Zu Hause arbeiten schon vor Corona

Homeoffice statt Nine to Five

Das Medium Von Elke Wittich

<p>Fangen wir doch gleich mal mit dem an, was nett ist.</p>

Fangen wir doch gleich mal mit dem an, was nett ist. Nett ist, dass nun endlich doch der Winter angefangen hat, oder wenigstens eine Vorform davon, mit Wind und eisigem Nieselregen und abscheulich niedrigen Temperaturen, also genau dem Wetter, das man in normalen Zeiten durch das geschlossene Fenster anguckt und denkt, neenee, da will ich nicht raus, auf keinen Fall will ich da raus, ich bleibe hübsch zu Hause. Wenn alles gut läuft, mummelt man sich dann wieder in die Bettdecke ein und schläft noch ein bisschen oder träumt vom Sommer, und dann, irgendwann, steht man auf, um ein bisschen Kaffee zu trinken, zu tun, was getan werden muss, also zu arbeiten, und sehr froh darüber zu sein, dass man sich nicht nassregnen lassen muss und überdies der niedliche Billigschirm mit den hübschen bunten Punkten drauf weiterleben darf, anstatt von feindlichen Windböen hinterrücks umgebracht zu werden.

Noch netter ist, wie schnell die früher üblichen Respektlosigkeiten gegenüber Leuten, die zu Hause arbeiten (»Höhö, arbeiten nennst du das?«) aufgehört haben. Vielleicht weil diejenigen, die finden, Arbeiten gehe nur im Büro und ab Punkt neun Uhr morgens und alles andere sei verachtenswerte Freizeit und vor ­allem immense Nutzlosigkeit, so daran gewöhnt sind, das zu tun, was ihnen gesagt wird, dass sie nun, allein zu Hause, feststellen, dass die Sache mit der Selbstdisziplin gar nicht so einfach ist, wie sie immer dachten. Oder weil sie nach Jahren des Frühaufstehens und erschöpfender Aufenthalte in Büros, außer um irgendwo mit Leuten noch ein Bier zu trinken, immer zu müde für kreative Freizeitgestaltung waren. Oder weil sie schlicht blöd sind, kann auch sein. Jedenfalls ist das trostlose Gejammer derjenigen, die nun plötzlich nicht mehr um neune irgendwo sein müssen, um zu arbeiten, sehr interessant zu lesen.