In Nordrhein-Westfalen demonstrierten Reste der Coronaleugner-Bewegung

Friedensfreunde, Nazis, Islamisten

Was von der Coronaleugner-Bewegung in Nordrhein-Westfalen übriggeblieben ist, zeigt sich offen für übelsten Antisemitismus und für Putin-Anhänger. Das haben am Wochenende Demonstrationen in Köln und Wuppertal verdeutlicht.

Samstagmittag in der Fußgängerzone von Wuppertal-Barmen: Um das Bismarck-Denkmal auf dem Geschwister-Scholl-Platz versammelte sich am vorigen Wochenende eine bunte Protesttruppe. Die meisten sahen ziemlich skurril aus, einige trugen große Hüte mit zahlreichen Buttons, andere hatten Konstruktionen dabei, mit denen sie mehrere Protestschilder und ein Smartphone gleichzeitig hochhalten können – ihr Protest muss live ins Netz, gegen die Lügen und das Schweigen der Mainstream-Presse.
Eine ältere Dame trug zum Strohhut eine schwarz-rot-goldene Blumenkette, in der Hand hatte sie ein handgeschriebenes Schild: »Danke AfD, ihr seid die Besten«. Andere sahen aus, als kämen sie gerade vom Ostermarsch: Männer mit langen Haaren, blaue T-Shirts mit Friedenstaube und Transparente gegen die Nato und für Frieden mit Russland.

Bei den etwa 200 Menschen handelte es sich um das Protestbündnis »NRW erwacht!«, das regelmäßig in Nordrhein-Westfalen auf die Straße geht – ein Überbleibsel jener eigenartigen Protestbewegung, die sich zu Beginn der Covid-19-Pandemie gebildet hatte. Auf der als »Großdemo« angekündigten Veranstaltung in Wuppertal sollte es vor allem gegen die Grünen und den Sozialismus gehen. In einem Aufruf hieß es: »Wir können unser Land und unsere Art zu leben doch nicht von dieser unfähigen ReGIERung und ihren Strippenziehern einfach so zerstören lassen!« Die Regierung müsse sehen und hören, »dass wir ihre Untergangspolitik nicht wollen«.

Die realpolitische Forderung von »NRW erwacht!« sind Rücktritte, das sei ein erster Schritt zur Veränderung. Wer genau und weswegen zurücktreten soll, wird im Aufruf nicht erklärt. Jeder Demonstrant soll sich wohl selbst überlegen können, welche Hassfigur dafür als erstes in Frage kommt.

Bei der Demonstration zeigte sich ein Sammelsurium aus zahlreichen Kleinstgruppen, die sich zu Beginn der Pandemie gebildet hatten. Da waren die von zahlreichen »Querdenken«-Demonstrationen bekannten Trommler aus Bochum, die ein wenig Ärger mit der Polizei bekamen, weil sie zu früh loslegten, oder die Macher der Wanderausstellung »Kinder des Krieges«, die unter anderem mit Bildern vom bombardierten Dortmund und Dresden, was sonst, auf heutige Kriegsgefahr aufmerksam machen möchte. Es dürfe nie wieder ein Krieg von deutschem Boden ausgehen, las man auf ihren Schildern, das sei aber hinfällig, denn wegen der Nato-Mitgliedschaft habe Deutschland bereits zweimal in Europa Krieg geführt: 1999 in Jugoslawien und von 2014 bis heute in der Ukraine. Dass bei der anschließenden Demonstration Russland-Fahnen geschwenkt wurden, ist beinahe überflüssig zu erwähnen.

Was dort auf einem langen Marsch durch den Wuppertaler Osten immer und immer wieder durchgesagt wurde, hörte sich teilweise an, als würde ein verschwörungstheoretischer Flügel der FDP demonstrieren. Die Regierung bestehle das Volk mit Steuern, deshalb sei keine freie Entfaltung möglich, man lebe in Deutschland quasi als »Sklave«. In Parolenform: »Die Berliner Diebesbande klaut das Geld im ganzen Lande.« Um das Volk weiter zu unterdrücken, so wurde wiederholt gewarnt, werde die Regierung bald wieder auf Corona zurückgreifen – weil der Klimawandel wegen des angeblich kalten Sommers nicht mehr ziehe. Doch über solche Zusammenhänge berichteten die Medien nicht, die seien nämlich gekauft.

