Julia Schramm über gebrochene Herzen und Reaktionäre

Gebrochene Herzen

Sekt und Sozialismus Von Julia Schramm

SeSoMenschen, die die Gesellschaft besser machen wollen, stehen oft unter dem Verdacht, die Menschheit eigentlich zu ihren Gunsten unterjochen zu wollen. Und das 20. Jahrhundert war nicht sonderlich hilfreich dabei, diesen Ruf zu beseitigen: Emanzipatorische und sozialistische Ideen und Kämpfe verhalfen einigen Menschen an die Macht, deren Herrschaft vielen Menschen das Leben und den Glauben an eine bessere Welt nahm. Es ist daher logisch, dass viele Leute Linke aus Prinzip hassen – gebrochene Herzen sind unerbittlich.

Und wie das linke Herz gebrochen wurde: War die Oktoberrevolution der Versuch der Menschen, über ihr eigenes Schicksal zu bestimmen, kam die Ernüchterung bald. Die Hoffnung, dass eine gerechtere Welt für alle in Würde und Freiheit möglich ist, starb auch in den Gulags, mit dem Hitler-Stalin-Pakt und auf den killing fields in Kambodscha. Die Frustration angesichts der so historisch belegbaren irrationalen und autoritären Natur des Menschen geht einher mit dem Fazit, dass abseits von Zynismus und Hedonismus kaum ein anderes Morgen denkbar sei.

Bei der SPD lässt sich das gut beobachten, wie die gebrochenen Herzen direkt ins Reaktionäre abdriften, hineingleiten sozusagen. Wie der Taxifahrer, der mir sagte, dass der Wahl-O-Mat ihm AfD und SPD empfohlen habe, dass er der SPD aber nicht vertrauen könne. Statt auf Hoffnung und Vertrauen setzen die Reaktionäre auf Ehrlichkeit: »Wir können nicht allen helfen! Lasst uns zuerst uns selbst retten! Seid nicht blöd. Lasst den Rest verrecken. Wehrt euch, seid deutsch, wählt AfD.« Die Vision einer besseren Welt wirkt so absurd und unmachbar, so verraten, dass eine Welt, in der immerhin die Deutschen gut wegkommen und die anderen an Mauern und in Lagern sterben müssen, für viele tatsächlich ansprechend ist. Diese Menschen mögen Linke nicht mehr, selbst wenn nur Linke ihre Interessen wirklich vertreten. Stattdessen stehen die Linken im Verdacht, die Welt unterjochen zu wollen. Gleichheit und Freiheit werden belächelt, wenn sie für alle gelten sollen, vor allem wenn darauf hingewiesen wird, dass nicht alle gleich und frei geboren sind, qua Gesetz oder ökonomischer Realitäten Nachteile haben. Schließlich können nicht alle Erben sein.

Aber selbst viele von denjenigen, die nicht Erbe sein können, hassen diejenigen, die sich für eine höhere Erbschaftssteuer einsetzen, für mehr Umverteilung und Enteignung. Sie gelten als Traumtänzer. Als wäre es ein Verrat, nicht feige sein zu wollen, etwas Mut und Kampfgeist zu zeigen. In diesem Denken werden auch offene Grenzen zur Bedrohung, zum Instrument, um die Menschen, genau, zu unterjochen.