Ein Gespräch mit Kakwenza ­Rukirabashaija über den Widerstand gegen das ugandische Regime

»Die Feder ist mächtiger als das Schwert«

Interview Von Josefine Rein

»Wir müssen wirtschaftliche Waffen gegen den Diktator einsetzen.« Der derzeit im deutschen Exil lebende ugandische Autor und Verfechter der Meinungsfreiheit Kakwenza Rukirabashaija spricht über den Widerstand gegen das ugandische Regime.

Warum hat Ugandas Präsident ­Yoweri Museveni solche Angst vor Ihnen?

Die Feder ist mächtiger als das Schwert und die Pistole. Jeder weise Diktator würde einen Schriftsteller fürchten, der die Freiheit des Schreibens praktiziert, ohne die Folgen zu fürchten. Wir Schriftsteller müssen über die Probleme in unserer Gesellschaft schreiben und die Öffentlichkeit informieren. Diktatoren sitzen in dunklen Höllenlöchern und machen ihren Scheiß, und wir Schriftsteller sind wie Lichter, die in diese Höllenlöcher scheinen.

Warum wollen Sie, dass Museveni geht?

Wie kann jemand ein Land fast 40 Jahre lang führen? Während des Befreiungskampfs ab den siebziger Jahren bis 1986 (zunächst gegen die von 1971 bis 1979 währende Herrschaft des ugandischen Diktators Idi Amin und in der Folge ­gegen die zweite Präsidentschaft Milton Obotes von 1980 bis 1985, Anm. d. Red.) gab er vor, für die Bevölkerung gegen Korruption, Ungerechtigkeit und Menschenrechtsverletzungen zu kämpfen. Doch nachdem er zum Prä­sidenten ernannt worden war (nach der Eroberung der Hauptstadt Kampala 1986, Anm. d. Red.), begann er, Kri­tiker zu inhaftieren und zu ermorden und die Ressourcen dieses Landes zu plündern. Er errichtete für sich selbst ein Königreich und machte sich zu einem König, der bestimmt, wer ihn beerben soll. Es gibt keine Rechtsstaatlichkeit, keine Verfassungsmäßigkeit; alle Institutionen – die Justiz, die Armee, die Polizei – sind derzeit in seiner Hand. Allen zivilgesellschaftlichen ­Organisationen, die sich für Menschenrechte eingesetzt haben, wurde die ­Zulassung entzogen. Eine Demokratie ist aber auf starke und unabhängige Institutionen angewiesen.

»Wenn die westlichen Regierungen aufhören würden, Museveni zu finanzieren, könnte er kein Jahr überleben.«

Einige seiner Anhänger sagen, dass er relative Sicherheit im Land geschaffen habe.

Wer stört denn den Frieden und die Sicherheit in der Region der Großen Seen? Das wichtigste Exportgut Ugandas ist Gold, obwohl wir keine großen Minen haben. Das Gold wird in der ­Demokratischen Republik Kongo gestohlen. Im Dezember 2021 ist die ugandische Armee illegal dort einmarschiert, ohne dass das Parlament konsultiert wurde. Die Armee ist aber nicht dort, um nach ADF-Rebellen (die islamistischen Allied Democratic Forces, Vereinigte Demokratische Kräfte, Anm. d. Red.) zu suchen, die im vergangenen Jahr Anschläge in Uganda verübt haben, sondern um zu stehlen. Wieso bauen sie zuerst Straßen durch den Wald, wenn sie Rebellen jagen? Um Holz und Mi­neralien transportieren zu können.

Wie steht es derzeit um die Opposition in Uganda?

Präsident Museveni bezahlt einige Oppositionelle, damit diese die Spaltung innerhalb der Opposition vorantreiben. Ich selbst habe seit 2020 fünfmal materielle Angebote wie Häuser und Autos erhalten, damit ich aufhöre, die Regierung zu kritisieren. Ich kann nicht gegen den Teufel kämpfen und mich dann mit ihm an den Tisch setzen, um mit ihm zu essen. Ich und andere Oppositionelle wie Bobi Wine und Kizza Besigye haben nie nachgegeben.

