Eine geplante Corona-App soll Daten dezentral speichern

Vier gegen eins

Von Enno Park

Über eine »Corona-App«, die helfen soll, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, wird viel diskutiert und gestritten. Dabei geht es um vier verschiedene Apps, und zwei von ihnen müssen erst noch ­entwickelt werden.

Debatten über Sinn und Unsinn von Smartphone-Apps zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie entgleisen häufig, weil die Diskutierenden völlig verschiedene Apps meinen. Etwa die längst veröffentlichte und oft kritisierte »Datenspende«-App des Robert-Koch-Instituts, die einige schon auf ihrem Telefon haben, oder die Anwendung mit dem Namen Pepp-PT, die eigentlich gar keine App ist, sondern eine Referenz-Implementierung, auf deren Basis mal Apps entwickelt werden sollen. Komplett wird das Durcheinander beim Blick ins Ausland, denn die hierzulande genutzten oder diskutierten Apps haben weder etwas mit der österreichischen »Stop Corona«-App zu tun, noch mit der App »TraceTogether« aus Singapur. In Deutschland ist derzeit von vier verschiedenen Apps die Rede.

1. Diagnose-App
Die von der Charité und dem Health-Start-up Data 4 Life entwickelte »Cov­App« ist eigentlich gar keine Applikation für das Smartphone, sondern eine Website. Sie soll Menschen helfen, die vermuten, an Covid-19 erkrankt zu sein. Im Grunde handelt es sich um einen Fragebogen, den Hilfesuchende ausfüllen. Die automatisierte Auswertung von Fragen nach möglichen Symp­tomen und Kontakten erfolgt automatisch. Die Nutzer bekommen eine Handlungsempfehlung, etwa sich beim Gesundheitsamt zu melden, sich ein paar Tage Ruhe zu gönnen oder auch nichts zu unternehmen.

Eine Diagnose kann und darf diese Web-App nicht ersetzen, wohl aber ein Erstgespräch mit den oftmals überlasteten Hotlines der Gesundheitsämter. Wer derzeit also Erkältungssymptome entwickelt und sich fragt, ob es Covid-19 sein könnte, sollte zunächst die Website covapp.charite.de aufrufen.

Eine weitere App namens »Covid 19« stammt von der Telekom. Mit ihr können sich Menschen, die einen Coronatest absolviert haben, das Testergebnis mitteilen lassen – jedenfalls wenn der Test in einem der Labore stattfand, die diese App unterstützen, und der Arzt den Getesteten zuvor einen dazu notwendigen QR-Code ausgedruckt hat. Das geht schneller und entlastet das Personal in Praxen und Gesundheits­ämtern von unnötigen Telefonaten.

2. Datenspende
Epidemiologen interessieren sich aber vor allem für Daten von Menschenmassen: Wie viele haben sich wo aufgehalten oder sind wohin gereist, und in welchen Regionen kam es zu Krankheitsausbrüchen? Zu diesem Zweck erhielt das Robert-Koch-Institut anonymisierte, das heißt nicht personenbezogene Mobilfunkdaten von T-Mobile, anhand derer die Wissenschaftler abschätzen konnten, wie mobil die Bevölkerung gerade ist.

Solche Daten können helfen, Modellrechnungen zum möglichen Verlauf der Pandemie präziser zu machen. Für den gleichen Zweck bat das Robert-Koch-Institut Freiwillige um eine sogenannte Datenspende von Fitness- und Gesundheitsdaten. Wer ein Fitnessarmband oder eine Smartwatch benutzt und damit Körperfunktionen wie den Puls protokolliert, ist aufgerufen, diese Daten dem Robert-Koch-­Institut zu überlassen.

Theoretisch ist es möglich, die ans RKI gespendeten Gesundheitsdaten mit anderen personen­bezogenen Daten wie Namen und Geburtsdatum zu verknüpfen.

Dies geschieht mit einer App, die den schlichten Namen »Datenspende« trägt und von der Berliner Mhealth ­Pioneers GmbH entwickelt wurde. Leider entdeckte eine Analyse von Mitgliedern des Chaos Computer Clubs so viele Probleme in der App, dass der Verein extra eine Pressemitteilung herausgab. Neben mehreren konzeptionellen Schwächen ist der Hauptkritikpunkt, dass sich die Datenspende-App die Daten nicht vom Smartphone der Nutzer holt, sondern von den Servern der Fitness-Tracker-Anbieter wie Garmin, Fitbit oder Withings. Der Zugriff des Robert-Koch-Instituts auf diese Server bleibt sogar bestehen, wenn Nutzer die Datenspende-App wieder von ihrem Telefon entfernen.

