Konflikt zwischen Deutschland und den USA über die Iran-Politik

»Falsches Fahrwasser«

Die USA haben das Nuklearabkommen mit dem Iran aufgekündigt und verfolgen die Politik des maximalen Drucks. Die deutsche Regierung setzt weiter auf Deeskalation.

»Führerin der freien Welt« – so bezeichneten US-amerikanische und britische Medien Angela Merkel, nachdem Donald Trump 2016 die Präsidentschafts­wahlen in den USA gewonnen hatte. Die Bundeskanzlerin hat den Titel stets ­unumwunden abgelehnt. Er stünde auch in einem erheblichen Missverhältnis zu Deutschlands Bedeutung in der Weltpolitik. Die derzeitige Diskussion über die Vorgänge in der Straße von Hormuz belegt das. Deutschland plant eine ­»europäische Marinemission« in der Region – doch es scheint kaum noch eine Rolle zu spielen, ob diese tatsächlich stattfindet. Was Deutschland tut und plant, dürfte kaum Einfluss auf den Konflikt haben, wohl aber auf das transatlantische Verhältnis.

Der Konflikt in der Straße von Hormuz hat eine Vorgeschichte: Vor etwas mehr als einem Jahr kündigten die USA offiziell das Nuklearabkommen mit dem Iran auf. Seither verfolgt die US-Regierung eine Politik des »maximalen Drucks«. Mit umfassenden Sanktionen bereitet sie dem Iran enorme wirtschaftliche Schwierigkeiten. Frankreich, Deutschland und Großbritannien versuchen, das Abkommen zu retten.

Dafür müssen sie dem iranischen Regime weiterhin die ökonomischen Vorteile bieten, die das Abkommen im Tausch gegen die Pausierung des Atomwaffenprogramms versprach. Funktioniert hat das bisher nicht. Europäische Firmen mussten sich den US-amerikanischen Sanktionen beugen und sich aus dem Iran zurückziehen. Die Handelsgesellschaft Instex, mit der die EU die Sank­tionen umgehen wollen, ist nicht ­annähernd einsatzbereit. Frankreich, Deutschland und Großbritannien ­haben dem Iran also nichts zu bieten. Nur China importiert noch iranisches Öl.

Kosten in die Höhe treiben

Der Iran reagierte mit der Wiederaufnahme des Nuklearprogramms auf das US-amerikanische Vorgehen – und mit aggressiven Schritten, um die Kosten der Politik des »maximalen Drucks« in die Höhe zu treiben. Die vom Iran unterstützen Houthi-Rebellen ­attackierten Flughäfen und Pipelines in Saudi-Arabien, im Libanon bereitet sich die vom Iran bewaffnete Hizbollah auf einen Krieg mit Israel vor und die Hamas erhält deutlich mehr Geld aus ­Teheran.

Die derzeit wichtigste Front in diesem Kleinkrieg liegt in der Straße von ­Hormuz, einer Meerenge zwischen dem Iran und der Arabischen Halbinsel. In den vergangenen Monaten wurden dort ein norwegisches und ein japanisches Schiff angegriffen, die USA ­machen den Iran dafür verantwortlich. Das islamistische Regime könnte mit solchen Attacken eine der wichtigsten Seerouten der Welt lahmlegen. Mehr als ein Fünftel des weltweit verkauften Erdöls wird durch die Straße von Hormuz transportiert, 21 Millionen Fass Rohöl am Tag. Das Öl kommt aus Saudi-Arabien, Katar, Kuwait und anderen arabischen Staaten, das meiste davon geht nach Asien, vor allem nach China.

Eine weitere Eskalationsstufe war ­erreicht, als der Iran am 19. Juli den unter britischer Flagge fahrenden Tanker »Stena Impero« beschlagnahmte. Einige Tage zuvor hatte Großbritannien auf Bitten der USA vor Gibraltar einen ­iranischen Tanker konfisziert; dieser habe Erdöl nach Syrien liefern wollen und damit gegen das von der EU verhängte Embargo verstoßen, so die ­Begründung.

Großbritannien ist an Bord

Großbritannien befand sich in einer schwierigen Lage. Die USA planten eine Marinemission in der Straße von Hormuz, um Vorfälle dieser Art in Zukunft zu verhindern, und drangen auf eine Beteiligung der Europäer. Doch Großbritannien will mit Frankreich und Deutschland am Nuklearabkommen festhalten und die US-amerika­nische Politik des »maximalen Drucks« nicht unterstützen. Deshalb schlug der britische Außenminister Jeremy Hunt eine europäische Marinemis­sion vor, die sich mit den USA lediglich abstimmen sollte.

Aus Frankreich kamen positive Signale, doch die Bundesregierung reagierte zögerlich. Man wolle sich vorerst nicht auf eine Teilnahme festlegen, sondern sich weiter um Deeskalation bemühen, teilte das Auswärtige Amt mit. Nur wenige Tage später war diese Möglichkeit jedoch vertan. Der gerade neu gewählte britische Premierminister Boris Johnson ernannte ein neues Kabinett und gab bekannt, sein Land werde an der US-amerikanischen Mission teilnehmen.

