen über das Erdbeben in Italien, einen Streit in der Bundesregierung oder den Bürgerkrieg in Syrien. Die Antworten bestehen aus relativ knappen Daten und Minidossiers, auf die ein Anwender dann mit entsprechend weiterführenden Fragen reagieren kann. Noch weiter gehen die Chatbots des Jurastudenten Joshua Browder. Die chatten allerdings nicht mit Menschen, sondern mit Behörden. Wer ein Knöllchen fürs Falschparken bekommt, teilt dem Dienst alle wichtigen Details mit. Der führt anschließend mit den Behörden einen vollautomatischen, elektronischen Papierkrieg, an dessen Ende nicht selten das Strafmandat zurückgenommen wird. Angeblich soll der Chatbot die Erstattung von Bußgeldern in Millionenhöhe in London und einigen Städten der USA bewirkt haben. Gerade juristische Verfahren und Verwaltungsabläufe sind dermaßen formalisiert, dass sie sich sehr gut für automatisierte Kommunikation eignen. Browder plant bereits eine neue Version, die demnächst Obdachlosen in London helfen soll, eine Wohnung zu finden. Möglich werden diese Bots dank großer Fortschritte der künstlichen Intelligenz. Seit Jahrzehnten arbeiten Informatiker daran, dass wir uns in natürlicher Sprache mit Computern unterhalten. Erster Meilenstein war vor 50 Jahren der Chatbot »Eliza«, ein virtueller Therapeut. Der war allerdings noch so primitiv, dass menschlichen Gesprächspartnern jederzeit klar war, dass sie sich mit einem Computer unterhalten. Dennoch fanden sich bereits 1966 zahlreiche Psychologen, die glaubten, auf dieser Basis ließe sich eine automatisierte Psychotherapie bewerkstelligen. Seitdem gilt der »Turing-Test« als Prüfstein künstlicher Intelligenz: Ein Computer ist intelligent, wenn ein Mensch im Dialog nicht bemerkt, dass er es mit einem Computer zu tun hat. Tatsächlich schaffen die einen oder anderen Chatbots es mittlerweile, Menschen zumindest zeitweise diese Illusion zu geben. Weil Computer sich als Chatbots mit Menschen unterhalten können und sie längst bei Spielen wie Schach, Go oder auch Jeopardy schlagen, glauben viele, dass Computer in naher Zukunft intelligenter werden als Menschen. Das mag zwar für die Lösung komplexer Aufgaben gelten, hat aber nach wie vor wenig mit menschlicher Intelligenz zu tun. Künstliche Intelligenzen basieren auf neuronalen Verschaltungen nach Vorbild des Gehirns sowie riesigen Datenbanken, die sie mit statistischen Methoden auswerten, um ein Problem zu lösen. Anzeichen natürlicher Intelligenz wie Bewusstsein, ­Motivation oder Emotionen sind aber weiterhin nicht absehbar. Wie leicht künstliche Intelligenzen manipuliert werden können, zeigte der lernende Twitter-Bot »Tay«, der von Trollen dazu gebracht wurde, sich wie ein Nazi zu äußern, und deshalb erst einmal abgeschaltet werden musste (Jungle World 15/16). Und auch die Vorhersage, dass Chatbots bald die Bedienung von Computern vollständig übernehmen werden, scheint etwas verfrüht. So wäre es zwar durchaus denkbar, dass ein Autor ­einen Text künftig diktiert, statt ihn zu tippen, aber spätestens beim Überar­beiten werden dann doch Monitor und Tastatur nötig. Dass Chatbots Excel-­Tabellen, Graphikprogramme oder virtuelle Mischpulte für DJs und Komponisten ersetzen, klingt derzeit genauso unwahrscheinlich wie die Vorstellung, dass etliche Spielegenres von Knobeleien über graphische Abenteuer bis hin zu Egoshootern und Rollenspielen durch Pendants ohne jede graphische Oberfläche ersetzt werden. Sogar in Bereichen, in denen Chat­bots ihre Stärken ausspielen können, haben sie noch erstaunliche Mängel: So mag es in manchen Situationen hilfreich sein, den Bot einen Flug buchen zu lassen, allerdings wird es schnell kompliziert, wenn man als Anwender gerne vergleichen möchte. Gibt es günstigere Flüge als jenen, den der Bot aussucht? Vielleicht möchte ein Anwender den günstigsten Flug, aber nicht bei einer bestimmten Airline mit schlechtem Service. Oder er will keinen Flug, für den er schon in aller Frühe am Flughafen sein muss. Natürlich ist es denkbar, all diese Fragen und Erwägungen ähnlich wie im Reisebüro in einem längeren Dialog zu klären, aber die tabellarische Übersicht einer Webseite samt Buchung mit wenigen Mausklicks erscheint dann doch erheblich praktischer.