Small Talk mit Leon Montero über seine Recherchen zu Burschenschaften

»Eine antifaschistische Beobachtung ist sinnvoll«

Small Talk Von Jens Winter

Unter dem Titel »Reise nach Germania« tourt Leon Montero derzeit durch Deutschland und berichtet über seine Recherchen zu Burschenschaften und Studentenverbindungen. Über neun Monate war er als Schwarzer in einer katholischen Studentenverbindung aktiv und stellte sich später verschiedenen Burschenschaften als Anwärter vor. Die »Jungle World« sprach mit ihm über seine Erfahrungen.

Wie sahen Ihre Recherchen aus?

Meine Recherche begann 2019, als ich zum Studium nach Hannover zog. Ich hatte mich aus verschiedenen Gründen bei mehreren Studentenverbindungen beworben, ursprünglich, weil ich eine Fotoreportage machen wollte. Schließlich bin ich einer nichtschlagenden, katholischen Studentenverbindung beigetreten und dort auch eingezogen. Ich war als Anwärter, als sogenannter Fuchs, ­aktiv. Aufgrund der autoritären Struktur und Trinkkultur bin ich nach neun Monaten wieder ausgetreten – auch wenn ich die Vorzüge wie günstigen Wohnraum und einfachen Zugang zu einem sozialen Netzwerk zwischenzeitlich zu schätzen wusste.

Danach habe ich mich bei einschlägig rechten bis rechtsextremen Burschenschaften aus dem Korporationsverband Deutscher Burschenschaften (DB) beworben, denen nachgesagt wird, dass bei ihnen das Abstammungsprinzip gilt, also nur aufgenommen wird, wer deutsch ist, also keine people of color und Menschen mit Migrationshintergrund. Das wollte ich testen.

Was ist dabei herausgekommen?

Letzten Endes haben mich vier Burschenschaften eingeladen. Eine empfing mich in ihrem «Afrikazimmer» im Kolonialstil, in einem anderen Zimmer hing eine Karte des Deutschen Reichs. Bei zwei Burschenschaften sagte man mir direkt ins Gesicht, dass ich als Schwarzer selbstverständlich nicht aufgenommen werden könne, und dass das gut so sei. Sie erzählten mir, dass bei ihnen das Abstimmungsprinzip gelte, nach dem ich, da mein Vater aus der Dominikanischen Republik stammt, nicht Mitglied werden könne. Lediglich eine Burschenschaft aus dem DB überraschte mich, weil sie sich deutlich gegen die rechten Burschenschaften in ihrem Dachverband stellte.

War nicht klar, dass die Sie ablehnen?

Das war klar, ja. Aber die Selbstverständlichkeit, mit welcher meine Herkunft als Grund genannt wurde, schockiert mich noch immer. Nach dem Deutschen Vereinsrecht kann ein Verein seine Aufnahmebedingungen grundsätzlich selbst festlegen. Das ist auch hinsichtlich der Mitgliedschaft von Frauen interessant, die es bei Verbindungen oftmals nur als sogenannte Couleurdamen (akkreditierte Gäste, Anm. d. Red.) gibt.

Welche Bedeutung haben Burschenschaften für die rechte Szene?

Gruppen wie die »Junge Alternative« oder die »Identitäre Bewegung« rekrutieren ihre Mitglieder teilweise direkt aus Burschenschaften, oder aber Burschenschaften stellen diesen und auch anderen rechten Gruppen Infrastruktur zur Verfügung. Die politische Relevanz von Burschenschaften ist also noch immer gegeben und eine antifaschistische Beobachtung ist sinnvoll.

Gab es Reaktionen seitens der Burschenschaften auf Ihre ­Recherchen?

Eine Burschenschaft drohte mir in einem 19seitigen Schreiben eines prominenten rechten Anwalts, dass, sollte ich ihren Namen nennen, sie mich auf bis zu 280 000 Euro Schadensersatz verklagen würden.