Matteo Salvini will Neuwahlen in Italien

Traum von der Machtergreifung

Kommentar Von Catrin Dingler

Matteo Salvini, Chef der rechtsextremen Lega, will die alleinige Macht in Italien. Wird sich ein breites Bündnis formieren, um ihn als Ministerpräsidenten zu verhindern?

Die italienische Regierungskrise hatte sich lange angekündigt. Doch der Zeitpunkt, an dem der Vorsitzende der Lega, Matteo Salvini, vergangene Woche das Bündnis mit dem Movimento 5 Stelle (M5S) aufkündigte, hat viele überrascht. Die Abgeordneten hatten sich erst einen Tag zuvor in die Sommerpause verabschiedet. Nun werden Senat und Abgeordnetenkammer zu Sondersitzungen zusammenkommen müssen, um über den von der Lega eingereichten Misstrauensantrag gegen Ministerpräsident Giuseppe Conte abzustimmen.

Welchen Ausgang die parlamentarische Debatte nimmt, ob die beiden Kammern tatsächlich aufgelöst und für Oktober Neuwahlen ausgeschrieben werden, ist derzeit jedoch noch völlig offen. Dem Misstrauensantrag vorausgegangen war am Mittwoch vergangener Woche eine Abstimmung im Senat über einen vom M5S eingereichten Antrag auf einen Baustopp der Schnellzugtrasse Turin – Lyon (TAV). Die M5S-Senatoren stimmten für den Baustopp, die Lega und die Senatsmehrheit dagegen.

Damit hatte Salvini einen Vorwand, die Koalition zu beenden, nachdem sich schon seit der Europawahl im Mai, bei der die Lega stärkste politische Kraft geworden war, angedeutet hatte, dass er sich nicht mehr lange mit dem Amt des Inneministers begnügen würde. Trotzdem traf seine im Jargon Mussolinis vorgetragene Ankündigung, er werde »die Italiener« fragen, ob sie ihm »alle Macht« übertragen wollen, die Opposition unvorbereitet. Weder M5S noch der Partito Democratio (PD) sind sich parteiintern einig, wie die Rechte am Gewinn der absoluten Mehrheit gehindert werden könnte.

Während der Vorsitzende des M5S, Luigi Di Maio, Arbeits- und Wirtschaftsminister im Kabinett Conte, darauf beharrt, 14 Monate lang gut regiert zu haben, rief Beppe Grillo, der Begründer des M5S, am Wochenende auf seinem Blog zum Widerstand gegen die nun als »Barbaren« betitelten bisherigen Regierungspartner auf. Da dem M5S im Falle von Neuwahlen der freie Fall in die politische Bedeutungslosigkeit droht, scheint Grillo zu jeder parlamentarischen Absprache bereit, um die Legislaturperiode nicht vorzeitig enden zu lassen.

»Anti-Salvini-Front«

Auch innerhalb des PD und der von Salvinis Lega dezimierten rechten Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi gibt es Abgeordnete, die mit dem Gedanken einer parlamentarischen »Anti-Salvini-Front« spielen. Einmal mehr würden sich konkurrierende politische Lager im Namen der »nationalen Verantwortung« auf eine vornehmlich von parteiunabhängigen Experten geführte »Übergangsregierung« einigen. Diese hätte eine genau definierte Aufgabe: Sie müsste den Haushalt für 2020 verabschieden, könnte aber darüber hinaus auch ein Gesetz zur Reduzierung der Abgeordnetenzahl des Parlaments und eine Änderung des Wahlgesetzes beschließen. Neuwahlen wären auf unbestimmte Zeit verschoben, Salvinis Aufstieg fürs Erste gebremst.

In allen politischen Lagern finden sich jedoch auch Abgeordnete, die darauf verweisen, dass diese in den vergangenen Jahren wiederholt erfolgten parlamentarischen Manöver zur Verhinderung von Wahlen erst zum Erstarken des Populismus geführt hätten und Salvini sich fortan als Opfer des Establishments stilisieren könnte. Insbesondere Nicola Zingaretti, der Vorsitzende des PD, favorisiert deshalb gegen alle parteiinternen Widerstände sofortige Neuwahlen.

Mit einem breiten, von linksliberalen Lokalpolitikern und zivilgesellschaftlichen Kräften getragenen Bündnis will er binnen weniger Wochen einen gesellschaftlichen Stimmungsumschwung erwirken. Angesichts der jüngsten Meinungsumfragen scheint das ein frommer Wunsch zu sein – allerdings einer, der mit dem Zuspruch von Papst Franziskus rechnen darf, der just am Freitag vergangener Woche in einem Interview mit der Tageszeitung La Stampa vor den »Gefahren des Souveränismus« warnte.