Die Bundesverteidigungsministerin will das Image der Bundeswehr aufpolieren

Gelöbnis im Sperrgebiet

Annegret Kramp-Karrenbauer will die Bundeswehr in der deutschen Öffentlichkeit präsenter machen und damit zugleich ihr eigenes Profil als CDU-Vorsitzende schärfen.

Am 12. November war das Berliner ­Regierungsviertel ein Sperrgebiet. Zugang hatten nur geladene Gäste, Bundestagsabgeordnete und Angehörige der Soldaten, die dort ein öffentliches Gelöbnis ablegten. Mit einer Allgemeinverfügung hatte die Polizei ein Areal von etwa einem Kilometer Durchmesser über viele Stunden zur grundrechtefreien Zone erklärt. Proteste von Gelöbnisgegnern in Hör- und Sicht­weite der Veranstaltung waren nicht möglich.

Die jüngsten öffentlichen Gelöbnisse fallen in eine Zeit, in der die Bundes­wehr weltweit operiert und auch im Inland Privilegien in Anspruch nimmt. 

Die Zeremonie in Berlin gehört zu ­einer Imagekampagne, die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) bereits in ihrer ­Antrittsrede im Juli angekündigt hatte. Sie habe alle Ministerpräsidenten an­geschrieben und ihnen vorgeschlagen, zum Geburtstag der Bundeswehr am 12. November in ihren Bundesländern öffentliche Gelöbnisse abzuhalten, sagte sie damals. Es gehe darum, die Bundeswehr in der Öffentlichkeit »sichtbarer« zu machen.

Wie sich in Berlin zeigte, sollte das nicht unbedingt heißen, dass die Öffentlichkeit auch nah herangelassen wird. Außer in der Hauptstadt fanden an dem Tag auch Gelöbnisse in Mainz und Stralsund sowie den Bundeswehrstandorten Plön in Schleswig-Holstein, ­Rotenburg an der Wümme in Niedersachsen und Freyburg in Sachsen-­Anhalt statt; sechs Tage später gab es auch in München ein Gelöbnis.

Dass die Bundeswehr solche Zeremonien längere Zeit nicht mehr auf ­öffentlichen Plätzen zelebrierte, lag auch an Protesten. In Bremen kam es im Mai 1980 wegen einer Rekrutenver­eidigung im Weserstadion sogar zu heftigen Straßenschlachten (Jungle World 19/1998). Zuvor hatten sich etwa 10 000 Menschen an einer Protest­demonstration gegen die Zurschaustellung der Bundeswehr beteiligt. Es war eines der ersten öffentlichen Gelöbnisse in der Bundesrepublik; das 25jährige Jubiläum der Gründung der Bundeswehr sollte damit gefeiert werden. Bis dahin hatte die westdeutsche Armee auf derartige öffentliche Auftritte verzichtet. Man trug damit der Stimmung in weiten Teilen der Bevölkerung Rechnung, die in den fünfziger Jahren mehrheitlich gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands gewesen war. Zu den Gegnern gehörten freilich nicht nur linke Antimilitaristen, sondern auch Deutschnationale, die sich vor allem daran störten, dass die Bundeswehr für angeblich fremde Interessen in den Krieg ­geschickt werden könnte. Auch in der deutschen Friedensbewegung, die sich ab Ende der siebziger Jahre gegen die Stationierung von Atomraketen der Nato auf dem Territorium der Bundesrepublik wandte, spielten solche Beweggründe eine Rolle.

