Die Hizbollah und der Kokainhandel

Koks für den Satan

Von Tal Leder

Der weltweite Drogenhandel ist für die libanesische Hizbollah eine wichtige Einnahmequelle. In Lateinamerika hat die schiitische Miliz Verbündete gefunden.

Die libanesische Terrororganisation Hizbollah ist tief in den internationalen Drogenhandel verstrickt und betreibt Geldwäsche in großem Stil. Ein komplexes System macht die Bekämpfung des sogenannten Drogen-Jihad schwierig. Im Zuge der Operation »Northern Shield« zerstörte die israelische Armee (IDF) zwischen Dezember 2018 und Mai 2019 sechs unterirdische Tunnel der Hizbollah. Die Tunnel reichten bis auf israelisches Territorium und sollten bei einem Kriegsausbruch Elitekämpfer und Waffen nach Israel bringen. Sie sollten der Organisation aber auch bei ihren Drogengeschäften nützen. Zwar wird die Miliz vom Iran militärisch, logistisch und finanziell unterstützt, doch ein Teil ihrer Einnahmen stammt aus dem Drogenhandel.

Die Hizbollah ist seit den achtziger Jahren in den Drogenhandel verwickelt, einer Zeit, als der Iran begann, sein ­geheimdienstliches Netz in Lateinamerika aufzubauen. Generell floriert im Nahen Osten der »Drogenterrorismus«, also die Finanzierung von Milizen durch Drogengeschäfte. Mittlerweile ist die Hizbollah selbst zu einem mächtigen Drogenkartell geworden. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist der ­Libanon der drittgrößte Produzent von Cannabis-Harz (sechs Prozent der weltweiten Produktion), nach Marokko und Afghanistan. Roter Libanese, die gängigste Sorte Haschisch, wird im Irak, in Jordanien und in Dubai konsumiert. Beduinenstämme, die auf beiden Seiten der israelisch-ägyptischen Grenze leben, bringen Marihuana und Haschisch auch nach Israel. Manche dieser Ladungen werden auf Kamelen ohne menschliche Begleitung nach Israel geschickt und nach dem Überqueren der Grenze abgeholt.

Neben dem Verkauf von Cannabis ist insbesondere der Schmuggel und Verkauf von Kokain eine Geldquelle der Miliz. Nach Einschätzung der US-Behörden setzt sie dabei jeden Monat 200 Millionen US-Dollar um.

Die Aktivitäten der Hizbollah erstrecken sich nicht nur nach Europa, insbesondere nach Deutschland, Belgien und auf den Balkan, sondern auch nach Südamerika, dort besonders in die Dreiländerregion von Argentinien, Brasilien und Paraguay, wo es schon seit langem eine libanesische Diaspora gibt. Im 19. Jahrhundert wanderten dort die ersten Libanesen ein, viele weitere kamen in den achtziger Jahren während des libanesischen Bürgerkriegs; heutzutage leben über 50 000 Libanesinnen und Libanesen in dem Gebiet.

 

Auch in Lateinamerika ist die Hizbollah tätig, neben Venezuela auch in Mexiko. Durch die Allianz mit Drogenkartellen wie den mexikanischen ­Zetas kann die Terrormiliz enorme Gewinne aus dem illegalen Drogenhandel er­zielen und für die Bewaffnung, Ausrüstung und Ausbildung ihrer Mitglieder verwenden. Sie dient dort häufig als Kurierdienst für die Verteilung der von den Kartellen vertriebenen Drogen ­sowie für die Geldwäsche.

Ein internes Memo der Polizei von Tucson, Arizona, enthüllte bereits im Jahr 2010, dass die Hizbollah Verbindungen zu mexikanischen Drogenkartellen aufgebaut hatte, um ihnen zu helfen, Geld zu waschen und zugleich den Waffen- und Drogenhandel zu fördern. Die Polizei warnte davor, dass die Folgen der Zusammenarbeit zwischen der Hizbollah und den mexikanischen Drogenkartellen katastrophal sein könnten, da die Terrororganisation über fortschrittliche Waffen und Fachwissen verfüge, insbesondere über Kennt­nisse im Umgang mit improvisierten Sprengkörpern.

