Frankreich plant ein Gesetz gegen die Verbreitung von Falschmeldungen

Kein Pardon für Fake News

Auch in Frankreich soll der Kampf gegen Falschmeldungen eine neue gesetzliche Grundlage erhalten. Ob das geplante Gesetz die Meinungsfreiheit schützt oder gefährdet, ist umstritten.

In seinen traditionellen Neujahrsglückwünschen an die Presse stellte der französische Präsident Emmanuel Macron eine Gesetzesinitiative im Medienrecht in Aussicht. Ein ­Entwurf solle dem Kabinett bis März dieses Jahres vorgelegt werden. ­

Kulturministerin François Nyssen sagte, in ihrem Haus werde bereits seit Oktober vorigen Jahres daran gearbeitet.

Macron meinte, die Verbreitung falscher Nachrichten vor allem in Wahlkampfzeiten zu bekämpfen, verlange eine bessere gesetzliche Grundlage. Dabei sprach er von fake news. Die Gerichte sollten auch in Wahlkampfzeiten leichter Unterlassungsverfügungen gegen die Verbreitung bestimmter Nachrichten erlassen oder auch Websites sperren können.

Macron war bereits selbst Gegenstand von Falschnachrichten: Wenige Tage vor der französischen Präsidentschaftswahl waren im Internet Informationen über angebliche ­»Macron Leaks« aufgetaucht, in denen behauptet wurde, er verfüge über ein illegales Auslandskonto. Gerüchte über Verwicklungen in Waffen- und Drogenhandel machten kurzzeitig die Runde. Dabei handelte es sich um Falschinformationen, die nach ­ähnlichem Muster gestreut worden waren wie jene über die demo­kratische US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton, die die Wahl Trumps begünstigt hatten. Im Fall Macrons waren die fake news offenbar wirkungslos.

Konkret geht es Macron um die Befugnisse des Conseil supérieur de l’audiovisuel (CSA), zu Deutsch: Oberster Rat für das Audiovisuelle, der vor allem die Einhaltung von Gesetzen überwachen sowie den Medienpluralismus in Fernsehen und Rundfunk sicherstellen soll. Ein reformierter CSA soll demnach auch ausländische Fernsehsender verwarnen oder ihnen die Sendelizenz entziehen können, wenn eine Auswertung ­ihrer Aktivitäten »einschließlich derer im Internet« ergibt, dass sie gegen ethische oder rechtliche Grundsätze verstoßen.

Damit zielt das Gesetz auf die beiden umstrittenen russischen Sender Russia Today (RT) und Sputnik ab. Der französische RT-Ableger ging am 18. Dezember 2017 auf Sendung, zuvor verbreitete der Stammsender bereits französischsprachige Informationen über das Internet. Schon beim Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin im Mai vergan­genen Jahres, wenige Tage nach ­Macrons Amtsantritt, hatte der neue französische Präsident zu diesem Thema Stellung bezogen. Bei der ­gemeinsamen Pressekonferenz sagte er in Anwesenheit seines russischen Amtskollegen, RT und Sputnik agierten in Frankreich wie staatliche ­Propagandaanstalten, weshalb sie auch weiterhin nicht zu offiziellen Pressekonferenzen eingeladen würden. Putin kommentierte die Aus­sagen mit keinem Wort. Im französischen Präsidentschaftswahlkampf hatten beide Sender Marine Le Pen unterstützt. Immer wieder verbreiten sie demagogische Reportagen über die muslimische Bevölkerung in Frankreich. Beobachter vermuten, dass diese und andere russische ­Medien auch mit den Falschbehauptungen über Macron im Wahlkampf zu tun haben könnten.

Vor allem rechtsextreme sowie die ebenfalls zahlreichen prorussischen Websites in Frankreich ereifern sich nun über Emmanuel Macrons ­Ankündigung. So giftete der häufig auf der rechtsextremen antimus­limischen Website »Riposte Laïque« schreibende Autor Olivier Renault in einem Gastbeitrag in der französischsprachigen Ausgabe von ­»Novorossia Today« gegen die Pläne Macrons.

Querfrontmedien mit prorussischer Tendenz übernahmen seinen Beitrag. Renault behauptete, ­Macron eifere »den Goebbels-Gesetzen zur Presse« nach, denn »auch im Dritten Reich waren russische, das heißt sowjetische Medien die Hauptzielscheibe«. Die rechtsextreme und nationalistische Website ndf.fr, die bisweilen mit Putin sympathisiert, bezeichnete Macrons Vorhaben als ­kritikwürdiges »Prawda-Gesetz«, das eine staatsoffizielle Wahrheit etablieren solle.

