Die rechte bulgarische Regierung hat ambitionierte Pläne für ihre am 1. Januar beginnende EU-Ratspräsidentschaft

Abschotten für die EU

Am 1. Januar übernimmt Bulgarien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union. In dem Land ist seit einem halben Jahr ein nationalistisches Bündnis an der Regierung beteiligt. Ministerpräsident Bojko Borissow hat ein ambitioniertes Programm für seine Ratspräsidentschaft.

»Sicherheit, Solidarität, Stabilität« – so beschreibt die bulgarische Regierung die Schwerpunkte ihrer bevorstehenden ersten EU-Ratspräsidentschaft, die das 2007 der EU beigetretene Land turnusmäßig im ersten Halbjahr 2018 übernehmen wird. Während die »Migrationskrise« und die gestiegene Zahl von Terroranschlägen das Sicherheitsbedürfnis der EU-Bürger verstärkt hätten, seien Wohlstand und gemeinsame Problemlösungen weiterhin die zentralen Versprechen der Union.

»Konsens, Konkurrenzfähigkeit, Kohäsion« – diese drei Bedingungen erachtet Bulgariens Regierung für notwendig, um die genannten Ziele zu erreichen. Damit benennt sie den inneren Zusammenhalt der EU und deren äußere Konkurrenzfähigkeit als zent­rale Erfolgsfaktoren. Als übergreifendes Motto der Ratspräsidentschaft soll der nationale Leitspruch Bulgariens dienen: »Einigkeit macht stark.«

Zumindest im Bilden von Alliterationen hat das ärmste EU-Mitgliedsland also schon einmal ein hohes Niveau erreicht. Aber auch inhaltlich hat sich die bulgarische Regierung hohe Ziele gesetzt. So will sie sich für eine rea­listische Beitrittsperspektive der West­bal­kanländer Albanien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, ­Kosovo und Serbien einsetzen. Deren Beitrittsprozesse waren angesichts der vielfältigen Krisen der EU – Euro-Rettung, Migration, britischer EU-Austritt – in den vergangenen Jahren ins Hintertreffen geraten. Daneben will die bulgarische Regierung während ihrer Prä­sidentschaft den Ausbau der digitalen Wirtschaft vorantreiben, unter anderem durch verstärkte Bemühungen zu Cybersicherheit und Datenschutz.

Verteidigungsminister Karakatschanow forderte, die EU-Außengrenzen »notfalls mit Waffengewalt« zu verteidigen.

 

Bulgarien will sich mit einer restriktiven Flüchtlingspolitik profilieren

Vor allem aber will sich die bulgarische Ratspräsidentschaft für eine restriktivere Flüchtlingspolitik, stärkere ­Sicherung der EU-Außengrenzen und eine effizientere Steuerung der Flüchtlingsbewegungen einsetzen. Dieses Ziel ergibt sich nicht allein aus Bulgariens geographischer Lage an einer der wichtigsten Flüchtlingsrouten. Es spiegelt vor allem die seit Jahren flüchtlingsfeindliche Politik der Regierung wider, die sich seit den vorgezogenen Parlamentswahlen am 26. März diesen Jahres nochmals verschärft hat.

Aus diesen Wahlen ging der bisherige Ministerpräsident Bojko Borissow mit seiner Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (GERB) zum vierten Mal seit 2009 als Sieger hervor (Jungle World 19/2017). Anschließend bildete er eine Koalition mit dem nationalistischen Bündnis Vereinigte Patrioten (OP), das ihn schon in der vergangenen Legislaturperiode parlamentarisch unterstützt hatte. Die Vereinigten Patrioten stellen vier Regierungsmitglieder, darunter zwei stellvertretende Ministerpräsidenten, nämlich Waleri Simeonow, als Minister zuständig für Wirtschafts- und Bevölkerungspolitik, sowie Krassimir Karakatschanow, den Verteidigungsminister.

Simeonow fällt immer wieder durch rassistische Äußerungen und Provokationen auf, die sich insbesondere gegen Roma richten. Im Oktober wurde er erstinstanzlich wegen einer 2014 im Parlament gehaltenen Hassrede verurteilt, in der er unter anderem den »Großteil der Zigeunerethnie« als »weit jenseits aller Gesetze, Regeln oder Normen eines normalen menschlichen Verhaltens« lebend und als »arrogante, selbstgefällige und grausame Humanoide« beschimpft hatte. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – hat ihn die Regierung mit der Leitung des Nationalen Rats für Minderheiten- und Integrationsfragen betraut.