Der sogenannte Drogenterrorismus  gefährde mittlerweile die nationale ­Sicherheit vieler Nationen, sagt Rachel Ehrenfeld, Gründerin und Direktorin des in New York ansässigen American Center for Democracy sowie von dessen Economic Warfare Institute. »Der Zusammenhang zwischen transnationalen kriminellen Organisationen und terroristischen Gruppen endet nicht bei illegalem Drogenhandel. Ihre Partnerschaften sind komplex und verbinden Kriminalität mit Wirtschaft und Politik«, so Ehrenfeld. Ein Teil des Geldes werde verwendet, um politische Systeme zu destabilisieren. Der sogenannte Kokain-Jihad gehe auf eine iranische Fatwa zurück: »Wir stellen ­diese Drogen für den Satan Amerika und die Juden her. Wenn wir sie nicht mit Waffen töten können, dann mit Drogen.«

Ehrenfeld schreibt in ihrem Buch »Funding Evil« (Finanzierung des ­Bösen), dass insbesondere der Iran und seine Verbündeten, die Hizbollah und die Hamas, zur Finanzierung ihrer Terrors internationale Netzwerke nutzten und verschiedene Banken, NGOs und Hilfsorganisationen für ihre Zwecke missbrauchten.
Israelische Behörden wollen die Netzwerke aufspüren, die diese Gelder ­waschen. »Ein Großteil des Geldes wird bar bezahlt und unterliegt keinen Kontrollen des Finanzsystems. Ein anderer Teil wird von einem Netzwerk von Strohfirmen und Finanzorganisationen gewaschen«, sagt der ehemalige Geheimdienstmitarbeiter Oren Toledano*. Er gibt zu bedenken, dass die finan­zielle Überwachung terroristischer Organisationen besonders schwierig sei, da diese auch von Staaten wie dem Iran, Saudi-Arabien und Katar finanziell ­unterstützt würden.

 

Toledano arbeitete von 2007 bis 2015 an der »Operation Harpoon«, deren Ziel es war, Terroristen von ihren finanziellen Mitteln abzuschneiden und sie dadurch aufzuhalten. In der vom späteren Mossad-Direktor Meir Dagan initiierten Operation wurden Scheinfirmen gegründet, um Hizbollah- und Hamas-Funktionäre anzulocken. Sie sollten dort Gelder aus dem Drogenhandel anlegen – die dann plötzlich verschwanden. »Beim letzten Gaza-Krieg 2014 war ­unsere Strategie besonders erfolgreich«, sagt Toledano. Versuche, die Schattenwirtschaft der Hizbollah zu torpedieren, gelingen immer wieder. Die im vergangenen Jahr verhängten Sanktionen der USA gegen den Iran stürzten die Hizbollah und auch den Libanon in eine verheerende Wirtschaftskrise.

»Die Probleme der Hizbollah resultieren aber nicht nur aus den wirtschaftlichen Nöten des Iran«, sagt Daniel Cohen vom Abba-Eban-Institut für ­Internationale Diplomatie, das am Interdisziplinären Zentrum Herzliya an­gesiedelt ist, der Jungle World. »Zurzeit erlebt der Libanon eine seiner schlimmsten finanziellen Krisen. Mit einer Staatsverschuldung von etwa 150 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts zählt er zu den am höchsten verschuldeten Ländern weltweit.« 

Schon ab 2008 überwachte die DEA, die Antidrogenvollzugsbehörde der USA, mit dem »Projekt Cassandra« mehrere Jahre lang die Finanzierung der Terrormiliz aus illegalen Drogenquellen. »Mit verdeckten Operationen und ­Informanten rund um den Globus verfolgten sie zahlreiche Kokaintransporte von Lateinamerika nach Westafrika, die dann in Europa und im Nahen Osten landeten«, sagt Cohen. »Doch der damalige US-Präsidenten Barak Obama war entschlossen, ein Nuklearabkommen mit dem Iran abzuschließen. Um dies nicht zu gefährden, wurde das ›Projekt Cassandra‹ stillgelegt, obwohl Washington eindeutige Beweise über die Drogenaktivitäten der Hizbollah unter seinem Schutzpatron Iran hatte.«

Nachdem Donald Trump 2017 US-Präsident geworden war, ließ er »den schlechtesten Deal der Geschichte«, wie er ihn nannte, annullieren und verhängte Sanktionen gegen den Iran. Im Januar 2018 verkündete das US-Justizministerium den Anlauf eines neuen Projekts, des Hezbollah Financing and Narcoterrorism Team (HFNT). Es soll die Bemühungen der USA im Kampf gegen den Drogenhandel der Hizbollah fortsetzen. 

Neue Sanktionen sollen seit August die Einnahmen der Hizbollah weiter schmälern. Mittlerweile wurden weltweit Bankkonten der Miliz geschlossen. Auch vier Einzelpersonen aus dem Libanon und dem Gaza-Streifen wurden von den USA auf die Sanktionsliste gesetzt.

* Name von der Redaktion geändert.