Die Zinswende verschlechtert das Geschäftsklima für Wohnungsunternehmen

Zeitenwende in der Immobilienwirtschaft

Kommentar Von Philipp Möller

Der Wohnungskonzern Vonovia hat Mieterhöhungen ­angekündigt, angeblich wegen der Inflation. Tatsächlich soll dadurch wohl der Aktienkurs stabilisiert werden, denn Immobilien könnten wegen steigender Zinsen für Anleger an Attraktivität verlieren.

Seit Jahren geht es dem Immobilienkapital in Deutschland blendend. Auf die Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 hatte die Europäische Zentralbank (EZB) reagiert, indem sie Zinsen senkte und Staatsanleihen aufkaufte. Es gab also günstigere Kredite, aber weniger lukrative Anlagemöglichkeiten. Und so begann im Jahr 2009 ein Boom auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Von überall her strömte Kapital in deutsches Betongold, weil dort noch stabile Renditen zu holen waren.

Eine Studie der Deutsche Bank Research stellt fest: »Die Nachfrage nach deutschen Immobilien hat seit der Finanzkrise stetig zugenommen.« Für Investoren seien »Immobilien ein Ausgleich für den Mangel an rentierlichen Anleihen« gewesen. Die nominalen Hauspreise stiegen der Studie zufolge in den vergangenen 13 Jahren um 84 Prozent. Gleichzeitig stiegen auch die Mieten in den deutschen Großstädten stark an. Immer wieder prognostizierten Analysten in den vergangenen Jahren ein Ende dieses Booms, doch wann er endet, lässt sich nur schwer vorhersagen.

Anfang Juni machte Rolf Buch, der Vorstandsvorsitzende des deutschen börsennotierten Immobilienkonzerns Vonovia, mit einer Ankündigung Schlagzeilen, die für Hunderttausende Mieterinnen wie eine Drohung geklungen haben muss. Dem Handelsblatt sagte er: »Wenn die Inflation dauerhaft bei vier Prozent liegt, müssen auch die Mieten künftig jährlich dementsprechend ansteigen.« Nachdem Buch für diese Aussage kritisiert worden war, versuchte er wenige Tage später auf Twitter, die Wogen zu glätten. Er habe im Handelsblatt keine Mieterhöhung angekündigt. Allerdings sorge die Inflation für steigende Kosten, etwa bei Löhnen oder im Neubau und werde sich daher mittelfristig auch auf die Mieten auswirken.

Dass Vonovia womöglich bald Mieten erhöht, hat wohl einen anderen Grund, nämlich das sich abzeichnende Ende des Ankaufs von Staatsanleihen und der Niedrigzinsphase, wie es die EZB-Präsidentin Christine Lagarde für den Sommer angekündigt hat. Seit Monaten sinkt der Aktienkurs der Vonovia. Durch die Übernahme der Deutsche Wohnen im vorigen Jahr hat sich der Konzern stark verschuldet. Steigen nun die Zinsen, ist das für die Vonovia eine schlechte Nachricht, denn Immobilien würden dadurch als An­lageobjekt an Attraktivität verlieren. In der Studie von Deutsche Bank Research heißt es dazu, »das traditionelle Kerngeschäft von Pensionsfonds und Versicherungen« bleibe der Anleihemarkt. Sie würden »ab einem gewissen Zinsniveau Anleihen wieder gegenüber Immobilien präferieren«.

Bislang beruhten die Renditen von Vonovia vor allem auf sogenannten Buchwertgewinnen – also einer stetigen Höherbewertung seines Wohnungsbestandes auf Basis der steigenden Immobilienpreise. Steigende Zinsen könnten dem ein Ende bereiten, da Kapital aus dem Immobiliensektor in andere Anlagen, etwa Staatsanleihen, abfließen dürfte. Die Mieterhöhungen sind wohl als Signal an die Anleger der Vonovia zu verstehen, dass der Konzern aus seinen mehr als 500 000 Wohnungen auch ganz konventionell Gewinne schöpfen kann. Einsparungen bei Instandhaltungen, Neubau und Modernisierungen sowie der Verkauf von Wohnungsbeständen sind weitere Möglichkeiten, sich zu konsolidieren.

Das Geschäft der Immobilienwirtschaft könnte in Zukunft schwieriger werden. Derzeit steigen bereits die Bauzinsen, also die Zinsen, die bei Krediten zum Hauskauf, für Modernisierungen oder Neubauten anfallen. Auch der Stopp der KfW-Förderung für energieeffiziente Neubauten und Sanierungen und die durch den Krieg in der Ukraine stark steigenden Baukosten sowie Materialknappheit machen Investitionen in Neubau wie in Modernisierungen immer weniger rentabel. Einer Umfrage des Unternehmensverband GdW von Anfang Mai zufolge sehen sich rund zwei Drittel der »sozial orientierten Wohnungs­unternehmen« gezwungen, Neubauprojekte zurückstellen, fast ein Viertel muss Pläne für den Bau neuer Mehrfamilienhäuser vollständig aufgeben. Damit dürfte es der privaten Immobilienwirtschaft zukünftig schwerer fallen, sich als »Lösung« der Wohnungs­krise zu verkaufen. Zugeständnisse wie ein freiwilliger Verzicht auf Mieterhöhungen sind derzeit ebenso so wenig zu erwarten wie ­feste Zusagen beim Wohnungsneubau.

Für Mieterinnen und Mieter ist diese Zeitenwende daher kein Grund zur Hoffnung. »Rekord-Kosten belasten Deutschlands Mieter«, warnte jüngst die Vermietungsplattform Immobilienscout 24 mit Bezug auf steigende Energiekosten und Mieten. Die Wohnungsmärkte bleiben angespannt und bislang gibt es kaum Anzeichen, dass die Politik ihren Kuschelkurs gegenüber der Wohnungswirtschaft aufgibt.