Auch die übrigen öffentlichen Gelöbnisse, die im Laufe des Jahres 1980 in verschiedenen Städten stattfanden, sorgten für Proteste, die allerdings weitgehend friedlich verliefen und daher weniger Aufmerksamkeit erregten. Im Jahr 1996 kam es erstmals wieder zu aufsehenerregenden Protesten gegen ein öffentliches Gelöbnis. Am Bündnis »Gelöbnix« waren auch Initiativen beteiligt, die die historische Verbindung der Bundeswehr zur deutschen Wehrmacht in den Mittelpunkt der Kritik stellten. Der von Pazifisten häufig herbeizitierte Ausspruch Kurt Tucholskys, »Soldaten sind Mörder«, sorgte nicht nur für juristische Klagen der Bundeswehr. Auch einige »Gelöbnix«-Teilnehmer kritisierten, dass mit der Verwendung des Zitats die Soldaten der Allierten, die Nazideutschland besiegt hatten, mit denen der Wehrmacht moralisch gleichgesetzt würden.

 

Die jüngsten Gelöbnisse fallen in eine Zeit, in der die Bundeswehr weltweit operiert und auch im Inland Privilegien in Anspruch nimmt. Bereits im August hatte sich die Deutsche Bahn mit der Bundeswehr auf Gratisfahrten von Soldaten in Uniform in ICE- und IC-Zügen geeinigt. »Es geht darum, die Bevölkerung an den Anblick von Soldatinnen und Soldaten zu gewöhnen und Akzeptanz zu schaffen«, sagt der Sprecher der »Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner« (DFG-VK), Michael Schulze von Glaßer, im Gespräch mit der Jungle World. Die Proteste gegen das Gelöbnis 1980 erklärt er auch mit der damals noch gültigen allgemeinen Wehrpflicht. »Weil damals noch jeder junge Mann direkt mit der Entscheidung konfrontiert war, seinen Kriegsdienst machen zu müssen beziehungsweise ihn aktiv zu verweigern, gab es damals mehr Betroffenheit bei den Menschen.«

Die DFG-VK verstärkt die Aufklärungsarbeit. »Wir haben Materialien gegen Militärwerbung erstellt. Neue Materialien speziell gegen Gelöbnisse und auch die drohende Reaktivierung des Kriegsdiensts sollen bald folgen«, so von Glaßer. Der DGB-Kreisvorsitzende im niedersächsischen Heidekreis, Charly Braun, geht im Gespräch mit der Jungle World auf die gewandelte Rolle Deutschlands in den vergangenen 30 Jahren ein. »Die Gelöbnisstörungen von 1980 und 1990 standen noch nicht unter den Zeichen internationaler Kampfeinsätze wie heute. 1990 hofften gar viele Menschen, dass Abrüstung auch bei der Bundeswehr möglich sei, denn der Kalte Krieg endete.« Dazu sei es nicht gekommen, denn Deutschland »ist seit 1990 wieder wer« und verteidige seine ökonomischen Interessen in anderen Weltgegenden. Für den Gewerkschafter, der sich im antimilitaristischen Bündnis »Rheinmetall entwaffnen« engagiert, ist das Stören von ­Gelöbnissen »heute sehr viel nötiger als vor 30 oder 40 Jahren«.

Anders als damals gehören die Grünen nicht mehr zu den parlamentarischen Bündnispartnern der antimilitaristischen Bewegung. Lediglich die Linkspartei argumentiert gegen Rüstung und Gelöbnisse, auch wenn sie an manchen Bundeswehrstandorten in Ostdeutschland bereits andere Töne anstimmt. Der lange in der antimilitaristischen Bewegung aktive Bundestagsabgeordnete Tobias Pflüger (Linkspartei) sieht die Gelöbnisse »als Teil einer massiven Aufrüstung, die nicht nur materiell und ­finanziell, sondern auch in der öffentlichen Debatte vorangetrieben wird«. Doch er sieht auch Hoffnung für die Gegner. Erfreulicherweise falle es der Bundeswehr schwer, genügend Personal zu finden, weil »viele junge Menschen dem Militär kritisch gegenüberstehen«, so Pflüger. Dass, anders als die Ver­teidigungsministerin geplant hatte, längst nicht in allen Bundesländern Gelöbnisse stattfanden, sieht Pflüger als Erfolg.