Praktisch werden die Daten vom Robert-Koch-Institut pseudonymisiert, theoretisch ist es mit dieser App aber möglich, die Gesundheitsdaten mit anderen personenbezogenen Daten wie Namen und Geburtsdatum zu verknüpfen. Die einzige Ausnahme bildet Apple Health. Die App von Apple speichert sämtliche Gesundheitsdaten nur auf dem Telefon und nicht in der Cloud, weshalb hier der Zugriff durch die Datenspende-App einfach unterbunden werden kann.

3. Contact Tracing
Das Contact Tracing meint das Zurückverfolgen sämtlicher Kontakte einer infizierten Person. Hierzu befragen Mitarbeiter der Gesundheitsämter die ­Infizierten, wo sie sich aufgehalten haben und wem sie begegnet sind. Anschließend versuchen sie, so viele dieser Kontakte wie möglich ausfindig zu machen, zu testen und gegebenenfalls unter Quarantäne zu stellen. Solange die Gesamtzahl der Infizierten niedrig ist, lässt sich auf diese Weise eine Epidemie in Schach halten, ohne dass krasse Maßnahmen wie Ausgangssperren nötig werden.

Einige Experten bauen darauf, dass die Zahl der Infizierten so weit zurückgeht, dass der Shutdown beendet und wieder zum Contact Tracing übergegangen werden kann.

Das ginge früher und effizienter, würden die Kontakte nicht mühsam manuell verfolgt, sondern automatisch von einer App registriert. Die Standortdaten aus den Mobiltelefonen sind hierfür allerdings viel zu ungenau, weshalb derzeit ein anderer Ansatz verfolgt wird. Man hoffe dabei auf eine »dezentrale Softwarearchitektur«, teilten Kanzleramtsminister Helge Braun und Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) am Sonntag mit.

 

Mit dem Funkstandard Bluetooth Low Energy sendet ein Telefon regelmäßig eine Kennung, die von den umliegenden Telefonen bemerkt wird. So enthält jedes Telefon eine Liste der Kennungen sämtlicher anderer Telefone, die sich in der Nähe befanden. Die Kennung wird alle paar Minuten verändert, damit sie später nicht auf eine bestimmte Person zurückgeführt werden kann.

Erfährt eine Person, dass sie infiziert ist, teilt sie dies der App mit, welche nun alle genutzten Kennungen im Internet veröffentlicht. Alle anderen Apps schauen regelmäßig nach, ob sie in Kontakt zu einer der veröffentlichten Kennungen standen, und geben im Fall des Falles Alarm. Dieses System ist so datenschutzfreundlich ausgelegt, dass sogar Sprecher des Chaos Computer Clubs wie etwa der IT-Sicherheitsberater Linus Neumann den Einsatz einer solchen App gutheißen, wenn sie korrekt verwirklicht wird.

Daran arbeiten mehrere Gruppen, unter anderem ein internationales Konsortium, das einen Standard namens Pepp-PT entwickelt, was für »Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing« steht. Apple und Google haben passende Bluetooth-Schnittstellen für ihre mobilen Betriebssysteme angekündigt, und voraussichtlich könnten die ersten Apps Ende Mai zur Verfügung stehen.

Ob die Apps die in sie gelegten Hoffnungen erfüllen können, hängt zum einen davon ab, ob ­genügend Menschen freiwillig eine solche App auf ihrem Telefon installieren, und zum anderen davon, in welchen Prozess eine solche App eingebettet ist, also zum Beispiel was geschieht, wenn eine Person einen Alarm erhält. Das und allerlei technische Details sind Gegenstand von Streitigkeiten, die solche Apps auch nach ihrer Einführung noch längere Zeit begleiten dürften.

4. Quarantäneüberwachung
Wer vom Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt wurde, muss diese auch einhalten und riskiert bei Verstößen Bußgelder und die zwangsweise Unterbringung in einer Isolierstation. In mehreren Ländern werden deshalb Apps oder Armbänder zur Kontrolle des Standortes verwendet. So hat die Regierung Polens eine App lanciert, die Personen mehrmals täglich auffordert, ein Selfie von sich zu machen und so zu beweisen, dass man sich zu Hause aufhält. Bleibt das Selfie aus, schaut die Polizei vorbei.

Dementsprechend harsch fiel die Kritik aus, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im ZDF eine App zur Quarantäneüberwachung ankündigte. Allerdings soll die deutsche Quarantäne-App »keine elektronische Fußfessel« werden, schreibt Anke Domscheit-Berg, die für die Linkspartei im Digitalausschuss des Bundestages sitzt, in ihrem Blog. Vielmehr gehe es darum, dass derzeit alle Menschen in Quarantäne zweimal täglich vom Gesundheitsamt angerufen und nach Symptomen und Gesundheitszustand befragt würden. Dies soll künftig per App geschehen, um die Gesundheitsämter zu entlasten.