Das vorläufige Ende staatlicher Förderung für Energiesparhäuser gefährdet soziale Bauprojekte

Habecks faktischer Baustopp

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat am 24. Januar die staatliche Neubauförderung für energiesparende Häuser vorläufig beendet. Viele soziale Bauprojekte stehen dadurch vor einer Finanzierungslücke, die oft sogar ihre Realisierung gefährdet.

»Wir machen sozialen Wohnungsbau in Holzbauweise mit dem hohen Energiestandard ›Effizienzhaus 40 plus‹: optimal gedämmt, Wärmerückgewinnung, Photovoltaik mit Speicherbatterie«, sagt Wiebke Hansen vom Bauprojekt »Wohnen hoch drei« im Gespräch mit der Jungle World. Im Hamburger Stadtteil Marmstorf will die genossenschaftliche Baugemeinschaft aus 33 Erwachsenen und 24 Kindern zwei mehrgeschossige Häuser mit insgesamt 24 Wohnungen sowie Gemeinschaftsräumen und einem gemeinsamen Garten bauen lassen. Das notwendige Eigenkapital zum Erwerb einer Wohnung werde durch Soli-Anteile wohlhabender Baugenossen mitfinanziert, so dass auch weniger liquide Familien einziehen könnten, so Hansen. Es gibt viele derartige Baugemeinschaften, die sich darum bemühen, gemeinsam selbstverwalteten und kleingenossenschaftlichen Wohnraum zu schaffen. Aber wie bei nichtprofitorientierten Projekten üblich ist das Geld knapp und die Finanzierung eng kalkuliert. Die Kleingenossenschaft ist auf die Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude angewiesen, die meist KfW-Förderung genannt wird, nach der staatlichen Förderbank Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).

»Die Bauvorhaben, die bis zum 23. Januar 2022 noch keinen Darlehens- oder Zuschussantrag gestellt hatten, schauen nun in die Röhre.« Stattbau Hamburg

Doch am 24. Januar beendete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) die KfW-Programme der Bundesförderung für effiziente Gebäude abrupt und vorzeitig. Mit weitreichenden Folgen, auch für das Hamburger Projekt Wohnen hoch drei. »Wir mussten kurzfristig alle weiteren Umsetzungsschritte und Ausgaben stoppen«, sagt Hansen. »Das ganze Projekt und das gemeinschaftliche Leben stehen in Frage.«

Am 24. Januar war es auf der Website der KfW nicht mehr möglich, Förder­anträge zu stellen. »Die Bewilligung von Anträgen nach der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der KfW wird mit sofortiger Wirkung mit einem vorläufigen Programmstopp belegt«, meldete das Bundeswirtschaftsministerium am selben Tag. Eine »enorme Antragsflut im Monat Januar« habe diesen Schritt notwendig gemacht, denn insbesondere das Volumen der Anträge für die Neubauförderung sogenannter Effizienzhäuser 55 (EH 55) habe die zur Verfügung stehenden Mittel bereits »deutlich überstiegen«. EH 55 bedeutet, dass ein nach diesem Standard geförderter Neubau nur 55 Prozent der Energie verbrauchen darf, die das gesetzlich definierte Standardhaus benötigt. Die Ampelkoalition will nur noch den höheren Standard EH 40 fördern – also Häuser, die nur 40 Prozent des Energieverbrauchs eines Standardhauses benötigen. Es war bekannt, dass die EH-55-Förderung zum 31. Januar endgültig eingestellt werden sollte, wodurch die »Antragsflut« wohl ausgelöst wurde. Allerdings setzte das Bundeswirtschaftsministerium gleichzeitig auch die Förderprogramme EH 40 und EH 40 plus aus.

Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte zwar an, »möglichst schnell die Förderung für die energetische Gebäudesanierung wieder aufzunehmen und eine klimapolitisch ambitionierte, ganzheitlich orientierte Förderung für neue Gebäude, wie sie auch im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, aufzusetzen« – aber erst einmal gibt es gar kein Förderprogramm mehr. Dies sei unvermeidbar, erklärte das Bundeswirt­schafts­ministerium, weil das bisherige KfW-Programm eine »klimapolitische Fehlsteuerung« ausgelöst habe: »Obwohl bekannt war, dass der EH-55-Standard sich im Neubau als Standard durch­gesetzt hat, wurde das Ende der EH-55-­Förderung erst im November 2021 mit Wirkung für Ende Januar 2022 verkündet.« Es sei gefördert worden, was auch ohne Zuschuss gebaut worden wäre.

