Homestory #20/23

So wie es bei Redaktionsschluss aussieht, wird es in der Türkei wohl Stichwahlen geben. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag kam es wie vorhergesagt zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem amtierenden Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seinem Gegner Kemal Kılıçdaroğlu vom oppositionellen Bündnis der Nation. Obwohl die Endergebnisse noch nicht offiziell sind, scheint es ganz so, als ob keiner der beiden Kandidaten eine Mehrheit über 50 Prozent erreichen und sich im ersten Wahlgang durchsetzen konnte.

Die Frage, ob der Türkei ein politischer Richtungswechsel und nicht weniger als das Ende einer islamistisch-autoritären Ära bevorsteht, ist noch nicht entschieden. Es ist davon auszugehen, dass die Stimmung in den kommenden Tagen, bis zur endgültigen Entscheidung im zweiten Wahldurchlauf am 28. Mai noch angespannter wird. Entgegen den Ergebnissen vieler unabhängiger Wahlumfragen im Vorfeld der Wahlen, die Kılıçdaroğlu vor Erdoğan sahen, ihm sogar einen Sieg – wenn auch einen äußerst knappen – in der ersten Wahlrunde zugetraut hatten, liegt Erdoğan vor seinem Herausforderer. Die Enttäuschung der Opposition wiegt entsprechend schwer, zumal Erdoğans Bündnis seine Parlamentsmehrheit verteidigen konnte.

Wir sitzen noch zwischen den Büros sozusagen und werden die kommenden Tage besonders viel Energie für den Aufbruch in eine neue Ära investieren.

Bei einer hohen Wahlbeteiligung von fast 90 Prozent kommt der amtierende Präsident bei dem derzeitigen Stand auf knapp unter 50 Prozent, sein Herausforderer lediglich auf ungefähr 44,5 Prozent. Während die türkische Wahlbehörde einen reibungslosen Ablauf vermelden, sollen Wahlbeobachter von Kılıçdaroğlus Partei CHP Einspruch bei der Behörde eingelegt haben. Die linke HDP sprach von Angriffen auf Wahlbeobachter ihrer Schwesterpartei YSP in Mardin im Südosten der Türkei. Kılıçdaroğlu gibt die Hoffnung auf einen Sieg in der zweiten Runde nicht auf und bekräftigt den Wahlspruch: »Der Frühling wird kommen.«

Den Frühling beziehungsweise den Sommeranfang erwartet auch die Jungle World voller Vorfreude. Denn die warmen Tage kann die Belegschaft Ihrer Lieblingszeitung dann in neuen Redaktionsräumen oder auch im kleinen Garten vor den Redaktionsräumen verbringen. Der Umzug von Kreuzberg nach Mitte an den wunderschönen Weinbergspark ist in vollem Gange. Noch ist die Redaktion im Homeoffice, denn die Verteilung der Büroeinrichtung und der Infrastruktur ist mit dem Wahlergebnis in der Türkei vergleichbar. Knapp die Hälfte der Dinge steht noch im alten Büro, der Rest im neuen.

Wir sitzen also noch zwischen den Büros sozusagen und werden die kommenden Tage besonders viel Energie für den Aufbruch in eine neue Ära investieren. Begleitet wird das auch von einem neuen Erscheinungsbild der Zeitung in Print- und PDF-Ausgabe. Neben Produktionsalltag und Umzugsarbeiten hat das Layout der Jungle World an einem kleinen Relaunch gearbeitet. Ganz nach dem Motto: Der Dschungel blüht.