Ein Besuch bei Israelis in der Nähe des Gaza-Streifens, die unter ständiger Gefahr durch Raketenbeschuss leben

Bleiben trotz des Terrors

Reportage Von Oliver Vrankovic

Seit mehr als 17 Jahren Raketenbeschuss und nun auch noch Brand­sätze – Israelis leben in der Nähe des Gaza-Streifens in ständiger Gefahr. Doch wegziehen will kaum jemand.

Am Tag, als die erste Rakete auf Sderot geschossen wurde, war Dov Trachtman zehn Jahre alt und bei einem Freund zu Besuch. Die Explosion hat er nicht gehört. Als aber auf allen Fernsehkanälen Israel-Karten eingeblendet wurden, auf denen Sderot markiert war, wurde ihm mulmig zumute. Er war hier ­geboren. Terror, sagt Trachtman, hatte er bis zu diesem Tag im März 2001 ­immer nur mit Attentaten in großen Städten assoziiert. Es fiel ihm schwer, vor die Tür zu gehen, um die 200 Meter nach Hause zu laufen. Nachdem er sich überwunden hatte, hörte er auf halben Weg Maschinengewehrfeuer und bekam Panik.

Dov Trachtman ist mittlerweile 27 Jahre alt und seit 2014 im Sderot Media Center (SMC) aktiv. Sein Anliegen ist, den seit mehr als 17 Jahren andauernden Raketenterror einer breiten Öffentlichkeit bekanntzumachen. Er sah Rettungskräfte nach Raketeneinschlägen um das Leben von Kindern und Jugendlichen kämpfen. In seiner Straße ­wurde ein Mensch durch eine Kassam-Rakete getötet.

Das Leiden auf der israelischen Seite, so beklagt Trachtman, werde unter ­Verweis auf die Bunker und das Raketenabwehrsystem ständig heruntergespielt. Auch werde über die Raketen gesprochen, als handle es sich um Feuerwerkskörper. Das unbestreitbare Elend der Menschen in Gaza anulliere das Leiden der Menschen in Israel nicht. Wer, so fragt er, hat schon einmal von Ella Abukasis gehört? Ayala-Haya (Ella) Abukasis, nach der ein Jugendzentrum in Sderot benannt wurde, ist 2005 an den Wunden gestorben, die ihr Raketensplitter zugefügt haben, als sie sich bei einem Angriff über ihren zehnjährigen Bruder geworfen hat, um ihn zu beschützen. Bereits ein halbes Jahr zuvor forderte der Raketenterror die ersten Toten in Sderot – ein alter Mann und ein Kind.

Statt mit Verzweiflung reagierten die Bewohner des Kibbuz Be’eri mit Entschlossenheit auf den Feuerterror.

Am Sabbat vor dem WM-Endspiel, erzählt Trachtman, seien mehr als 200 Raketen auf Israel gefeuert worden. Einige hätten Sderot getroffen, wobei eine Rakete in den bombensicheren Anbau eines Gebäudes eingeschlagen habe. Der 2010 fertiggestellte Bunker habe die Bewohner des Hauses gerettet. Der ­Raketenterror wurde eskaliert, nachdem bei den jeden Freitag stattfindenden Ausschreitungen an der Grenze ein israelischer Soldat durch eine Granate verletzt worden war und die israelische Luftwaffe Vergeltungsangriffe geflogen hatte. Die 38jährige Mally Pnina Tapiro, die Trachtman nach der Attacke für seinen Blog befragt hat, meinte, dass man die innere Stärke der Bewohner nach inzwischen fast 18 Jahren nicht überstrapazieren dürfe. Bei weiteren Ausschreitungen am 20. Juli wurde ein 21jähriger israelischer Soldat erschossen, die israelische Luftwaffe flog danach heftige Angriffe gegen die Terrorinfrastruktur im Gaza-Streifen. Weiterhin besteht die Gefahr, dass es zum vierten Krieg in zehn Jahren kommt.

Zu den Raketen kommen seit März an Drachen hängende Brandsätze. Es ist bereits eine Fläche abgebrannt, die dreimal dem Central Park entspricht. Während eines Filmfestivals ging ein Sonnenblumenfeld 50 Meter vor dem Eingang des Sapir College am Stadtrand von Sderot in Flammen auf.