Was braucht es dann, um Präsident Museveni zu stürzen?

Man muss beim Treibstoff des Regimes ansetzen. Die US-Regierung, die Europäische Union und die Weltbank verleihen Museveni durch ihre finanzielle oder militärische Unterstützung Flügel. Wenn die westlichen Regierungen ­aufhören würden, ihn zu finanzieren, könnte er kein Jahr überleben. Wir müssen also wirtschaftliche Waffen gegen den Diktator einsetzen. Massenproteste werden immer unterdrückt werden, er wird immer Menschen töten, um seine Macht zu erhalten. Wie im November 2020, als die Armee bei Protesten in Kampala vor den Wahlen auf jeden schoss, den sie sah. Die offizielle Zahl (von 54 Toten, Anm. d. Red.) halte ich für zu niedrig, ich gehe eher von 300 Toten aus.

Viele Uganderinnen und Ugander haben bei den jüngsten Wahlen im Jahr 2021 ihre Hoffnung in den Oppositionskandidaten Robert Kyagulanyi gesetzt, den man meist unter seinem Musikernamen Bobi Wine kennt. Kann er den Wandel bringen, den Sie sich erhoffen?

Ich habe an ihn geglaubt, weil er sehr gut Menschen mobilisieren kann. Viele Menschen haben für ihn gestimmt und ich denke auch, dass er eigentlich die Wahlen gewonnen hat. Aber der Diktator blieb und stellte Bobi Wine für ein bis zwei Wochen unter Hausarrest. So eine Stille nach den Wahlen haben wir noch nie erlebt. Bobi Wine hätte ­einen solchen Moment nutzen sollen, um eine Revolution auszulösen. Er ­hätte uns mobilisieren müssen und wir hätten auf die Straße gehen und die Regierung stürzen sollen, um ­unseren Sieg zurückzufordern. So wie es der Oppositionskandidat Kizza Besigye 2011 fast ­geschafft hätte.

Was geschah im Jahr 2011?

Wir hatten gerade wieder manipulierte Wahlen hinter uns und die Lebens­mittel- und Kraftstoffpreise waren sehr hoch. Wir waren wütend und beschlossen, unter der Führung von Besigye aus Protest zu Fuß zur Arbeit zu gehen. Was Besigye am fünften Tag des Protests widerfuhr, werde ich nie vergessen: Er wurde gewaltsam verhaftet, die Polizisten zerstörten sein Auto, besprühten ihn mit Pfefferspray, schlugen ihn zusammen und flogen ihn aus Kampala aus. Schlage den Hirten, und die Schafe werden zerstreut. Die Proteste waren zu Ende, weil wir keine Führung mehr hatten. Damals wäre der Diktator fast gestürzt worden, weil die Leute überall auf der Straße protestierten.

Sie hoffen also noch auf eine Revolution in Uganda?

Ja, wenn sich die Bevölkerung wirklich erhebt. Das Militär kann doch nicht 10 000 Menschen auf den Straßen Kampalas verhaften oder erschießen. Wir müssen uns selbst opfern, und ich bin bereit dazu. Das ist der Grund, warum ich nach meiner Verhaftung und Folter im Jahr 2020 ein Buch über meine ­Erfahrungen in Haft geschrieben habe. Am Tag der Veröffentlichung haben sie mich wieder verhaftet. Mein Buch »Bananenrepublik« wurde überall auf der Welt gelesen und der Inhalt des Buchs und die Verhaftung führten zu Sanktionen gegen die ugandische Regierung. Vergangenes Jahr im Dezember wurde ich erneut verhaftet und schwer gefoltert und sie fragten mich, wer die Veröffentlichung des Buchs finanziert habe. Sie fragten nach der US-amerikanischen Botschaft, der Europäischen Union, nach mehreren Diplomaten in Kampala. Danach beschloss ich, dass ich in diesem Land nicht mehr bleiben konnte.

