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Immer wieder versuchen Innenminister, die Vorratsdatenspeicherung gesetzlich heraufzubeschwören. Regelmäßig wird sie dann von einem Gericht beerdigt – und das Spiel beginnt von vorne.
In dem Film »Dracula« (1958) erlegt Doktor Van Helsing den Vampir Graf Dracula, indem er ihn ins Sonnenlicht treibt, woraufhin dieser zu Staub zerfällt. In »Blut für Dracula« (1966) wird der untote Vampir aus seiner Asche wiedererweckt, um schließlich im Schlossgraben ersäuft zu werden. Was den Grafen natürlich nicht davon abhält, in »Draculas Rückkehr« (1968) erneut sein Unwesen zu treiben, bis er auf ein Kruzifix aufgespießt wird. In »Wie schmeckt das Blut von Dracula?« (1970) erwecken ihn gelangweilte Lords zu, nun ja, neuem Leben, am Ende zerfällt der Blutsauger auf einem Kirchenaltar zu Staub. Untot wie gewohnt ist der meist von Christopher Lee verkörperte Vampir auch in »Draculas Blutrausch« (ebenfalls 1970), »Dracula jagt Minimädchen« (1972) und »Dracula braucht frisches Blut« (1973) allenfalls temporär totzukriegen.
Ebenfalls nicht totzukriegen ist die Vorratsdatenspeicherung – ein Gesetzesvorhaben, das von diversen Bundesinnenministern in den vergangenen knapp 20 Jahren immer wieder angegangen wurde, bis irgend ein hohes Gericht es wieder einkassierte, weil es unvereinbar mit den Grundrechten ist. Bei der Vorratsdatenspeicherung in ihrer ursprünglichen Form geht es darum, dass Telefon- und Internetanbieter speichern, wer wann wie lange mit wem telefoniert und wo er oder sie sich dabei aufgehalten hat. Ebenfalls wird gespeichert, wer wann welche IP-Adresse hatte und wer wann wem eine E-Mail geschickt hat. Die Daten sollen den Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt werden, um – das sind die am häufigsten genannten Begründungen – Terroristen oder Pädophile dingfest zu machen. Experten zufolge hält sich der Nutzen allerdings in Grenzen, da Verbrecher mit Verschlüsselungen und im sogenannten Darknet ihre Kommunikation effektiv verschleiern können.
In einer Welt, in der die meisten Menschen ständig alles Mögliche über das Internet erledigen und auf Schritt und Tritt Smartphones mit sich herumtragen, läuft die Vorratsdatenspeicherung auf eine Totalüberwachung eines Großteils der Bevölkerung hinaus – heutzutage mehr denn je. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Vorratsdatenspeicherung bereits 2010 für verfassungswidrig, was Politiker nicht daran hindert, sie in immer neuen Varianten zu fordern und schließlich auch durch den Bundestag zu bringen. Mal fallen die Speicherfristen kürzer aus, mal wird das eine oder andere Datum nicht gespeichert, mal soll das sogenannte Quick-Freeze-Verfahren den Behörden erlauben, das Löschen von Daten aufzuhalten, solange ein richterlicher Beschluss, der den Zugriff erlaubt, noch auf sich warten lässt – auch da ist der behördliche Spielraum sehr groß.
2017 hatte die Bundesnetzagentur die 2015 erneut vom Bundestag beschlossene Vorratsdatenspeicherung ausgesetzt, weil mehrere Gerichte entschieden hatten, dass die deutsche Regelung nicht mit EU-Recht vereinbar ist. Mittlerweile liegt die Sache beim Europäischen Gerichtshof (EuGH), dem das Bundesverwaltungsgericht 2019 das Verfahren übergeben hatte. Der EuGH hatte in der Vergangenheit schon mehrfach geurteilt, dass die anlasslose Speicherung von Verkehrsdaten gegen Grundrechte verstößt. Beobachter erwarten auch dieses Mal ein entsprechendes Urteil. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien heißt es dazu, man wolle »die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so ausgestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können« – was auf das Quick-Freeze-Verfahren hinauslaufen würde.
Das normale Vorgehen wäre es nun, das Urteil des EuGH abzuwarten. Sollte es überhaupt Raum für eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung lassen, wäre ihre Wiedereinführung ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag. Dennoch fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) genau das. In einem Interview mit der Zeit sagte sie: »Die Speicherung von Daten, mit denen wir Täter identifizieren können, ist unbedingt erforderlich.« Faeser begründete dies erneut mit der Verfolgung von sexuellem Missbrauch Minderjähriger im Internet – und stößt damit ihre Koalitionspartner vor den Kopf.
Der Richterspruch des EuGH ist für den 20. September angekündigt. Dann entscheidet sich, ob die anlasslose Vorratsdatenspeicherung wiederauflebt oder beerdigt wird – jedenfalls bis der nächste Innenminister Blut leckt.