Erste Zwischenstation auf dem Weg zum Pacific Crest Trail: San Francisco

Blumen im Haar und Kotze auf dem Gehweg

Walk on the Wild Side. Zwei Schwule – ein Wanderweg Von Christian M. Fachinger Jens Kraushaar

<p>USA: We are here, we are queer – get used to it!</p>

USA: We are here, we are queer – get used to it! Wer zuerst nicht klarkam, war der Grenzpolizist, der zwei deutsche Weitwanderer als Saisonarbeiter für eine der anscheinend zahlreich vorhandenen Cannabisfarmen Kaliforniens ansah. Das hat man davon, wenn man allein mit einem einzigen Wanderrucksack mit ­ultraleichtem Equipment reist und die obligatorischen 15 verschiedenen Outfits inklusive Federboa, die den heimischen Kleiderschrank füllen, zu Hause lässt, um in die USA einzureisen. Ob das Arbeiten auf einer der Farmen wohl eine einträgliche Alternative zum Weitwandern wäre? Wer weiß. Besser bezahlt als Kolumnenschreiben wäre es sicherlich.

Das billig in San Franciscos Viertel North Beach gelegene Hotel mit Etagenbad, unserer erste Station vor Beginn der Wanderung, entpuppt sich als Wundertüte. Man hört dumpfes Dröhnen aus den Zimmern und der Geruch von Gras liegt in der Luft – ob hier wohl noch andere Europäer auf ihren Farmeinsatz warten? Die karge Inneneinrichtung der Flure erinnert an gewisse Szenen aus »The Shining«. Damit beim nächtlichen Toilettengang nicht vor lauter Angst ein Malheur passiert, heißt es nun, sich auf deutsche Tugenden zu besinnen. Kinn hoch, starrer Blick und los. Do the catwalk. Heidi wäre stolz.

San Francisco bietet angehenden Wanderern viele Trainingsmöglichkeiten, wie zum Beispiel beim Spaziergang über Snob Hill, eines der wohlhabendsten Viertel der Stadt, das seinem Namen alle Ehre macht. So sollte man tunlichst vermeiden, zu lange stehen zu bleiben, um die Aussicht zu genießen, wenn man nicht riskieren möchte, von den Anwohnern harsch zum Weitergehen aufgefordert zu werden.

Generell ist Frisco (wie der mondäne Globetrotter es zu nennen pflegt) eine gute Möglichkeit, den Jetlag zu überwinden und sich mit den US-amerikanischen Gepflogenheiten vertraut zu machen. Es ist zum Beispiel völlig normal, dass im Außenbereich einer Kneipe ein Heizstrahler glüht und sich direkt daneben ein Ventilator dreht. Diese Freude an Energieverschwendung ist weitverbreitet und lässt den grüngewaschenen und auf Nachhaltigkeit programmierten Europäer etwas ratlos und mit Gretas Stimme im Kopf zurück. How dare you?!

Generell stellt sich das Regelwerk des gesellschaftlichen Miteinanders anders dar, als es der Europäer gewohnt ist. Mit laufendem Motor stundenlang auf dem Parkplatz stehen? Kein Problem. Beim Spaziergang seine pump-action gun ausführen? Gerne doch! Mit einem Bier im Park sitzen? 1 000 Dollar.

San Fran – zugegebenermaßen eine eher altbackene Bezeichnung für eine der mittlerweile teuersten und dank der Nähe zum Silicon Valley eine der modernsten Städte der Welt – überrascht den Neuankömmling und Weltenbummler auch mit den Ausgehgewohnheiten junger Nachtschwärmer. Da wird der vor dem eigenen Hotelzimmer gelegene Außenbereich eines italienischen Restaurants in einen Pop-up-Dancefloor umgewandelt. Eine noch schnellere Kontaktaufnahme mit der jüngeren Generation, deren Vertreter fortan auf der frisch deklarierten Tanzfläche vorbeihüpfen, lässt sich wohl kaum arrangieren. Am nächsten Morgen ziert Erbrochenes den Gehsteig – man fühlt sich also gleich wieder wie zu Hause in Berlin.

Doch Berlin ist fern und soll es auch erst mal bleiben, denn bald geht es auf den Pacific Crest Trail. Mit diesem Gedanken streift man durch Frisco, Kate Bush im Kopf und auf den Lippen: Running up that hill.