Die Menschen im Gaza-Streifen sieht Trachtman als Opfer der brutalen ­Hamas-Diktatur, ohne sie ganz aus der Mitverantwortung für diese Zustände zu entlassen. Er ist sich sicher, dass die Mehrheit der Palästinenser im Gaza-Streifen kein Interesse an einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit Israel hat. An den Krawallen an den Grenzen, so meint er, beteiligten sich außer Mitgliedern von Terrororganisationen nur Menschen, die dazu gezwungen werden. Trachtmans Eltern halten wie viele andere Bewohner von Sderot Kontakt mit palästinensischen Bekannten aus Gaza.

 

Boom in der »Stadt der Bunker«

Rechte Parteien holten in der 1951 gegründeten Stadt Sderot bei den letzten Wahlen drei Viertel der Stimmen. Die meisten Bewohner, so sagt Trachman, seien entschieden gegen den 2005 ­beendeten Abzug der Israelis aus Gaza gewesen. Ihre Sorge, dass der Rückzug ihnen keinen Frieden bringen, der Terror vielmehr eskalieren werde, habe sich als berechtigt erwiesen. Solidarität in schwierigen Zeiten, wie sie während der letzten militärischen Auseinandersetzung praktiziert wurde und auch in den vergangenen Wochen wieder anlief, bedeute den Menschen in Sderot sehr viel. Viele Israelis aus anderen Teilen des Landes kaufen in den Gebieten nahe dem Gaza-Streifen ein oder unternehmen Ausflüge dorthin, um die Bewohner finanziell zu unterstützen.

Trotz des Terrors erlebt die »Stadt der Bunker« seit etwa vier Jahren einen Boom und Prognosen sehen Sderot, das derzeit 25 000 Einwohner hat, auf 60 000 Einwohner anwachsen. Ein Grund dafür ist die Anbindung ans Eisenbahnnetz und damit an das Hightech-Zentrum im nahen Be’er Sheva. In den vergangenen Jahren zogen viele Studenten des Sapir College in die Stadt. Nachdem Anfang der nuller Jahre alle Pubs in Sderot schließen mussten, wurde in den vergangenen Jahren eine Reihe neuer Pubs eröffnet, von denen sich drei halten konnten.

Wie Sderot liegt auch der für Wohlstand und Zusammenhalt bekannte Kibbuz Be’eri nur wenige Kilometer vom Gaza-Streifen entfernt. Er zählt mehr als 1 000 Bewohner. Die Kollektivsiedlung ist nach dem Arbeiterführer Berl Katznelson benannt, bei der letzten Wahl fielen von 667 Stimmen 443 an die Arbeitspartei und 109 auf die linke Partei Meretz. Bis zum Ausbruch der ersten Intifada seien die Bewohner von Be’eri an den Strand von Gaza gefahren, erzählt Rami Gold, der seit 30 Jahren in dem Kibbuz lebt.

Zameret Samir sorgt sich auch um Bekannte auf der anderen Seite der Grenze. Sie weigert sich, Frieden für unmöglich zu halten.

Bis vor zwölf Jahren hätten Bewohner des Gaza-Streifens in Be’eri gearbeitet. Nachdem die Arbeiter nicht mehr hätten kommen können, hätten die Kibbuzniks Geld gesammelt, um ihnen weiter die Löhne zu bezahlen, und blieben telefonisch in Kontakt mit ihnen. Weil sie in den Städten lebten und nicht in den Flüchtlingslagern, seien sie von der Hilfe der UNRWA, des UN-Hilfswerks für die Palästinensergebiete, ausgenommen. Die Unterstützung habe bis ins Frühjahr dieses Jahres gereicht. Dann hat Gold den Bekannten, mit denen er in Kontakt steht, zu verstehen gegeben, dass er nicht länger gewillt sei, ihnen zu helfen.

Bei einer Rundfahrt durch das weitflächig verbrannte Naturschutzgebiet sagt Gold, dass die Welt schon immer gegen die Juden gewesen sei. Heute aber hätten die Juden ein Land, das sie verteidigen könnten. Wenn die Palästinenser friedlich seien, so sagt er, dann seien sie herzlich willkommen – wenn sie aber Krieg wollten, dann bekämen sie Krieg.

