Der Enteignungsvolksentscheid in Berlin wird nicht umgesetzt

Enteignung als PR-Gag

Kommentar Von Philipp Möller

Bei den Berliner Wiederholungswahlen im Februar wollen Grüne und Linkspartei vom Enteignungsvolksentscheid profitieren, dessen Umsetzung sie in der Regierung nur halbherzig betreiben.

Die Berliner Kampagne für eine Enteignung großer Wohnungskonzerne scheint überraschende Verbündete gefunden zu haben. »Einige Immobilienkonzerne wären aktuell froh, wenn wir ihnen die Bestände zu einem rechtssicheren Entschädigungspreis abkaufen, weil sie sich derzeit schwerer tun, am Kapitalmarkt noch Geld zu bekommen«, sagte die Vorsitzende der Berliner Grünen, Bettina Jarasch, kürzlich in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Jemand aus der Wohnungswirtschaft habe ihr sogar gesagt, dass eine Enteignung unter den derzeitigen Vorzeichen »keine Bedrohung, sondern eine Verheißung« sei, behauptete Jarasch weiter.

Doch es gibt keinen Grund zur Hoffnung, dass die Vonovia bald alle ihre Wohnungen freiwillig zur Enteignung freigibt. Die Immobilienwirtschaft hofft nicht auf eine Vergesellschaftung, sondern auf den Verkauf von einigen Wohnungen zu Marktpreisen – und hat dafür die Kommunen als potentielle Käufer im Blick. So will die hochverschuldete Vonovia, deren Aktienkurs im Keller ist, etwa 66 000 Wohnungen abstoßen. Ob sie dafür tatsächlich die angestrebten 13 Milliarden Euro kassieren kann, steht in den Sternen. Die Grünen zeigen sich aber ­offenbar bereit, ihr zumindest ein paar Wohnungen abzunehmen.

Vor dem Hintergrund der Wiederholung der Berliner Landtagswahlen im Februar des kommenden Jahres ist die Mär von der Enteignung als »Verheißung« nichts weiter als grünes Wahlkampfgeplänkel. Sie sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine tatsächliche Vergesellschaftung Hunderttausender Wohnungen enorme Widerstände hervorrufen würde.

Ein Jahr nach dem erfolgreichen Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne mit mehr als 3 000 Wohnungen in Berlin ist noch nichts passiert, um die Umsetzung in die Wege zu leiten. Die vom Senat eingesetzte Expertenkommission berät immer noch, wie und ob eine Vergesellschaftung möglich wäre. Doch von ihrer Arbeit dringt nur wenig nach außen. Protokolle der geheimen Sitzungen werden erst Monate später veröffentlicht. Von bisher sieben Sitzungen wurde nur eine öffentlich abgehalten.

Ganz im Sinne der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), die auf Kooperation statt Konfrontation mit den privaten Wohnungskonzernen baut, ist das Thema Vergesellschaftung inzwischen aus der öffentlichen Debatte verschwunden. Durch die Wiederholungswahlen könnte sich das bald ändern. Auch soll noch vor Ende des Jahres der Zwischenbericht der Expertenkommission erscheinen. Und die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« ist nach wie vor lebendiger als so manch lahmer Parteiapparat. Bereits am Abend der Gerichtsentscheidung für eine umfassende Wahlwiederholung plakatierte sie in vielen Kiezen »Immobilienlobby abwählen« über den Konterfeis führender SPD- und CDU-Politiker:innen.

Doch bislang waren auch die an der Regierung beteiligten Grünen und die Linkspartei keine verlässliche Hilfe für die Initiative. Gerade für »Die Linke« ist das ein Problem, weil sie die Unterstützung des Volksentscheids zum Wahlkampfthema machen will und sogar eine von der Parteibasis getragene Parteikampagne zur Vergesellschaftung führt. Im Kontrast dazu haben ihre Vertrete­r:in­nen im Senat bislang jedoch wenig Substantielles zuwege ­gebracht, um die Umsetzung der Enteignung auch auf dieser Ebene voranzubringen. Jüngstes Beispiel dafür ist die blockierte Herausgabe der Berliner Grundbuchdaten an die Expertenkommission. Nicht nur wäre das ein wichtiger Schritt, um für mehr Transparenz auf dem undurchsichtigen Immobilienmarkt zu sorgen – es ist für die Vergesellschaftung schlicht und einfach unerlässlich, um nämlich alle privaten Wohnungs­unternehmen zu identifizieren, die mit mehr als 3 000 Wohnungen zu den potentiellen Enteignungskandidaten zählen.

Obwohl die Herausgabe der Grundbuchdaten zu Forschungszwecken in anderen Bundesländern längst Praxis ist, verweigert der Senat diesen Schritt bislang. Anstatt nun den Volksentscheid an dieser entscheidenden Stelle zu unterstützen und dafür gegebenenfalls in Konflikt mit den Koalitionspartnern zu gehen, verfasste der Taz zufolge die Justizsenatorin Lena Kreck von der Linkspartei gemeinsam mit dem Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) einen Brief an die Kommission, in dem sie begründen, warum die Herausgabe der Daten nicht möglich sei. Das bringt der Linkspartei ein Glaubwürdigkeitsproblem. Denn nur wenn sie die Umsetzung des Volksentscheids auch im Senat zu ihrer Sache macht, kann sie beweisen, dass ihre Unterstützung der Vergesellschaftung mehr ist als ein PR-Gag.