Chinesische Firmen haben im Kongo beim Kobaltabbau eine Vormachtstellung erreicht

Konkurrenz im Kongo

Von Alex Veit

Rund 70 Prozent der weltweiten Kobaltproduktion stammen aus dem Kongo. Chinesische Firmen haben dort eine Vormachtstellung beim Abbau des begehrten Schwermetalls erreicht, möglicherweise auch durch Korruption.

Selten wurden afrikanische Staaten so umworben wie in den vergangenen Wochen. In Brüssel gab die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, am Mittwoch voriger Woche bekannt, man werde in den kommenden sechs Jahren unter dem Titel »Global Gateway« bis zu 300 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte in Schwellen- und Entwicklungsländern insbesondere in Afrika investieren. Diese Investitionen würden »den höchsten Sozial- und Umweltstandards entsprechen und im Einklang mit den demokratischen Werten der EU sowie internationalen Normen und Standards stehen.«

Zwei Tage zuvor hatte der chinesische Präsident Xi Jinping seine Versprechungen per Videogrußwort an das Chinesisch-Afrikanische Kooperationsforum gesendet, dessen achte Konferenz vorige Woche in der senegalesischen Hauptstadt Dakar stattfand. China werde mittels großer Investitionen und im »immerwährenden Geist der chinesisch-afrikanischen Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten, der sich durch aufrichtige Freundschaft, Gleichheit, gegenseitigen Nutzen und gemeinsame Entwicklung, Fairness und Gerechtigkeit auszeichnet«, den Wert der chinesischen Importe aus Afrika in den kommenden drei Jahren auf 300 Milliarden US-Dollar steigern.

Laut Recherchen der »New York Times« befinden sich inzwischen 15 der 19 Kobaltminen im Kongo im Besitz chinesischer Firmen oder werden von diesen finanziert.

Die Betonung von Werten und Gegenseitigkeit steht in auffälligem Kon­trast zur tatsächlichen Praxis der konkurrierenden Wirtschaftsgroßmächte auf dem afrikanischen Kontinent. Besonders der Rohstoffsektor, um dessen Aufteilung es beim neoimperialen Buhlen vor allem geht, ist traditionell gekennzeichnet von Korruption, Umweltzerstörung und der Enteignung lokaler Bevölkerungen. Die Geschichte der heutigen Demokratischen Republik Kongo lässt sich seit der Gründung des sogenannten Kongo-Freistaats 1885 als Abfolge von Skandalen in diesem Sektor erzählen.

Eine dieser Episoden handelt von Glencore, dem weltweit größten Bergbaukonzern. Er betreibt im Kongo große Kupfer- und Kobaltminen, die er mutmaßlich durch Korruption erlangt hat. Derzeit laufen in Kanada, den USA und Großbritannien juristische und börsenaufsichtliche Untersuchungen gegen das Unternehmen. Zuletzt hat auch die Schweizer Justiz Ermittlungen gegen den im Kanton Zug registrierten Konzern aufgenommen.

Vor Beginn des Chinesisch-Afrikanischen Kooperationsforums hatten westliche Medien besonders die chinesische Kobaltförderung im Kongo kritisiert. Kobalt, ein Schwermetall, ist bei der Produktion von großen Batterien, etwa für Elektroautos, bislang unersetzlich. Die größten Reserven, rund die Hälfte der weltweit bekannten Vorkommen des Metalls, lagern im Kongo. Aus dem zen­tralafrikanischen Land stammen derzeit 70 Prozent der jährlichen Produktion.

Vorigen Monat veröffentlichte die New York Times eine lange Recherche über die chinesische Kobaltförderung in der Provinz Lualaba im Süden des Kongo. China, so die US-Tageszeitung, verfolge »einen disziplinierten Spielplan, der 2015 von Peking mit großem Tamtam angekündigt wurde, um die aufstrebende saubere Energiewirtschaft der Welt zu dominieren«.

Laut Recherchen der New York Times befinden sich inzwischen15 der 19 Kobaltminen im Kongo im Besitz chinesischer Firmen oder werden von diesen finanziert. In diesen Minen, so die Zeitung, komme es regelmäßig zu schweren Arbeitsunfällen. Proteste von Arbeitern würden unterdrückt, Dörfer würden geräumt, um Kobaltvorkommen zu erschließen.

Die Vorherrschaft chinesischer Firmen hat die US-Regierung aufgeschreckt, die befürchtet, dass US-amerikanische Elektroautohersteller in Abhängigkeit von chinesischen Batterieproduzenten geraten. Das Hauptproblem bei der bestehenden Kobaltversorgung, so ein im Juni dieses Jahres veröffentlichter Bericht des Weißen Hauses, bestehe darin, »dass mehr als die Hälfte der Kobaltreserven in der Demokratischen Republik Kongo liegen«, wo die Abbau- und Arbeitsbedingungen im internationalen Vergleich schlecht seien, und »dass China eine beherrschende Stellung beim Kobaltabbau und bei der Verarbeitung in der Demokratischen Republik Kongo gewonnener Materialien hat«.