Be’eri ist der vom Feuerterror am härtesten getroffene Ort in Israel. Im Naturschutzgebiet Be’eris, zu dem auch eine Kraterlandschaft und altertümliche Schwefelminen gehören, ­brachen Hunderte Brände aus. Auf einer Fahrt durch das Naturschutzgebiet ­beschreibt Gold die Ausmaße der »sinnlosen Zerstörung«, wie er sagt. Um die Tiere zu schützen, wolle man das Gebiet auf keinen Fall großflächig abbrennen lassen, sagt er. Um sie vor dem Verbrennen zu retten, seien Schildkröten eingesammelt worden.

Jeden Tag an der Feuerfront

tatt mit Verzweiflung reagierten die Bewohner von Be’eri mit Entschlossenheit auf den Feuerterror. Nachdem ­anfangs große Brände wüteten, gelingt es mittlerweile, die meisten einzudämmen und klein zu halten. Innerhalb ­weniger Wochen wurde ein ausgeklügeltes System der Brandbekämpfung ­etabliert, das sich auf Feuerwehr, Armee, den Jüdischen Nationalfonds (KKL), der Umweltprojekte fördert, und die Eigeninitiative im Kibbuz stützt. So formierte sich in Be’eri eine freiwillige Feuerwehr, der ein paar Löschan­hänger zur Verfügung gestellt wurden.

Gold ist jeden Tag an der Feuerfront. Seine eigentliche Arbeit – das Anlegen von Radwanderwegen – ruht. Um schnell an schwer zugängliche Brandstellen zu kommen, ist Gold mit einem Geländebuggy und einem selbstgebauten kompakten Löschanhänger unterwegs. Dass er Großvater ist, sieht man dem muskulösen Kibbuznik nicht an. Gold sagt, er sei seit Wochen allein auf die Brandbekämpfung fokussiert. Die Freiwilligen in Be’eri, sagt Gold, könnten oft als Erste bei den Bränden sein und diese bis zum Eintreffen der Feuerwehr eindämmen. Wenn alle Feuerwehr­autos bei Großbränden eingesetzt werden, sind Gold und seine Mitstreiter ­alleine mit den Feuern rund um Be’eri. Oft, so erzählt er, gebe es so viele Feuermeldungen, dass es nicht möglich sei, überall gleichzeitig zu sein. Zudem mache der Materialverschleiß durch die hohe Beanspruchung eine aufwendige Wartung des Geräts nötig. Jeden Abend falle er todmüde von der Anstrengung und vom Rauch ins Bett.

Bei einer Rundfahrt durch das Naturschutzgebiet zeigt Gold auf ein bisschen Grün hier und da inmitten eines verkohlten Areals. Einzelne Pflanzen sprießen bereits wieder. Die Natur, so zitiert er aus dem Film »Jurassic Park«, finde immer einen Weg. Er verspricht, dass das Naturschutzgebiet im nächsten Jahr blühen werde.

Bei einem Observationsposten des KKL trifft Gold auf Einad und Mohammed aus der Beduinenstadt Rahat, die dort mit einem Feuerwehrauto die Stellung halten und auf die gesammelte Mannschaft warten. Sobald gegen Mittag der Wind dreht, erklärt Mohammed, geht es los. Weil der Wind für die Absender der Brandsätze am Vormittag schlecht steht, unterhalten sich die drei über Feuer, Land und Leute. Die seit Monaten andauernde Ausnahmesituation hat Zusammenhalt gestiftet.

Der KKL stellt seinen Feuerwehrleuten im ganzen Land frei, sich für den Dienst im Umland des Gaza-Streifens zu melden. Es melden sich so viele, dass mitunter sogar Streit darum ausbricht, wer abkommandiert wird. Als KKL-Freiwillige kamen auch zwei Drusen von den Golan-Höhen.
 

Mit Farbe gegen die Angst

Netiv HaAsara war ursprünglich Teil des Siedlungsblocks Yamit im israelisch besetzten Sinai. Nach dessen Räumung 1982 wurde das Genossenschaftsdorf auf einem Hügel nördlich der Grenze zum Gaza-Streifen neu errichtet. Die Bewohner betrieben Landwirtschaft und fuhren bis zur ersten Intifada für Besorgungen nach Gaza.
Als Zameret Samir im Jahr 2000 nach Netiv HaAsara zog, sah sie von der ­Veranda ihres Hauses direkt auf die wenige Hundert Meter entfernten Häuser am Stadtrand von Beit Lahiya. Während der zweiten Intifada gelangte das südliche Neubaugebiet von Netiv HaAsara ins Visier palästinensischer Scharfschützen. Als hohe Mauern ge­zogen wurden, um den Scharfschützen die Sicht zu nehmen, verschwand Beit Lahiya aus dem Blickfeld Samirs.

