Paragraph 219a StGB muss endlich gestrichen werden

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Kommentar Von Viola Nordsieck

Der Reform des Paragraphen 219a des Strafgesetzbuchs liegt ein frauenfeindlicher Kompromiss zugrunde. Das zeigt die erneute Verurteilung der Ärztin Kristina Hänel.

Die Ärztin Kristina Hänel hat erneut einen Berufungsprozess verloren. Das Landgericht Gießen verurteilte Hänel am Donnerstag ­voriger Woche wegen des Verstoßes gegen den Paragraphen 219a des Strafgesetzbuchs zu einer Geldstrafe in Höhe von 2 500 Euro. 2017 hatte das Amtsgericht Gießen Hänel zu einer Geldstrafe in Höhe von 6 000 Euro verurteilt, weil sie auf ihrer Website darüber informiert hatte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche anbietet. Im Oktober 2018 wurde Hänels Berufung gegen dieses Urteil abgewiesen. Im Juli entschied das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, das Berufungsverfahren müsse wegen der im März erfolgten Änderung von Paragraph 219a erneut geführt werden.

Dass Hänel erneut verurteilt wurde, ist so empörend wie schon die ursprüngliche Verurteilung. Seit der Gesetzesänderung im März dürfen Ärztinnen und Ärzte zwar erwähnen, dass sie Schwangerschaftsabrüche vornehmen. Noch immer dürfen sie ihren ­Patientinnen aber nicht mitteilen, auf welche Weise sie das tun: ob der Abbruch eine Narkose erforderlich macht und ob er operativ oder mit Hilfe von Medikamenten erfolgt. Auch darauf, dass der Abbruch in geschützter Atmosphäre stattfindet, dürfen sie nicht hinweisen. »Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen«, hieß es auf der Website der Berliner Ärztin Bettina Gaber. Sie wurde im Juni als erste Ärztin nach dem neuen Gesetz zu einer Geldstrafe verurteilt.

Wirklich skandalös ist, dass das in Paragraph 219a festgeschriebene Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche beibehalten wurde, weil die SPD im Februar einen frauenfeindlichen Kompromiss mit der Union schloss.

Dass eine ungewollt Schwangere von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt nicht erfahren darf, wie ein Eingriff vorgenommen würde, ist entmündigend. Wirklich skandalös ist aber nicht das Urteil, mit dem Hänel ohnehin gerechnet hatte. Sie will bis vor das Bundesverfassungsgericht gehen, weil Paragraph 219a ihrer Ansicht nach auch in seiner geänderten Form die Berufs- und die Meinungsfreiheit verletzt und das Grundrecht von Frauen auf Informations­freiheit einschränkt. In ihrem Buch »Das Politische ist persönlich. Tagebuch einer Abtreibungsärztin« legt Hänel dar, wie sie von rechten Fundamentalisten angezeigt und angegriffen wurde. Der Mann, dessen Anzeige zum Prozess gegen sie geführt hatte, sagte der Taz im April vorigen Jahres, es sei sein »Hobby«, Ärztinnen und Ärzte anzuzeigen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Die Gesetzeslage gibt ihm diese Macht – immer noch.

Wirklich skandalös ist also, dass das in Paragraph 219a festgeschriebene Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche beibehalten wurde, weil die SPD im Februar einen frauenfeindlichen Kompromiss mit der Union schloss. »Wir haben nach langen Verhandlungen innerhalb der Bundesregierung einen guten Kompromiss gefunden. Wir stellen sicher, dass betroffene Frauen in einer persönlichen Notsituation an die Informationen gelangen, die sie benötigen«, sagte die damalige Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD). Das Landgericht Gießen kritisierte den geänderten Paragraphen, nach dem es zu urteilen gezwungen war. Die Vorsitzende Richterin Regine Enders-Kunze sagte, die Strafkammer sei nicht der Ansicht, dass der reformierte Paragraph 219a, der dem Urteil zugrunde liege, »strafrechtlich in irgendeiner Hinsicht gelungen« sei.

Der Paragraph 219a soll unter anderem verhindern, dass Ärztinnen und Ärzte ihres »Vermögensvorteils wegen« für Schwangerschaftsabbrüche werben. Die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker, sprach Ende 2017 von ­einem »Geschäftsmodell« – ein Ausdruck, den auch rechte Fundamentalisten gebrauchen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, dass die Körper von Frauen in erster Linie zu verhandelnde Gegenstände seien, mit denen sich Geld verdienen lässt. Und wo kämen wir hin, wenn Frauen selbst frei über ihre Körper entscheiden könnten?