Die US-Regierung kann das als Erfolg verbuchen. Nicht weil sie dringend auf militärische Unterstützung angewiesen ist – im Gegensatz zu den Europäern könnten die USA die Mission allein ­bewältigen. Es geht eher um ­einen symbolischen Beitrag, durch den das US-amerikanische Vorhaben an diplomatischem Gewicht gewinnt. Zudem könnten die Europäer dadurch schrittweise zu einer Unterstützung der US-Politik bewegt werden.

Friedensinitiative statt Militärmission

Für die Bundesregierung wäre das eine schlechte Entwicklung. Sie hatte eine Beteiligung an der Mission ab­gelehnt – man halte »die Stra­tegie des maximalen Drucks für falsch«, hatte das Außenministerium verlautbart. Der CDU-Politiker Norbert Röttgen sagte es Ende Juli im ZDF-Morgenmagazin noch deutlicher: »Die USA wollen den Iran isolieren und in die Knie zwingen. Das ist der falsche Ansatz und macht es uns unmöglich, mit den USA gemeinsame Sache zu machen, weil wir dann in das Fahrwasser falscher Politik geraten würden.«

Deutschland ist von dem Konflikt in der Straße von Hormuz weniger betroffen als andere Länder, da es einen Großteil seiner Energieträger aus Russland und anderen europäischen Ländern bezieht. Dass die »funktionierende Handelsschifffahrt für die Export­nation und das Industrieland Deutschland von herausragender Bedeutung« sei, merkte ein Sprecher des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI) Ende Juli auf Nachfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland dennoch an, mit der weiteren Empfehlung, Deutschland solle versuchen, die Straße von Hormuz militärisch zu überwachen – aber in einer europäischen Mission. Bei ­einer Teilnahme an dem US-geführten Einsatz »hätte man sich der Politik des maximalen Drucks der USA an­geschlossen« – und das will der BDI ­offenbar nicht.

Die CDU sieht es genauso, aus der SPD waren zunächst skeptische Stimmen zu hören; statt einer Marinemission solle man lieber eine neue »Friedens­initiative« in die Wege leiten, merkte etwa der kommissarische Vorsitzende der SPD-Fraktion, Rolf Mützenich, an. Doch inzwischen strebt die Bundes­regierung eine eigene EU-Mission an. Dabei werde es sich allerdings um eine bloße »Beobachtermission« handeln, sagte Außenminister Heiko Maas (SPD) vergangene Woche.

Gewohnte Sticheleien

Es stellt sich die Frage, wie sinnvoll eine europäische Mission ohne britische Beteiligung wäre. Sie könnte ohnehin nur in Koordination mit dem US-amerikanischen Einsatz stattfinden. In einer Anfang der Woche erschienen Studie skizzierten Mitarbeiter der Universität der Bundeswehr in München und der Deutschen ­Gesellschaft für Auswärtige Politik, wie ein solcher Einsatz aussehen ­könnte: Weitere euro­päische Länder und insbesondere Frankreich müssten sich an der Mission beteiligen, die »zwischen zehn und 30 Prozent der maritimen Fähigkeiten Europas erfordern« würde – und diese Schätzung sei noch »sehr optimistisch«.

Deutschland müsste zudem erst Truppen aus ­anderen Missionen ab­ziehen, um den Einsatz überhaupt antreten zu können. Dennoch forderten die Autoren der Studie in einem Gastbeitrag in der FAZ, die Bundesrepublik müsse eine solche Mission beginnen, um den »deutschen außenpolitischen Gestaltungsanspruch praktisch umzusetzen und Deutschlands Interessen zu wahren«.

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels (SPD), hatte jedoch schon vergangene Woche gewarnt, ein solcher Einsatz könne die deutsche Marine überfordern, da nicht genug Schiffe zur Verfügung stünden. Dies kommentierte die US-ame­rikanische Botschaft in Berlin auf Twitter folgendermaßen: »Ein Vorschlag: Die größte Wirtschaft Europas könnte mehr Schiffe kaufen?«

Das war eine der undiplomatischen Sticheleien gegen offizielle Verbün­dete, für die Präsident Trump und der ­US-Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, inzwischen bekannt sind. In demselben Stil drohte Grenell vergangene Woche, die USA könnten ihre Truppen aus Deutschland abziehen. Es sei »beleidigend«, dass Deutschland sich weiterhin weigere, wie vereinbart zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Militär auszugeben, die USA müssten nun endlich Konsequenzen ziehen. Dass die USA wirklich auf ihre bedeutenden Militärbasen in Deutschland verzichten wollen, die für Einsätze im Mittleren Osten und ­Afrika enorm wichtig sind, darf bezweifelt werden. Doch die eigentliche Botschaft dürfte in Berlin angekommen sein: Wer militärisch nichts zu bieten hat, kann sich auch keine Alleingänge erlauben.