Bei der Demonstration in Wuppertal zeigte sich ein Sammelsurium aus zahlreichen Kleinstgruppen, die sich zu Beginn der Covid-19-Pandemie gebildet hatten.

Wer Regierung und Medien gekauft hat, das meinen die »Freien Nordrhein-Westfalen« zu wissen. In ihrem Telegram-Kanal mit über 10.000 Abonnenten – der Instant-Messaging-Dienst ist in der Szene noch immer das beliebteste Kommunikationsmittel – haben sie immer wieder Aufrufe für die »NRW erwacht!«-Demonstration verbreitet. In eher wirren Satzfetzen heißt es: »Antifa, gegründet von Juden in den 1920er Jahren, seitdem finanziert von Juden! Für Spritzen, Kommunismus, Hass unter den Völkern über BLM und Verschwuchtelung über LGBTQ! Alles Erfindungen von Juden!«

Die »Freien Nordrhein-Westfalen« verfügen auf Telegram auch über einen Chatkanal. Wer dort daran zweifelt, dass die Juden hinter allem Bösen auf der Welt stecken, wird nach ausgiebigen Überzeugungsversuchen, die bis drei Uhr früh dauern können, aus dem Chat geschmissen. Zur Entspannung und weiteren Volksbildung postet auch gerne mal jemand ein Lied vom alten Neonazi-Barden Frank Rennicke.

Die Kanäle der »Freien Nordrhein-Westfalen« nutzt auch Markus Beisicht. Der Jurist aus Leverkusen hat seit den späten achtziger Jahren in rechtsextremen Parteien mitgemischt, von den Republikanern bis zur von ihm mitgegründeten, vor allem muslimfeindlichen Gruppierung »Pro NRW«, die sich 2019 als Partei auflöste. Bei den »Freien Westfalen« rief Beisicht zur Teilnahme an einem Pro-Putin-Autokorso auf, der am Sonntag in Köln stattfand. Veranstalterin war Elena Kolbasnikowa, die regelmäßig solche Demonstrationen organisiert. Unterstützt wird sie dabei von ihrem Partner, Rostislaw Tesljuk, einem ehemaligen russischen Luftwaffenoffizier, der sich selbst Max Schlund nennt. Am Montag durchsuchte ein Sondereinsatzkommando der Polizei die gemeinsame Wohnung der beiden. Grund sei ein Verdacht auf Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, sagte die Staatsanwaltschaft laut Kölner Stadt-Anzeiger. In der Wohnung soll eine oder mehrere Waffen sichergestellt worden sein.

Der Korso am Sonntag blieb zwar mit nur etwa 40 Autos hinter den selbstgesteckten Zielen zurück, zeigt aber seltsame Bündnisse auf. Neben aus Russland stammenden Regimeanhängern und der Resterampe der Coronaleugner fand sich auch Bernhard Falk in Köln ein. Er ist eine ebenso schillernde Figur wie Beisicht. In den neunziger Jahren verübte er als Mitglied der linken »Antiimperialistischen Zellen« Anschläge, kam dafür ins Gefängnis und wandte sich dort dem Islam zu. Seitdem engagiert er sich als Helfer für inhaftierte Islamisten und agitiert für einen antiimperialistischen Islamismus mit dem Hauptfeind USA.

Bündnisse zwischen Rechtsextremen und Islamisten sind an sich nichts Ungewöhnliches, doch dass Bernhard Falk und Markus Beisicht zusammen demonstrieren, wirkt bizarr. Während Beisicht vor wenigen Jahren noch durchs Land tourte, um gegen Moscheen zu agitieren, zeigte Falk 2014 sogar seine Solidarität mit den Islamisten, die verurteilt wurden, weil sie 2012 versucht hatten, einen Sprengstoffattentat auf den Bonner Hauptbahnhof zu verüben – und die außerdem einen Anschlag auf Beisicht geplant haben sollen.

Die beiden älteren Herren scheint vor allem das Feindbild USA zu vereinen. Dass Falk vor allem gegen den Imperialismus und Beisicht eher gegen die Besatzung Deutschlands wettert, scheint kein Problem darzustellen – Hauptsache, es geht gegen die »ReGIERung« und ihre »Strippenzieher«.