In Leipzig steht ein waffenhortender KSK-Soldat vor Gericht

Waffenhorten mit besten Absichten

In Leipzig hat der Prozess gegen einen Elitesoldaten begonnen, bei dem die Polizei im vergangenen Jahr ein Waffenlager und rechts­extreme Devotionalien fand. Ermittler fällt es offenbar dennoch schwer, bei dem Angeklagten ein geschlossenes rechtsextremes Weltbild zu erkennen.

Er habe der »Materialknappheit in der Bundeswehr« begegnen und damit in seiner Einheit den »Ausbildungs­erfolg sicherstellen« wollen – so begründete Philipp Sch. in der vergangenen Woche sein geheimes Waffen­lager. Am 22. Januar begann vor dem Leipziger Landgericht der Prozess gegen den vormaligen Soldaten, der bis zu seiner Verhaftung im Mai vergangenen Jahres Ausbilder des Kommandos Spezialkräfte (KSK) war, einer ­Spezialeinheit der Bundeswehr. Die Anklage wirft ihm vor, gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz verstoßen zu haben.

Bei den Ermittlungen kamen indirekte Verbindungen des Angeklagten zur Gruppe Nordkreuz ans Licht, auf seinem Telefon fanden Beamte Nummern von Personen aus deren Umfeld.

Auf seinem Grundstück im nordsächsischen Collm hatte die Polizei im Mai unter anderem ein Sturmgewehr vom Typ AK-47, etwa 6 000 Schuss Munition, Sprengstoff und andere Waffen, manche davon in unterirdischen Depots, entdeckt. Ein Teil der Munition und anderes Material stammten aus dem Bestand der Bundeswehr.

In seiner Erklärung am ersten Prozesstag gestand Sch. die ihm zur Last gelegten Taten. Hinweise auf seine Waffensammlung waren auch von seiner ehemaligen Frau gekommen, die noch vor Gericht aussagen soll. Seine Erklärung, nur zum Besten der auszubildenden Soldaten des KSK gehandelt zu haben, ist gelinde gesagt kaum glaubwürdig.

Zum politischen Kontext äußerte sich der Beschuldigte nicht. Bei der Durchsuchung hatten die ermittelnden Behörden neben Waffen, Sprengstoff und Munition auch nationalsozialistisches Propagandamaterial gefunden, dem sächsischen Justizministerium zufolge unter anderem Postkarten und Aufkleber mit Bezügen zum Nationalsozialismus, ein SS-Liederbuch, vier Exemplare der 2009 eingestellten ex­trem rechten Zeitschrift Nation und Europa, 14 Ausgaben Zeitschrift Der Freiwillige, in der die SS verherrlicht wird, sowie Shirts der bei Rechtsex­tremen beliebten Kleidungsmarke Thor Steinar.

Zu Prozessbeginn forderte Valentin Lippmann, der Sprecher für Innenpolitik, Datenschutz und Kommunales der Fraktion der Grünen im sächsischen Landtag, dass »der Frage nach einem möglichen rechtsextremen Tatmotiv intensiv nachgegangen« werden müsse. Ferner gehe er davon aus, dass die Ermittlungen unverzüglich ausgeweitet würden, sobald sich »kleinste Anhaltspunkte für einen Zusammenhang mit rechtsextremen Netzwerken« ergäben. Die Staatsanwaltschaft stellte zu Prozessbeginn fest, das »die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende«, ebenso wie »die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille« für das Strafmaß eine Rolle spielen würden.

Im Juni wollte sich die sächsische Justizministerin Katja Meier (Grüne) nicht zu möglichen Verstrickungen des Angeklagten in extrem rechte Netzwerke äußern. Die diesbezüglichen Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen, hieß es damals aus dem Ministerium. Inzwischen scheinen sie abgeschlossen, aber nicht Gegenstand der Anklage geworden zu sein. Kerstin Köditz, die Sprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen Landtagsfraktion der Linkspartei, zeigte sich in einer Stellungnahme »verwundert und entsetzt« darüber, dass dieser Zusammenhang in der Anklage ausgeklammert worden sei und die Vorwürfe »nicht auf mögliche Anschlagspläne eingehen«.

Dabei hatte es belastbare Hinweise auf Verstrickungen des Angeklagten mit dem extrem rechten Milieu gegeben. So nahm Philipp Sch. im Frühjahr 2017 an der Abschiedsfeier seines damaligen Kompaniechefs teil. Eine Frau, die anwesend war, machte öffentlich, dass dort unter anderem Lieder der neonazistischen Band Sturmwehr gespielt und mehrfach der Hitlergruß gezeigt worden seien. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) führte den ­Angeklagten seither als Verdachtsfall im Bereich Rechtsextremismus. Es ­waren Hinweise des Militärgeheimdienstes, die das polizeiliche Vorgehen gegen Philipp Sch. überhaupt ­auslösten.

In den folgenden Ermittlungen ­kamen auch indirekte Verbindungen des Angeklagten zur Gruppe Nordkreuz ans Licht, auf seinem Telefon fanden Beamte Nummern von Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Organisation. Bei ihr handelt es sich um eine Untergliederung des 2017 aufgedeckten extrem rechten Prepper-Netzwerks Hannibal, das überwiegend aus Soldaten, Polizisten und Geheimdienstmitarbeitern bestand. Auch KSK-Soldaten und Mitglieder von Spezialeinsatzkommandos (SEK) der ­Polizei gehörten dazu.

Die Mitglieder bereiteten sich auf einen sogenannten Tag X vor, um dann einen Bürgerkrieg zu beginnen und Terror gegen ihre politischen Gegnerinnen und Gegner, Jüdinnen und Juden sowie Migrantinnen und Migranten auszuüben. Ob und inwiefern Sch. in die Bürgerkriegsstrategie dieses Netzwerks eingeweiht war, wird durch das Gerichtsverfahren vermutlich nicht aufgeklärt werden, da der Komplex nicht Gegenstand des Prozesses ist.

Dies wäre Köditz zufolge dann möglich gewesen, wenn die Staatsanwaltschaft Sch. auch wegen der »Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat« angeklagt hätte. Dazu hätten allerdings weiterführende Ermittlungen in der Bundeswehr und der Polizei geführt werden müssen. Darauf hat die Staatsanwaltschaft aber verzichtet, wohl auch, weil die Ermittler der sächsischen Sonderkommission Rechts­extremismus kein geschlossenes rechtsextremes Weltbild beim Beschuldigten erkannt zu haben meinen, wie die Taz berichtete. Die Aufklärung extrem rechter Netzwerke in Behörden ist ­Köditz zufolge darum auch nicht in erster Linie eine juristische Frage, sondern eine des politischen Willens, an dem es offenbar mangelt.