Mietendeckel und Klassenfrage

Ein Deckel für die Profiteure

Kommentar Von Philipp Möller

Eine neue Studie über den Berliner Wohnungsmarkt zeigt, dass die meisten Wohnungen großen Immobilien­unter­nehmen gehören. Der Berliner Wohnungsmarkt ist damit auch ein Abbild der Klassengesellschaft.

»Wem gehört die Stadt?« fragt eine Studie, die die Rosa-Luxemburg-Stiftung im Rahmen ihres gleichnamigen Projekts Mitte November veröffentlicht hat. Der Projektleiter Christoph Trautvetter analysiert darin die Eigentumsverhältnisse und Geschäftsmodelle auf dem Berliner Immobilienmarkt, wo sich das nationale und internationale Kapital eines bunten Straußes an Eigentumsformen bedient. Trautvetter zufolge gehört etwa die Hälfte der rund 1,65 Millionen vermieteten Wohnungen großen privaten Wohnungsunternehmen und institutionellen Investoren. Diese seien die Profiteure des Berliner Immobilienbooms des vergangenen Jahrzehnts, der eine gewaltige Umverteilung von unten nach oben zur Folge habe.

Börsennotierte Wohnungsunternehmen, Vermögensverwalter, Private-Equity-Fonds und Familiendynastien eint das Ziel, möglichst viel Rendite aus der Ware Wohnraum herauszupressen. Ihre Strategien reichen der Analyse zufolge von kurzfristigem Kauf und Verkauf von Immobilien, maximalen Mietsteigerungen, Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen, Einsparungen bei Instandhaltung und Mieterservice bis hin zu teurem Neubau. Steigende Mieten und sinkende Kapitalmarktzinsen sorgten für wachsende Gewinne der besitzenden Klasse. Seit 2012 stiegen die Wohnungspreise in Berlin der Studie zufolge um bis zu 300 Prozent. Für die Mieterschaft wuchsen dagegen die Wohnkosten; am stärksten hat sich die Mietbelastung, also der Anteil der Miete am Einkommen, für die untersten Einkommensgruppen erhöht.

Das private Eigentum an Immobilien verfestigt somit auch den Klassencharakter der Gesellschaft. Immobilienvermögen werden oftmals vererbt. Die geringe Besteuerung von Immobilieneigentum, -verkauf und -vererbung sowie eine Vielzahl von Steuervermeidungsstrategien sorgen für satte Gewinne bei der Verwertung und geringe Abgaben an den Staat bei der Weitergabe von Immobilienkapital.

Zu den großen Verdiensten der Studie gehört, dass sie mit der Mär des wohlmeinenden Kleinvermieters aufräumt. Diese Figur wabert losgelöst von jeder empirischen Grundlage durch die bürgerliche Presse. Liberale bemühen sie gern, um vor den angeblich ruinösen Folgen des sogenannten Mietendeckels zu warnen. Der Analyse zufolge gehört allerdings mehr als die Hälfte der Berliner Mietwohnungen in Privateigentum wenigen Tausend Vermietern mit mehr als fünf Wohnungen, die ihr Immobilieneigentum bei einem durchschnittlichen Wohnungspreis von 200 000 Euro zu Millionären macht. Kleinstvermieter mit weniger Wohnungen generieren nur einen geringen Teil ihres Einkommens aus Mieteinnahmen. Die Mieter wiederum laufen Gefahr, durch Eigenbedarfskündigungen ihr Zuhause zu verlieren. Die Zahl der Selbstnutzer in Eigentumswohnungen ist gering. 70 Prozent der Eigentumsobjekte sind vermietete Kapitalanlagen.

Wenn ab dem 23. November in der zweiten Stufe des Mietendeckels überhöhte Mieten gesenkt werden müssen, womit Vermieterprofite beschnitten und Mieterhaushalte entlastet werden, ist das ein erster Schritt in Richtung Umverteilung – diesmal von oben nach unten. Um dem Klassencharakter des Wohnungsmarkts grundsätzlich zu begegnen, bedürfte es jedoch einer Zurückdrängung und starken steuerlichen Belastung von privatem Wohnungseigentum, um im Gegenwzug den öffentlichen Wohnungsbestand aus­zuweiten und zu finanzieren.