Neue rechte Medienangebote für die früheren Konsumenten von RT DE

Kampf um den Hetzmarkt

Von Jan Stich

RT (früher Russia Today) darf in Deutschland nicht mehr senden. Nun wollen der neu gegründete Internetradiosender "Kontrafunk" und der österreichische Internetfernsehsender "Auf 1" die Nachfrage nach Ver­schwö­rungstheorien und rechter Propaganda bedienen.

RT hat weiter Sendeverbot. Der Europäische Gerichtshof lehnte am Mittwoch vergangener Woche einen Antrag ab, die Sanktionen gegen den russischen Staatssender aufzuheben, der früher Russia Today hieß. Der Europäische Rat hatte nach Beginn der russischen Invasion den Staatsmedien Sputnik und RT Sendeverbot in der EU erteilt. Dagegen hatte der französische Ableger RT France geklagt. Das Gericht befand jedoch, die Entscheidung sei gerechtfertigt gewesen. Russland habe mit dem Angriff auf die Ukraine gegen das Völkerrecht verstoßen und RT France könne als Sprachrohr dieser russischen Aggression angesehen werden.

»Mit Journalismus hat Russia Today aus meiner Sicht wenig zu tun«, urteilte Gemma Pörzgen von Reporter ohne Grenzen im NDR bereits 2014, »das ist ein gezieltes Propagandainstrument der russischen Regierung.« Speziell der Umgang mit Covid-19 zeigte, welche strategischen Interessen der Sender verfolgte. Während die staatlichen Kanäle in Russland für die Impfung und Schutzmaßnahmen gegen die Pandemie warben, verbreiteten die RT-Ableger in der EU Verschwörungstheorien und schürten damit Misstrauen gegen eben jene Maßnahmen, die die russischen Kollegen empfahlen. Im Sommer 2021 bezog sich mehr als die Hälfte der 100 meistgesehenen Videos auf dem Youtube-Kanal von RT DE auf Covid-19. Zu dem Zeitpunkt hatte der Kanal etwa 600 000 Abonnenten. Kurz darauf ließ Youtube den Kanal wegen der Verbreitung medizinischer Falschinformationen sperren.

Gleich zwei neue Medienangebote schicken sich an, das Kerngeschäft des deutschsprachigen Ablegers RT DE – Impfskepsis, Propaganda für Russland und rechtes Gedankengut – zu übernehmen. Der Internetradiosender Kontrafunk hat am 21. Juni seinen Betrieb aufgenommen. Sein Team bestehe zu je etwa einem Drittel aus ehemaligen Mitarbeitern des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, ehemaligen Angestellten von Russia Today und anderen Bereichen, sagte Burkhard Müller-Ullrich im Gespräch mit der rechten Wochenzeitung Junge Freiheit. Der Schweizer Staatsbürger Müller-Ullrich ist Gründer und Direktor des Radiosenders, der ihm zufolge 20 Redakteure beschäftigt. Die Karriere des altgedienten Journalisten begann in den Siebzigern bei der Süddeutschen Zeitung und dem Bayerischen Rundfunk. Als Produzent arbeitete er für zahlreiche ARD-Radiosender und bis Anfang 2022 war er regelmäßig als Moderator auf SWR 2 zu hören. Seit 2017 ist er Mitglied der AfD. Von 2020 bis Ende März 2022 moderierte er den Podcast Indubio, der zur rechten Medienseite »Achse des Guten« gehört.

Stefan Magnet von Auf 1 war früher im rechtsextremen »Bund Freier­ Ju­gend« aktiv und ist regelmäßig Gast beim »Freiheitlichen Bildungsinstitut« der FPÖ.

Kontrafunk hat offenbar auch Verbindungen zur Pranger-Website »Ich habe mitgemacht«. Als deren Betreiber wird die »Kontrafunk AG« aufgeführt, als Bankkonto wird ein Konto von Müller-Ulrich genannt. Auf der Website werden Namen und Zitate derer gesammelt, die sich nach Darstellung der ­Seite am »Corona-Unrecht« beteiligt haben. Neben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und der Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang verzeichnet die eklektisch geführte Liste unter anderem auch das Elisabeth-Krankenhaus Essen (»Für Besuche bei Kranken gilt 2G«) und den ehemaligen deutschen Fußballnationalspieler Paul Breitner, weil er gesagt haben soll, er würde ungeimpfte Spieler vom Training ausschließen. Ziel der Liste sei es, »Beweisstücke zu sammeln, um den ein oder anderen Zivilisationsbruch der Vergessenheit zu entreißen«, da »die Täter von heute ab morgen jegliche Beteiligung abstreiten werden«. Als »Zivilisationsbruch« wird hierzulande in der Regel die Shoah bezeichnet. Auch im Programm von Kontrafunk spielen solche groben »alterna­tiven Perspektiven« auf Covid-19 eine große Rolle. Der thüringische AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke lobte den Sender auf Facebook Ende Juni als »jour­nalistisch hochwertige Alternative zum öffentlich-recht­lichen Rundfunk«.