 

Pressefreihet unter Druck

 

Wesentlich fundiertere Kritik üben Medienvertreter an Macrons Gesetzesvorhaben. Zahlreiche Kommentatoren betonen, dass es bereits eine gesetzliche Handhabe gegen Falsch­informationen gibt – das Gesetz zur Pressefreiheit, das 1881 in Kraft trat und regelmäßig überarbeitet wird. Es erlaubt der Staatsanwaltschaft nach Artikel 27 gegen die Urheber erwie­sener Falschinformationen die Strafverfolgung einzuleiten, wenn diese »den öffentlichen Frieden stören oder dazu geeignet sind«. Diese Bestimmung kommt jedoch selten zur Anwendung. Ferner erlaubt Artikel 29 den Opfern übler Nachrede, Strafanzeige zu erstatten. Allerdings gibt es bislang keine gesetzliche Handhabe gegen die Verbreitung von ­Informationen, die lediglich falsch sind, ohne jemanden persönlich zu beeinträchtigen oder den öffentlichen Frieden aus Sicht der Staatsanwaltschaft zu stören. Das Wahlgesetz erlaubt ferner – jedenfalls theoretisch – die Anfechtung von Wahlen, falls diese durch falsche Nachrichten beträchtlich beeinflusst wurden.

Andere gesetzliche Instrumente gegen Falschbehauptungen gibt es nicht. Allerdings wäre es auch ausgesprochen heikel, an diesem Punkt gesetzgeberisch nachzuhelfen. Pascal Froissart, Medienwissenschaftler an der Universität Paris 8, warnt davor, den Staat darüber urteilen zu lassen, was historisch und politisch als wahr oder unwahr zu gelten habe. Bis heute wisse man beispielsweise nicht mit Gewissheit, ob Napoléon I. nun vergiftet wurde oder nicht. Ähnlich sieht es auch der konservative Spitzenpolitiker Bruno Retailleau, der ­sagte: »In einer Demokratie ist eine falsche Information besser als eine verstaatliche Information.« Es ist allerdings fraglich, ob der Konservative die präsidiale Initiative genauso sähe, wenn seine Parteifreunde derzeit an der Regierung wären und nicht jene Macrons. Umgekehrt unterstützt der zum moderaten Flügel der Konservativen zählende ehemalige ­Premierminister Alain Juppé den Vorschlag des amtierenden Präsidenten.

Die Pressefreiheit stand in jüngerer Zeit allerdings noch von anderer ­Seite unter Druck. Der Linksnationalist und frühere Präsidentschaftskandidat Jean-Luc Mélenchon ist seit längerem für polternde Ausfälle ­gegen Journalisten bekannt. In der Talkshow »L’Emission politique« am 30. November sah er sich mit zahlreichen Kritikern konfrontiert und war offenbar überfordert. In Rage brachte ihn unter anderem ein Wortgefecht mit der Schriftstellerin ­Laurence Debray. Die Tochter des ehemals linken Schriftstellers Régis ­Debray und einer ehemaligen venezolanischen Kommunistin ist eine ­entschiedene Liberale, die das Regime in Venezuela scharf verurteilt. ­Mélenchon gilt als eher unkritisch gegenüber der Politik von Venezuelas Staatschef Nicolas Maduro.
Sowohl während der Sendung als auch danach beschwerte sich ­Mélenchon über die Auswahl seiner Gesprächspartner und forderte ein »Tribunal professionnel«, eine Art Standesgericht, das über ethische Verstöße von Journalisten urteilen solle. Diese nannte er »die Lügner, die Schwindler, die Gaukler« und meinte damit durchaus auch die Sendeleitung.

Inzwischen hat er präzisiert, er meine kein Gericht, sondern vielmehr einen »journalistischen Ethik­rat«, der sich aus Mitgliedern der Berufsgruppe der Journalisten sowie an­derer gesellschaftlicher Gruppen zusammensetzen soll. Im Zuge der ­Debatte über Macrons jüngste Pläne, die Mélenchon als Bedrohung der Pressefreiheit bezeichnet, brachte der linksnationalistische Politiker seinen Vorschlag erneut auf den Tisch. Der Rat sei eine vernünftige Alter­native zu Macrons Gesetzesvorhaben, da das von ihm vorgeschlagene ­Gremium nicht den Staat repräsentiere und eine staatsoffizielle Wahrheitspolitik vermeide.