Diese Vormachtstellung, über die China auch in anderen Bereichen des kongo­lesischen Rohstoffsektors verfügt, geht zurück auf das sogenannte Sicomines-Abkommen, das China und die Demokratische Republik Kongo 2007 avisierten und 2009 abschlossen. Der damalige kongolesische Präsident Joseph Kabila wollte mit dem Abkommen die Erneuerung der Infrastruktur des Landes vorantreiben und so eines seiner zentralen Wahlversprechen erfüllen.

Zu diesem Zweck wurde Sicomines gegründet, ein Joint Venture aus der staatlichen kongolesischen Bergbaugesellschaft Gécamines und einem Konsortium chinesischer Firmen, das Konzessionen für den Abbau mehrerer Millionen Tonnen Kupfer und mehrerer Hunderttausend Tonnen Kobalt erhielt. Im Gegenzug versprach die chinesische Seite, einige Überlandstraßen zu erneuern, elektrische Leitungen sowie Krankenhäuser zu bauen und einige Bau­projekte im Zentrum der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa zu verwirklichen. Nach Recherchen der französischen Tageszeitung Le Monde steht noch immer kein einziges der 31 Krankenhäuser, deren Bau in dem Abkommen vereinbart worden war.

Finanziert wurde das Projekt von chinesischen Staatsbanken. Die Gewinne aus dem Rohstoffabbau sollten allerdings durch den kongolesischen Staat abgesichert werden, wodurch diesem Verbindlichkeiten in Höhe von neun Milliarden US-Dollar entstanden wären. Insbesondere dies rief die westlichen Geldgeber des damals faktisch bankrotten Landes auf den Plan, die seit Jahren über einen Schuldenabbau verhandelt hatten und die geplanten neuen Verbindlichkeiten als unverantwortlich kritisierten. Nach langem Hin und Her reiste der damalige Direktor des Internationalen Währungsfonds, Dominique Strauss-Kahn, 2009 nach Kinshasa. Kabila erhielt eine weitreichende Schuldenstreichung über zwölf Milliarden US-Dollar, wodurch das Land fast schuldenfrei wurde.

Im Gegenzug verkleinerte Kabila das Volumen der mit China vereinbarten Infrastrukturprojekte auf drei Milliarden US-Dollar und schloss die Staatshaftung für die Profite aus der Rohstoffgewinnung aus. Dennoch markierte das Sicomines-Abkommen den Beginn der chinesischen Vormachtstellung in dem rohstoffreichen Land. Diese wurde in den vergangenen Jahren dadurch gefestigt, dass der US-amerikanische Rohstoffkonzern Freeport-McMoRan zwei riesige Kobaltkonzessionen an die zu einem Großteil staatlich finanzierte chinesische Firma China Molybdenum veräußerte.

Im August dieses Jahres allerdings setzte Kabilas Nachfolger, Präsident Félix Tshisekedi, eine Kommission zur Überprüfung des Abkommens ein. Solche Kommissionen sind im Kongo nichts Ungewöhnliches: Auch Kabila stellte Rohstoffabkommen mit ausländischen Konzessionären mehrmals mit der Begründung in Frage, diese seien möglicherweise auf unlautere Weise zustande gekommen. So wurden die ausländischen Firmen immer wieder aufs Neue zu Nachverhandlungen gezwungen, und mutmaßlich wurden bei diesen Gelegenheiten weitere Bestechungsgelder gezahlt. Jedenfalls konnten die Bergbauoperationen letztlich meist ungestört weiterlaufen. Derzeit befindet Tshisekedi sich in einem Machtkampf mit Kabila und dessen politischem Lager. Dieses hatte Tshisekedi nach der Präsidentschaftswahl Ende 2018 die Präsidentschaft überlassen, obwohl er vermutlich nur die drittmeisten Stimmen erhalten hatte. Die Kon­trolle über Parlament und Militär behielt allerdings Kabilas Lager.

Seither versucht Tshisekedi, sich von der Dominanz des Kabila-Lagers zu befreien. Dabei baut er unter anderem auf gute Beziehungen zu den USA. Ein vorigen Monat veröffentlichter Bericht von The Sentry, einem der Demokratischen Partei von US-Präsident Joe Biden nahestehenden Think Tank, kommt ihm daher gelegen. The Sentry behauptet unter Berufung auf geleakte Dokumente, dass nach Abschluss des Sicomines-Abkommen 55 Millionen US-Dollar aus ausländischen Quellen an die von dem chinesischen ehemaligen Sicomines-Mitarbeiter Du Wei gegründete Briefkastenfirma Congo Construction Company (CCC) geflossen seien. Das Geld sei offenbar für Kabila und dessen Entourage bestimmt gewesen. Nach kürzlich veröffentlichten Recherchen des Spiegels und anderer Medien hatte die CCC ihr Konto bei der Bank BGFI, die faktisch von der Familie Kabila kontrolliert wurde.

Gut möglich, dass Tshisekedi jetzt der US-Regierung suggerieren will, er werde die an China veräußerten Kobalt-Konzessionen annullieren. Allerdings wird auch Tshisekedi die Beziehungen zu den chinesischen Partnern kaum ernsthaft gefährden, sondern wie sein Vorgänger versuchen, den neoimperialen Wettstreit um die kongolesischen Bodenschätze zu seinem Vorteil zu nutzen.