»Die Bauvorhaben, die bis zum 23. Januar 2022 also noch keinen Darlehens- oder Zuschussantrag gestellt hatten, schauen nun in die Röhre«, schrieb der alternative Bauträger Stattbau Hamburg vergangene Woche in seinem Newsletter. Dies betreffe »zahlreiche Baugemeinschaftsprojekte und auch andere geförderte Wohnhäuser«. Vor allem kleingenossenschaftliche Baugruppen, die mit relativ wenig Eigenkapital arbeiten müssen, seien von der Einstellung der Förderung maßgeblich betroffen und gefährdet. Die vorzeitige Einstellung der Förderung sei »so überraschend« gekommen, so Stattbau Hamburg, »dass dies für einige Projekte, die kurz vor dem Finanzierungsabschluss standen, unter Umständen das Aus bedeutet!«

Ohne die KfW-Förderung könne Wohnen hoch drei nicht bauen, sagt Wiebke Hansen. »Die KfW-Förderung macht 920 000 Euro, also ungefähr 13 Prozent der geplanten Baukosten aus – das ist mehr als das Eigenkapital aus den Genossenschaftsanteilen unserer Mitglieder.« Die privaten Möglichkeiten der Baugruppe und der Kreditrahmen der Genossenschaft seien bereits durch die bisherige Finanzplanung ausgereizt. »500 000 Euro von unseren Mitgliedern haben wir schon in Planungsleistungen investiert«, sagt Hansen. »Das Geld wäre weg, wenn die Finanzierung nicht bald wieder steht.«

In einem Brief vom 1. Februar an Bundeswirtschaftsminister Habeck, der der Jungle World vorliegt, schildert der Baubürgermeister von Tübingen, Cord Soehlke (parteilos), die Auswirkungen des KfW-Förderstopps: Es gehe um »Wohnraum für circa 2 000 Menschen mit einer hohen Sozialbindungsquote und aufwendigen, teuren Planungsvorläufen«. Für »fast alle Projekte« sei die Förderung »elementar«, dabei würden in Tübingen Grundstücke ohnehin nur unter der Maßgabe vergeben, nach EH 40 »oder besser« zu bauen. »Ich neige nicht zum Alarmismus, aber für Tübingen wären die Konsequenzen einer deutlichen Verzögerung, Streichung oder Modifikation im KfW-40-Bereich mehr als erheblich«, so Soehlke. »Der Großteil der Tübinger Projekte wird nicht von großen Bauträgergesellschaften, sondern von Baugemeinschaften, kleinen Genossenschaften, Projekten des Mietshäusersyndikats, der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft oder lokalen Akteuren realisiert.« Außerdem drohe »gerade bei den zahlreichen privaten Projekten ein Domino-Effekt, da auch der Ausstieg einzelner Projekte aus komplexen Quartiersentwicklungen andere benachbarte Projekte betrifft«.

Die Beendigung der KfW-Förderprogramme könnte das ohnehin ambitionierte Ziel der Ampelkoalition, 400 000 neue Wohnungen pro Jahr bauen zu lassen, zusätzlich gefährden. Der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen verlautbarte in der vorigen Woche, 145 000 Wohnungen könnten wegen des Förderstopps nicht gebaut werden.

Für die EH-40-Förderung, so sagte es Bundeswirtschaftsminister Habeck Anfang Februar, solle in diesem Jahr eine Milliarde Euro bereitgestellt werden. Und ab 2023 solle es ein neues Förderungsprogramm »Klimafreundliches Bauen« geben, in dem nicht nur der Energieverbrauch eines Gebäudes gewertet werde, sondern die gesamte Klimabilanz – von der Herstellung der Baustoffe bis hin zur Entsorgung der Bauabfälle. Um Anträge nach den neuen, noch nicht bekannten Förderkri­terien stellen zu können, müssten aber wohl alle Bauvorhaben entsprechend umgeplant werden.