Der zweite Sender, der sich anschickt, RT DE zu beerben, heißt Auf 1 und kommt aus Oberösterreich. Sein Chefredakteur und Chefmoderator Stefan Magnet sagte kürzlich auf seinem Sender, dass er den Schwerpunkt der Berichterstattung zukünftig auf Deutschland legen wolle. In Berlin soll der Süddeutschen Zeitung zufolge eine eigene Redaktion entstehen, die Martin Müller-Mertens leiten soll. Der war Chef vom Dienst bei Jürgen Elsässers Compact, stand für Compact.TV regelmäßig vor der Kamera und soll nach Angaben von Auf 1 ab August als Deutschland-Korrespondent des Senders fungieren.

Auf 1 ist nach eigener Darstellung ein Nachrichtensender und fiel auf österreichischen und zuletzt auch auf deutschen Demonstrationen von Coronaleugnern mit einem sogenannten Impfbus mit der Aufschrift »Nein zum Impfzwang« auf. In Österreich hat sich in den vergangenen Jahren ein rechtes Medien-Cluster gebildet, zu dem neben Auf 1 auch die Nachrichtenseite Report 24 und die Wochenzeitung Wochenblick gehören (Jungle World 2/2022). Der Standard zitiert die Rechtsextremismusforscherin Bianca Kämpf vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands mit der Einschätzung, dass alle drei Medien ein »exzessives Verbreiten von Desinformation und Verschwörungsnarrativen« eine: »Im Aufwind der Pandemie wurde der ›Widerstand‹ gegen die ›Corona-Diktatur‹ zentral.«

Kontrafunk und Auf 1 eint des Weiteren der Kampf gegen »Genderismus« und LGBTQ. Berührungsängste zum ganz rechten Rand haben beide nicht. Stefan Magnet von Auf 1 war früher im rechtsextremen »Bund Freier Jugend« aktiv und ist regelmäßiger Gast beim »Freiheitlichen Bildungsinstitut« der FPÖ. Wie der Standard mit Bezug auf die Kronen Zeitung berichtete, war Magnet im Dezember 2016 in Moskau dabei, als die damalige FPÖ-Führung um Heinz-Christian Strache einen Freundschaftsvertrag mit Wladimir Putins Partei ­Einiges Russland unterzeichnete. Entsprechend fällt das Auf-1-Programm aus. So sagte Jürgen Elsässer Mitte Juni dort im Gespräch mit Magnet, er freue sich, dass Putin in der Ukraine »dem globalistischen Imperium« endlich seine Grenzen aufgezeigt habe.

Kontrafunk wolle sich in erster Linie über Spenden finanzieren, sagte Müller-Ullrich der Jungen Freiheit. 12 000 ­Paten wolle er in den kommenden drei Jahren werben. Das Startkapital in Höhe von 1,2 Millionen Euro hätten 36 Investoren, »alles private Mittelständler«, zur Verfügung gestellt. Damit sei das erste Jahr finanziert, danach plane man eine Kapitalerhöhung um weitere 1,5 Millionen Euro. In Österreich profitieren manche rechte Medien von ihrer Nähe zur FPÖ. Beim Wochenblick etwa hätten allein die FPÖ-Mitglieder der oberösterreichischen Landesregierung in der vergangenen Legislaturperiode rund 108 000 Euro für Inserate ausgegeben, ergab eine parlamentarische Anfrage der Grünen.

Auf 1 wird von einem Verein für »unabhängige Medienvielfalt« getragen, der über Spenden die Unabhängigkeit des Senders sicherstellen soll. Eine »wahrhaft neue und zukunftsweisende Form der gemeinwohlorientierten Kooperation« nennt Stefan Magnet diese Spendensammlung blumig. »Medien­experten vermuten, dass die Finanzierung für das Projekt – nach dem Verbot des Moskauer Propagandasenders RT, der vergleichbare Programmin­halte verbreitet hatte –, auch aus russischen Quellen stammen könnte«, schrieb die Süddeutsche Zeitung im Juli.