Sie wurden gefoltert, weil Sie Mu­hoozi Kainerugaba, einen Sohn des Präsidenten, auf Twitter als »fett­leibig« bezeichnet haben. Muhoozi, der auch Befehlshaber der Landstreitkräfte ist, hat im April eine riesige nationale Veranstaltung zu ­seinem Geburtstag abgehalten. Was waren Ihre Gedanken dazu?

Dieser Mann ist ein Irrer, der nur in Bars rumhängt. Seine einzige Errungenschaften besteht darin, dass er der Sohn des Präsidenten ist. Er hat seine Geburtstagsfeier dazu genutzt, für ­seine politische Karriere zu agitieren. Er verstößt gegen das Gesetz, indem er sich als Kandidat für eine Wahl aufstellt, ohne aus der Armee auszutreten. Es liegt bereits eine Petition beim Verfassungsgericht vor, aber was wird das Gericht schon tun? Das Gericht befindet sich ebenfalls unter der Kontrolle des Präsidenten.

Wo wollen Sie Uganda in zehn Jahren sehen?

Wir alle verdienen ein Land, das keine Schulden hat, in dem unsere Kinder kostenlos zur Schule gehen und eine gute Ausbildung bekommen – nicht diesen Müll, der unseren Kindern in den Schulen beigebracht wird. Ich möchte in einem Land leben, in dem wir die Umwelt, die Gesetze, die Menschlichkeit und uns gegenseitig respektieren; in dem die Regierenden die Diener des Volks sind.

Was ist das Problem mit dem ugandischen Bildungssystem?

Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Bildungsministerin Janet Museveni die Ehefrau des Präsidenten ist. Das Bildungssystem ist darauf ausgerichtet, dass überall unwissende Analphabeten herumlaufen. Menschen mit einem Abschluss, die aber nicht selbst denken können, die keine Kritik üben und keine Fragen stellen. Wenn die Menschen ernsthaft Bildung erhielten, würden sie sich nicht von solchen Dummköpfen regieren lassen, von Politikerinnen, ­denen es nur um ihre Karriere geht. Das Bildungssystem begünstigt also die Diktatur. Einige von uns haben dieses System überlebt, weil wir Autodidakten sind. Wir schaffen es, uns selbst zu unterrichten und in Bibliotheken zu gehen, um Bücher zu lesen.

Wie kommt es, dass Sie bei alledem Ihren Humor nicht verloren haben?

Wenn Sie mein Buch »Bananenrepublik« lesen, werden Sie traurig sein und manchmal auch lachen. Vielleicht ­nennen mich die Leute Komiker, aber in Wirklichkeit habe ich ein dramatisches Leben geführt. Selbst nach all den Qualen kann ich lächeln, denn ich möchte kein trauriger Mensch sein. Deshalb­ ­erzähle ich meine Geschichten mit Humor.

 

Kakwenza Rukirabashaija

Kakwenza Rukirabashaija ist ein ugandischer Autor, Anwalt und Verfechter der Meinungsfreiheit. Für seinen 2020 erschienen regimekritischen Roman »The Greedy Barbarian« (»Der gierige Barbar«), der Korrup­tion in einem fiktiven Land behandelt, wurde er ver­haftet und gefoltert. Nach seiner Entlassung schrieb er das Buch »Banana Republic: Where Writing is Treasonous« (»Bananenrepublik: Wo Schreiben Landesverrat ist«) über seine Erlebnisse in Haft. Für diesen Mut erhielt er 2021 den Pinter International Writer of Courage Award des internationalen Autorenverbands PEN. Im Dezember 2021 kritisierte er auf Twitter die Despotie und die Selbstbereicherung der ugandischen Regierung von Präsident Yoweri Museveni . Kakwenza floh im Februar 2022 ins benachbarte Ruanda und mit Hilfe von PEN International von dort nach Deutschland, wo er derzeit lebt.