Serbische Nationalisten unterstützen Putin

Proteste für den großen Bruder

In Serbien demonstrieren Tausende für Wladimir Putin. Auch in Bosnien-Herzegowina, Montenegro und im Kosovo zeigen serbische Nationalisten ihre Solidarität mit Russland.

In den vergangenen Wochen gingen in vielen europäischen Großstädten Menschen auf die Straße, um ihre Position zum russischen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich zu machen. So war es am 4. März auch in Belgrad, nur dass in der Hauptstadt Serbiens Tausende nicht für Frieden, sondern für Wladimir Putins Krieg demonstrierten.

Zu der Demonstration hatten rechtsextreme Gruppen wie Obraz und der Narodna Patrola aufgerufen, denen die rechte serbische Regierung nicht rechts genug ist. Konkreter Anlass war, dass Serbien zur Überraschung vieler am 2. März bei der UN-Vollversammlung dafür stimmte, die russische Aggression gegen die Ukraine zu verurteilen.

Die regierungsnahe Boulevardpresse in Serbien ließ keinen Zweifel daran, auf welcher Seite sie steht. »Informer« titelte: »Die Amerikaner stürzen die Welt ins Chaos. Die Ukraine hat Russland angegriffen!«

Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der faschistischen Demonstration skandierten Parolen wie »Serben und Russen, Brüder für immer«, »Verrat, Verrat« oder auch schlicht »Russland, Russland«. Der Vorwurf des Verrats richtete sich insbesondere gegen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, den man mit einem Ausdruck beschimpfte, der in Serbien als abwertende Bezeichnung für Albanerinnen und Albaner geläufig ist.

Dabei kann man dem serbischen Präsidenten nicht vorwerfen, seinen russischen Amtskollegen Putin, die russische Regierung und den Krieg in allzu deutlichen Worten verurteilt zu haben. Ganz im Gegenteil: Serbien war nach dem Angriff, neben Belarus und Russland selbst, das einzige Land in Europa, das den Angriff nicht eindeutig ver­urteilte.

Aleksandar Vučić lieferte daraufhin tagelang eine Show, in der er sich als leidenden Mann darstellte. Er könne nicht mehr schlafen, seine Gesundheit sei angeschlagen, er befinde sich in einem schwierigen Zwiespalt. In Serbien scherzt man schon, Putin und der ­ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj müssten endlich einen Friedensvertrag abschließen, um das Leiden des armen Aleksandar Vučić zu beenden – des größten Opfers dieses Kriegs.

Wahrscheinlich geht dem serbischen Präsidenten so langsam auf, dass es für einen Staat, der über 60 Prozent seines Außenhandels mit der EU abwickelt, nicht von Vorteil ist, sich an das durch Sanktionen isolierte Russland zu binden. Aber nachdem er seinen Wählerinnen und Wählern jahrelang erzählt hat, dass die Russen das große Brudervolk und den Serben in Mentalität und Kultur viel näher seien als die EU, kann er jetzt, kurz vor den für den 3. April geplanten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, schlecht eine Wende um 180 Grad vollziehen. Zumal Russland zwar ein im Vergleich zur EU weniger bedeutender Wirtschaftspartner Serbiens, Vučić aber auf Putins Wohlwollen angewiesen ist, um weiterhin billiges Gas importieren zu können.

Deswegen inszeniert Vučić sich als leidender Führer, der nicht mehr versteht, was in dieser verrückten Welt passiert. Serbische Sanktionen gegen Russland soll es nicht geben. Auffällig war nach Kriegsbeginn der erhöhte Flugverkehr zwischen Belgrad und Moskau. Air Serbia hatte die Zahl seiner Flüge stark erhöht, weil Serbien eines der wenigen europäischen Länder ist, das seinen Luftraum nicht für russische Flugzeuge gesperrt hat. Mitte vergangener Woche sagte Vučić mit Verweis auf ausländischen Druck zu, die Zahl der Flüge auf das Vorkriegsniveau zu reduzieren.

Sehr viel entschlossener als der Präsident ist die regierungsnahe Boulevardpresse in Serbien, die keinen Zweifel dar­an ließ, auf welcher Seite sie steht. Direkt nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine titelte Informer: »Die Amerikaner stürzen die Welt ins Chaos. Die Ukraine hat Russland angegriffen!« Alo titelte: »Die Welt am Rande einer großen Katastrophe: Die Ukraine hat Russland angegriffen!« Der Kurir bedient die Fans des russischen Präsidenten in Serbien mit dem Titel: »Putin: Russland hat alles für den Frieden in der Ukraine getan.« Und bei Srpski Telegraf war wohl der Wunsch Vater des Titels: »Putin schickt Truppen, um Serbien und die Republika Srpska zu verbinden.«

Die Republika Srpska umfasst 49 Prozent der Fläche Bosnien-Herzegowinas und ist seit den »ethnischen Säuberungen« und dem Genozid von Srebrenica bosnisch-serbisch dominiert. Die Regierung der Teilentität droht immer ­offener mit Abspaltung vom Gesamtstaat.

Ganz im großserbischen Sinne gab es auch Demonstrationen für Putin in Banja Luka, der größten Stadt Srpskas. Organisiert wurde sie vom lokalen Ableger der russisch-nationalistischen Motorradgang »Nachtwölfe«. Es kamen aber nur 100 Teilnehmer zusammen, damit war die Demonstration sehr viel kleiner als die im bosnischen Tuzla in Solidarität mit der Ukraine, an der rund 5 000 Menschen teilnahmen. Die meisten Menschen in Bosnien-Herzegowina unterstützen die Ukraine, serbische Nationalisten hingegen Russland.

Milorad Dodik, der Vorsitzende der größten bosnisch-serbischen Partei SNSD und Mitglied im dreiköpfigen Staatspräsidium, drohte in der Vergangenheit sehr offen mit seinen Freunden aus Moskau. Er traf sich mehrfach mit Putin und deutete an, Russland könnte eine sich unabhängig erklärende Republika Srpska anerkennen. Vergangene Woche verließ Dodik sogar eine Sitzung des Staatspräsidiums, weil er auf Neutralität Bosnien-Herzegowinas in dem Krieg bestand, sich aber nicht durchsetzen konnte. Darüber hinaus soll Dodik in der Sitzung gesagt haben, dass auf dem Territorium der Ukraine zwei neue Staaten geschafften worden seien, womit er die »Volksrepubliken« Donezk und Luhansk meinte. Wegen der angespannten Lage hat die EU-Militärmission Eufor weitere 500 Soldaten aus Österreich, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei in Bosnien-Herze­gowina stationiert.

Auch in Montenegro gab es kleinere Proteste für ­Putin, organisiert von serbischen Nationalisten. Allerdings ist die Stimmung in Montenegro eine andere als in Serbien. Die Regierung trägt die Sanktionen gegen Russland mit und das dürfte auch für eine Mehrheit der Bevölkerung gelten. Im serbisch dominierten Nordkosovo wie­derum machen viele keinen Hehl aus ihrer Parteinahme für Putin. Und auch hier gibt es Befürchtungen, dass die Serben im Nordkosovo versuchen könnten, sich mit Unterstützung aus Moskau für unabhängig zu erklären. Das gilt zwar als unwahrscheinlich, ist aber ein nicht versiegender Quell der Destabilisierung.

Ein Staat in der Region, auf den Putin und Russland einen recht geringen Einfluss haben dürfte, ist Albanien. In der dortigen Hauptstadt Tirana wurde die Straße, in der die russische Botschaft liegt, in »Straße der freien Ukraine« umbenannt.