Am 14. Juli 2005 wurde die 22jährige Dana Galkovich bei einem Besuch in Nativ HaAsara von einer Kassam-Rakete getötet. 2007 begann der Dauerbeschuss der Grenzregion. Hinzu kam der vereitelte Versuch zweier palästinensischer Terroristen, sich nach Netiv HaAsara zu schleichen. Als der Raketenterror gegen Ende des Jahres 2008 eine beispiellose Intensität ­erreichte, begann Israel die Militäroperation »Gegossenes Blei«. Ab 2010 war der Bombenalarm wieder Teil des Alltags. Im März 2010 tötete eine Granate einen thailändischen Gastarbeiter der Genossenschaft (Moshav). Im November begann das israelische Militär die Operation »Wolkensäule«.

Vor etwa fünf Jahren entschloss Samir sich, etwas gegen das triste Grau der Sichtblende und ihre Angst zu tun. Sie begann, die neun Meter hohe Betonmauer in hoffnungsvollen Farben ­anzumalen. Und sie bemerkte, wie ihre Angst Kraft und Optimismus wich. Aus der Malaktion wurde die Mosaikschöpfung »Pfad zum Frieden«, an der sich immer mehr Menschen beteiligten.

Einige Wochen, nachdem sie den »Pfad zum Frieden« begonnen hatte, ­eskalierte die Situation erneut. Raketen- und Mörserbeschuss erreichten eine noch nicht dagewesene Intensität. Dazu kam die Albträume auslösende Gefahr der Infiltration. Von der höchsten Erhebung des Moshav zeigt Samir zu beiden Seiten auf jeweils von der Armee abgesperrte Areale, in denen Tunnelöffnungen entdeckt wurden.

Während der Militäroperation »Schutz­linie« 2014, so erzählt Samir, seien sie und ihre Familie eines Nachts von einer ohrenbetäubend lauten Explosion aus dem Schlaf gerissen worden. Die Druckwelle habe die Fensterscheiben bersten lassen. Eine Grad-Rakete habe den zweiten Stock des benachbarten Hauses völlig zerstört. Ihr schrecklichstes Erlebnis sei gewesen, vom Küchenfenster aus ihre Kinder in einen Schulbus steigen zu sehen, als »roter Alarm« – die höchste Stufe – gegeben wurde.

Samir betont, dass sie und ihre Familie sich trotzdem in der Gemeinschaft des Moshav wohlfühlten. Niemand habe den Gaza am nächsten gelegenen isra­elischen Ort verlassen. An einer Stelle, die als Neubaugebiet ausgewiesen ist, zeigt Samir auf eine Reihe von Bäumen, die jüngst gepflanzt wurden, um auf den Bau einer weiteren Mauer als Sichtblende verzichten zu können.
Über die vergangenen Wochen sagt Samir, es seien die schwersten seit 2014 gewesen. Mehrere Feuer seien im ­Moshav ausgebrochen, eines am Samstag, als den ganzen Tag Alarm und Explosionen zu hören gewesen seien und die Bewohner von Netiv HaAsara in den Bunkern gesessen hätten. Bei vielen, wie bei ihrer inzwischen erwachsenen Tochter, seien an diesem Tag alte Traumata wiedergekehrt.

Samir sorgt sich auch in schwierigen Zeiten nicht nur um ihre Familie und Freunde, sondern auch um Bekannte, die sie auf der anderen Seite der Grenze hat. Sie weigert sich, Frieden für unmöglich zu halten.

 

Stalin für die Beduinen

Der Kibbuz Magen wurde 1949 von rumänischen Holocaust-Überlebenden gegründet, die der sozialistisch-zionis­tischen Bewegung HaShomer HaTzair angehörten. Ihre Haltung spiegelt sich in einer Anekdote aus jener Zeit: Der Kibbuz Magen litt in seinen ersten Jahren darunter, dass Beduinen des Negev Bewässerungsanlagen, Gerät und Vieh entwendeten. Die Kibbuzversammlung reagierte auf den Diebstahl, indem sie Schriften Stalins in arabischer Übersetzung an die Obersten eines nahen ­Beduinenstamm übergeben, um diesen davon zu überzeugen, sich dem Kampf um eine bessere Gesellschaft anschließen, statt zu stehlen. Bei der letzten Wahl holte Meretz in Magen die meisten Stimmen.

