Deniz Çelik, Linkspartei Hamburg, über einen gescheiterten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum NSU-Mord an Süleyman Taşköprü

»Es braucht eine Aufarbeitung der rechten Strukturen«

Small Talk Von Guido Sprügel

Ein Antrag der Linkspartei in der Hamburgischen Bürgerschaft, ­einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss wegen des ­Mordes des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) an Süleyman Taşköprü 2001 einzusetzen, wurde am Donnerstag voriger ­Woche abgelehnt. Einzig die Fraktion der Linkspartei und drei einzelne ­Abgeordnete stimmten dafür. Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen wollen sich stattdessen für eine wissenschaftliche ­Auf­arbeitung einsetzen. Die Jungle World sprach darüber mit ­Deniz Çelik, dem Fraktionssprecher für Gesundheit und Innen­politik der Linkspartei und Vizepräsident der Hamburgischen ­Bürgerschaft.

Warum forderte die Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei erst jetzt einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss?
Es braucht eine umfassende Aufarbeitung der rechten Strukturen in Hamburg, ihrer Rolle beim Mord an Süleyman Taşköprü und des Fehlverhaltens der Hamburger Sicherheitsbehörden. Wir sind es den Betroffenen schuldig. Zudem ist die Aufklärung des NSU-Komplexes die Grundlage dafür, rechten Terror in Zukunft verhindern zu können.

Woher kommt die breite Ablehnung eines Untersuchungsausschusses bei den anderen Parteien?
Der Schutz der Hamburger Sicherheitsbehörden vor kritischer Auseinandersetzung mit ihrer Praxis hat für sie höhere Priorität als das Recht der Opferangehörigen auf vollständige Aufklärung.

Die Grünen haben lange Zeit einen solchen Ausschuss gefordert und dies auch in einem Parteibeschluss vom 30. Mai 2021 festgehalten. Wie kommt es nun zu der Kehrtwende?
Die Grünen haben es versäumt, Rückgrat zu ­zeigen, und sich von der SPD, die mit dem Koalitionsbruch drohte, einschüchtern lassen.

Die grüne Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Block sprach sich hingegen jüngst für einen Untersuchungsausschuss aus. Wie passt das zusammen?
Es gibt unter den jüngeren Abgeordneten den ernsthaften Willen dazu.

Stattdessen wollen SPD und Grüne den Mord an Süleyman Taşköprü nun wissenschaftlich aufarbeiten. Ist das ein guter Ersatz?
Nein, das kann keinen Untersuchungsausschuss ersetzen. Dieser kann Zeugen vorladen sowie vernehmen und schafft große öffent­liche Aufmerksamkeit.

Die Aufklärung des NSU-Komplexes ist die Grundlage dafür, rechten Terror in Zukunft verhindern zu können.

Zudem ist es die Verantwortung des Parlaments, Polizei und Verfassungsschutz zu kontrollieren.

In allen anderen Bundesländern, in denen der NSU Menschen ermordete, gab es Untersuchungsausschüsse. Auch einen im Bundestag. Warum stellt sich gerade Hamburg quer?
In Hamburg ist es Staatsräson, Sicherheitsbehörden einen Persilschein auszustellen – siehe G20. Es ist eine Schande, dass dabei die Aufklärung von Nazi-Verbrechen auf der Strecke bleibt.

Da der Untersuchungsausschuss abgelehnt wurde, wie werden Sie weiter vorgehen?
Einen Schlussstrich nehmen wir nicht hin und werden weiter einen Ausschuss einfordern, uns aber auch mit zivilgesellschaftlichen Kräften über Alternativen, wie zum Beispiel ein NSU-Tribunal, austauschen.