Razzien bei Neonazis in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern

Autark Waffen sammeln

Ein neonazistisches Netzwerk in Brandenburg soll Waffen gesammelt und Anschläge geplant haben. Die Polizei durchsuchte hierzu auch Gebäude in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.

Zwei halbautomatische Kurzwaffen, eine Pumpgun, scharfe Munition, Handgranaten, Schreckschuss- sowie Hieb- und Stichwaffen – das fand die Polizei Anfang Juli bei Razzien in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die Durchsuchungen richteten sich gegen die rechtsextreme Organisation »Freie Kräfte Prignitz« (FKP) und ein neonazistisches Netzwerk, das verdächtigt wird, gegen das Kriegswaffenkontroll- sowie das Waffengesetz verstoßen zu haben.

»Die Razzia war wichtig, um
einen möglichen terroristischen Anschlag zu verhindern.«
Andrea Johlige (Linkspartei)

Ein Grund für die Ermittlungen, die unter anderem die Bayerische ­Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) anstellt, sind Waffenlieferungen aus Kroatien nach Deutschland; im Zuge der diesbezüglichen Ermittlungen fand man auch Verbindungen in die Schweiz und nach Österreich. Zudem sollen Verdächtige einen Anschlag auf eine Moschee geplant haben.

Den brandenburgischen Ermittlungsbehörden lagen Hinweise vor, denen zufolge sieben Männer einen Brandanschlag mit einem Molotow-Cocktail auf einen Gebetsraum für Muslime in Wittenberge geplant haben. Zudem soll die Gruppe beabsichtigt haben, Geschäfte anzugreifen, die von Inhabern mit Migrationshintergrund geführt werden. Bei den Durchsuchungen fanden die Beamten auch über Kollegen gesammelte Daten.

Das Polizeipräsidium Brandenburg teilte unter Berufung auf den Staatsschutz des Landeskriminalamts mit, dass die »Freien Kräfte Prignitz« Informationen über Personen, Familienverhältnisse und Dienststellen sowie Tarnkennzeichen von Zivilfahrzeugen gesammelt hätten.

»Die Razzia war wichtig, um einen möglichen terroristischen Anschlag zu verhindern«, sagte die Sprecherin für antifaschistische Politik der Fraktion der Linkspartei im brandenburgischen Landtag, Andrea Johlige, der Jungle World. Die Waffenfunde hätten ein nicht zu unterschätzendes Bedrohungspotential gezeigt, das von Neonazis ausgeht. Johlige fordert seit Jahren, Nazigruppen gezielter zu verfolgen und zu zerschlagen. Auch Verbote seien zu diesem Zweck angebracht.
Neben den vier Razzien in den Landkreisen Prignitz und Ostprignitz-Ruppin gab es je eine Hausdurchsuchung in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Die über Landesgrenzen hinausgehende Zusammenarbeit der Neonazis zeigte sich auch im vergangenen September, als die »Freien ­Kräfte Prignitz« unbehelligt ihre »Jahresfeier« im sachsen-anhal­tischen Stendal feiern konnten. Unter anderem sollen dort die extrem rechten Liedermacher Fylgien, Eidstreu und Hermunduren aufgetreten sein.

Sachsen-Anhalt ist in den vergangenen Jahren zu einer beliebten Veranstaltungsregion des rechtsextremen Milieus geworden. Die Personalsituation des Landesverbands der NPD ist dem Rechercheportal LSA-Rechtsaußen zufolge zwar desaströs, doch das Bundesland dient mittlerweile vielen Funktionären der extremen Rechten als Wohn- und Rückzuggebiet. Das von Götz Kubitschek erworbene Rittergut Schnellroda im Saalekreis ist hierfür nur das bekannteste Beispiel.

Eine bundesweit tätige, aber öffentlich eher unbekannte Figur der extremen Rechten aus Sachsen-Anhalt ist Christian Schaar. Der Bundesvorsitzende der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland betreibt mit dem »Harzhof« in Steinbrücken im Landkreis Mansfeld-Südharz einen überregionalen Treffpunkt des Neonazimilieus. Der ehemalige Schatzmeister der Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland, Udo Nistripke, trat zuletzt als Kandidat der »Alternative für Deutschland« (AfD) für den Stadtrat in Halle an. In Möckern im Kreis Jerichower Land wohnt Hedwig von Beverfoerde.

Die Mitorganisatorin der homo- und transphoben »Demo für alle« in Stuttgart ist auch Gründerin der »Initiative Familienschutz«, die zur »Zivilen Koalition« von Beatrix von Storch (AfD) gehört. Die als »Miss ­Homophobia 2015« ausgezeichnete Katholikin Beverfoerde organisiert bundesweite Kampagnen, Petitionen und Demonstrationen gegen die »Homo- und Genderlobby«.

In Hohenthurm bei Halle wohnt der ehemalige Vorsitzende der sachsen-­anhaltischen NPD, Steffen Hupka. Sein Grundstück wurde im Zuge der Razzien wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontroll- und Waffengesetz durchsucht. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass ein Netzwerk von Nazis und Reichsbürgern über Ländergrenzen hinweg mit Waffen handelte. Diese Ermittlungen führten die Beamten zu Hupka.

In den vergangenen Jahren war das ehemalige NPD-Mitglied kaum noch öffentlich aufgetreten. Die Scherereien um das von ihm erworbene Schloss Trebnitz hatten ihn in seinem Milieu in Verruf gebracht. Finanzielle Schwierigkeiten führten 2010 zum Verkauf des Anwesens. Zwei Jahre später veröffentlichte Hupka im Eigenverlag den Aufsatz »Neue Wege«. In diesem knapp 70 Seiten langen Manifest ruft er zum Aufbau autarker Siedlungen auf, in denen »das deutsche Volk zukünftig nur noch in geschlossenen Gemeinschaften weiterleben« soll, »deren Mitglieder deutsch bleiben und viel Nachwuchs zeugen werden«. Als Ort für seine autarke Siedlung hat Hupka offenbar ­Hohenthurm ausgesucht.

»Dass Neonazis systematische Vorbereitungen für Terror treffen und sich Rückzugsräume im ländlichen Raum schaffen, kann niemanden überraschen«, sagte der Co-Vorsitzende des Landesverbandes von Bündnis 90/ Die Grünen in Sachsen-Anhalt, Sebastian Striegel, der Jungle World. Während die einen »durch Worte den Boden« bereiteten, munitionierten sich andere. Der Landtagsabgeordnete fordert eine »konsequente Aufklärung und Strafverfolgung«. Dafür notwendig sei »eine aktive Zivilgesellschaft, die extrem rechte Akteure im Blick behält und immer wieder Protest mobilisiert«.