Martin Sessler, der 1947 in der Schweiz geboren wurde und dort 1964 der HaShomer HaTzair beitrat, wurde 1970 Mitglied des Kibbuz. In den siebziger Jahren, so berichtet er, hätten offi­zielle Kontakte zwischen dem Kibbuz und nahegelegenen palästinensischen Dörfern bestanden. Die Situation habe sich mit dem Erstarken der während der ersten Intifada gegründeten islamistischen Hamas geändert. Palästinenser, die in Israel arbeiteten, seien bedroht und Opfer von Übergriffen geworden. Auch die Kibbuzniks von Magen hätten Geld nach Gaza geschickt, als die Arbeiter nicht mehr kommen konnten. Die Verschlechterung der Beziehungen, die in der zweiten Intifada einen vorläufigen Höhepunkt fand, hätten aus Magen, weniger als fünf Kilometer vom Grenzzaun zum Gaza-Streifen entfernt, einen Kibbuz an der Front gemacht, wenn auch »in zweiter Reihe«, wie Sessler sagt.

Er ist Pädagoge, machte an der Universität Be’er Sheva seinen Doktor in Judaistik und ist Dozent an der Zweigstelle der renommierten militärischen Vorbereitungsakademie Lachish im Kibbuz Nahal Oz, die nach der Operation »Schutzlinie« zur Unterstützung der Kommunen im Grenzgebiet zu Gaza eingerichtet wurde. Für die Studenten bedeutet es, ein Jahr lang Mitglied der Kollektivsiedlung zu werden, sich sozial zu engagieren und etwas über Israel und den Zionismus zu lernen. Itay spricht für die Gruppe, als er sagt, sie wollten alle diesen Kibbuz im Grenzgebiet ­unterstützen. Dies sieht praktisch so aus, dass sie an Wochenend- und Feier­tagen ein Programm für die Kinder der Kollektivsiedlung machen und Workshops anbieten.

Der Sturm auf die Grenze am 14. Mai habe eine Gefahr für Leib und Leben der Israelis in der Grenzregion dargestellt, sagt Sessler. Die Bewertung der israelischen Reaktion, die nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mehr als 150 Palästinenser das Leben kostete, gehe je nach politischer Überzeugung auseinander. Er betont, dass niemand glücklich sei über die Opfer, und zitiert aus den Sprüchen Salomons: Freue dich nicht über den Fall deines Feindes. Sessler sagt aber, dass die Reaktion der israelischen Streitkräfte notwendig und angemessen gewesen sei und er auf keinen Fall einen Grenzdurchbruch erleben möchte.

Von Mitleid will Sessler nichts wissen. Drei seiner Kinder hätten im Umland von Gaza gebaut. Er ist optmistisch, dass die Grenzen irgendwann wieder so ­offen sein werden, wie sie es einmal waren. Und die verbrannten Felder, so ist er sich sicher, werden wieder Weizen tragen.

Tse’elas Molkerei für Schafmilch ging aus einem Hippietraum von Tse’elas Mutter Ruti Nevo hervor, die Anfang der siebziger Jahre mit ihrem Partner beschloss, Magen den Rücken zu kehren und in die Wüste zu ziehen. Zur Molkerei gehören mittlerweile eine Landgaststätte und ein Besucherzentrum, das seit Jahren an den Wochenenden Besuchergruppen aus dem ganzen Land anzieht. Wegen des Feuerterrors bleiben die Gruppen in diesem Jahr aber weg. Dafür, so erzählt Tse’ela, ­kämen immer wieder Israelis für Soli­daritätseinkäufe

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Als Itay und Dana Nisanov ihre Hochzeit am 28.Juni auf den Feldern neben der Gaststätte planten, konnten sie den Feuerterror noch nicht erahnen. Die Brautleute wurden in ganz Israel bekannt, als sie sich entschlossen, ihre Hochzeitsfotos auf den verbrannten Feldern zu machen.