Sibylle Baiers Album »Colour Green«

Grün und orange

Platte Buch Von Maik Bierwirth

<p>Die Geschichte der Entstehung und Veröffentlichung von Sibylle Baiers einzigem Album »Colour Green« ist genauso gut, wie es ihre darauf enthaltenen zeitlosen Folksongs sind: Anfang der siebziger Ja</p>

Die Geschichte der Entstehung und Veröffentlichung von Sibylle Baiers einzigem Album »Colour Green« ist genauso gut, wie es ihre darauf enthaltenen zeitlosen Folksongs sind: Anfang der siebziger Jahre schrieb ­Baier die Stücke und nahm sie nachts und zu Hause nur von sich selbst mit ihrer gezupften Akustikgitarre begleitet auf, wenn Kinder und Mann bereits im Bett waren. 1973 spielte sie eine Nebenrolle in Wim Wenders’ Film »Alice in den Städten«, und der Regisseur Hans Geißendörfer versuchte einmal, sie zu überzeugen, mit ihrer großartigen Musik doch an die ­Öffentlichkeit zu gehen. Doch Baier wollte nicht, entschied sich gegen Schauspiel und Konzerte, widmete sich stattdessen ihrer Familie, mit der sie später aus Deutschland in die USA nach Massachusetts auswanderte.

Mehr als 30 Jahre später entdeckte ihr Sohn Robby, inzwischen selbst Musiker und Produzent, die alten Bänder mit den Aufnahmen auf dem Dachboden, brannte sie auf CD und verteilte sie als Über­raschung beim 60. Geburtstag seiner Mutter an die Gäste, ohne dass Baier vorher davon gewusst hätte. Einer der Gäste war J Mascis (Dinosaur Jr.), der die Musik sofort begeistert an Andrew Rieger von der Gruppe Elf Power weiterreichte. Diesem und seiner Bandkollegin Laura Carter gehört das Indielabel Orange Twin. Als Baiers »Colour Green« dort schließlich 2006 erschien, wurden die 14 nachdenklichen Folkminiaturen mit der markanten, mal an Nico, mal an Joni Mitchell erinnernden Stimme sofort als eine veritable Sensation gehandelt.

Baier trat weiterhin nicht öffentlich auf und gab bis heute (fast) keine Interviews, steuerte allerdings einen neuen Song zum Soundtrack von Wenders’ »Palermo Shooting« (2008) bei. Das Label Orange Twin, das auch eine ökologische Landkommune am Rand von Athens, Georgia, betreibt, hat zuletzt auch ein Liederbuch zu »Colour Green« herausgegeben, ­damit Baiers Fans ihre Stücke nachspielen können; außerdem wurde das lange vergriffene Album nun endlich wieder auf ­Vinyl nachgepresst.

Sibylle Baier: Colour Green (Orange Twin)