Verteidigungsminister Karakatschanow profilierte sich in der Vergangenheit mehrfach als nationalistischer Nato-Gegner. Zudem tritt er für eine »Wiedervereinigung« Bulgariens mit der Republik Mazedonien ein, da er – wie viele bulgarische Nationalisten – die slawischen Mazedonier für Angehörige der bulgarischen Nation hält. Zuletzt verteidigte er öffentlich den Leiter der staatlichen Agentur für die Auslandsbulgaren, Petar Haralampiew, ebenfalls Mitglied der OP, von dem ein Foto aufgetaucht war, auf dem er ein T-Shirt mit dem Schriftzug »Wehrmacht« trägt. Das Shirt zeige kein faschistisches Symbol, sondern beziehe sich lediglich auf die US-amerikanische Band dieses Namens, so Karakatschanow. Die Band aus Oregon distanzierte sich jedoch in einer Stellungnahme von den Politikern und wies darauf hin, dass der Schriftzug auf dem ­T-Shirt keinerlei Ähnlichkeit mit ihrem Logo aufweise, es sich also nicht um ein Bandshirt handele.

Sowohl Simeonow als auch Karakatschanow setzen sich für eine weitere Verschärfung der flüchtlingsfeindlichen Politik Bulgariens ein. Sie werden dabei nicht nur von Borissow unterstützt, sondern können sich auch auf das Wohlwollen der Regierungen der meisten EU-Mitgliedsstaaten verlassen. So kündigte Karakatschanow an, das zum Grenzschutz eingesetzte Armeekontingent von 150 auf 600 Soldaten zu erhöhen, und forderte, die EU-Außengrenzen »notfalls mit Waffengewalt« zu verteidigen.

 

Zaun an der türkischen Grenze

Des Weiteren ist geplant, den 2014 begonnenen Bau eines Zauns entlang der 240 Kilometer langen Grenze zur Türkei, der von der EU allein 2016 mit etwa 160 Millionen Euro gefördert wurde, schnell abzuschließen. Simeonow lobte die Grenzschutzanlagen jüngst als »den stabilsten Zaun der ganzen Europäischen Union, den man ­getrost die Große Bulgarische Mauer nennen kann«. Dabei häufen sich seit einigen Monaten die Hinweise auf Korruption bei der Auftragsvergabe, unvollständige Bauausführung und defekte Überwachungsanlagen.

Die Verschlechterung der Lage für Minderheiten und Flüchtlinge hat dazu beigetragen, dass Asylsuchende das Land lieber meiden: In den ersten zehn Monaten diesen Jahres wurden gerade einmal 2 678 Drittstaatsangehörige an der Staatsgrenze aufgegriffen, von denen etwa drei Viertel aus Afghanistan, dem Irak und Syrien kamen. In den Flüchtlingslagern sind etwa zwei Drittel der Plätze frei, ein Großteil der Asyl­verfahren wird abgebrochen, da die Antragsteller das Land illegal in Richtung Mitteleuropa verlassen. Derweil versucht die Regierung, sich durch die Erfüllung sozialpolitischer Wahlversprechen bei der Mehrheitsbevölkerung Zustimmung zu sichern. So wurde der gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar um knapp elf Prozent auf rund 260 Euro im Monat erhöht und die Mindestrente steigt in drei Schritten von Juli 2017 bis Juli 2018 um fast ein Viertel auf etwa 106 Euro.

Anders als in Polen und Ungarn schweigt die EU jedoch zur fortschreitenden Nationalisierung der bulgarischen Politik. Offenbar genügt es, wenn Borissow und die Minister seiner Partei für einen reibungslosen, skandalfreien Verlauf der EU-Ratspräsidentschaft sorgen. In dieser Hinsicht trifft der Leitspruch »Einigkeit macht stark« also offenbar zu. In der Tat werden Simeonow und Karakatschanow wohl keinen der Ministerräte leiten: Im Rat für Wirtschaft und Finanzen wird Bulgarien durch Finanzminister Wladislaw Goranow und im Rat für Auswärtige Angelegenheiten durch Außenministerin Ekaterina ­Zakharieva (beide GERB) vertreten.