Die neue Golftour LIV Golf wird von Saudi-Arabien finanziert

Golf im Schafspelz

Mit LIV Golf bekommt die PGA Tour ebenso ernsthafte wie zweifelhafte Konkurrenz, die von Saudi-Arabien finanziert wird.

Der Golfsport steht in dem Ruf, elitär und mehr als nur ein wenig spießig zu sein. Tatsächlich sind die notwendige Ausrüstung und die Mitgliedschaft in einem Golfclub für viele unerschwinglich. Dennoch ist Golf ­zumindest in den USA durchaus ein Massenphänomen. Der National Golf Foundation zufolge haben vergangenes Jahr 25 Millionen Menschen in den USA mindestens einmal Golf auf einem Golfplatz gespielt. Nimmt man noch Übungsbereiche wie Driving Ranges und ähnliches hinzu, landet man schnell bei 37 Millionen oder etwa zwölf Prozent der Bevölkerung.

Speziell seit Beginn der Pandemie erlebt der Golfsport, der an der frischen Luft und in kleinen Gruppen betrieben wird, einen regelrechten Boom. Jeweils mehr als drei Millionen Menschen haben in den vergangenen beiden Jahren erstmals Golf gespielt, so viele wie noch nie. Selbst auf dem Höhepunkt des durch Tiger Woods ausgelösten Booms um die Jahrtausendwende waren es weniger als zweieinhalb Millionen.

Das wachsende Interesse am Golfsport spiegelt sich jedoch nur bedingt im Interesse am Profibereich. Das prestigeträchtige Masters lockte zu Woods’ Zeiten bis zu 20 Millionen Zuschauer vor die Fernsehgeräte. Im vergangenen Jahr ­waren es lediglich 9,5 Millionen. Bei den anderen Großevents des Sports sieht es ähnlich aus.

Die Diskrepanz zwischen Boom im aktiven Bereich und Stagnation bei den Zuschauerzahlen legt den Schluss nahe, dass es ein gewisses Maß an Unzufriedenheit mit dem im Fernsehen gebotenen Produkt gibt. Ein Grund dafür könnte die Dominanz der PGA Tour sein, die seit ihrer Gründung 1929 im Bereich des Spitzensports mehr oder weniger ein Monopol innehat. Mit LIV Golf wurde in diesem Jahr ein Konkurrenzprodukt lanciert, das das Potential haben könnte, die Ausnahmestellung der PGA Tour zumindest anzugreifen.

Der Name LIV Golf bezieht sich auf die römische Schreibweise der Zahl 54 und verweist auf einen der zentralen Unterschiede zur PGA Tour. Während dort vier Runden à 18 Löcher gespielt werden, sind es hier nur drei Runden, also insgesamt 54 Löcher. Hinzu kommt, dass im Shotgun-Modus gespielt wird. Das heißt, es wird an 16 Löchern gleichzeitig begonnen, während bei der PGA Tour alle Golfer nacheinander von einem oder maximal zwei Löchern starten. Zumindest theoretisch sollte dieser Modus für eine deutlich höhere Ereignisdichte sorgen. Er könnte das Geschehen aber auch deutlich unübersichtlicher machen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zur PGA Tour besteht darin, dass ­lediglich 48 Athleten antreten, diese aber – sofern sie sich nicht verletzen oder freiwillig ausscheiden – alle drei Runden spielen. Bei der PGA Tour starten in der Regel über 100 Golfer, nach der zweiten Runde scheidet ­jedoch bei einem sogenannten Cut etwa die Hälfte von ihnen aus.

Außerdem werden bei LIV Golf die 48 Golfer in zwölf Viererteams ­gedraftet, für die es zusätzlich eine Teamwertung gibt, was gelinde gesagt etwas gewöhnungsbedürftig ist. Die Namen der Teams wie Smash, Crushers oder Fireballs werden in der eher konservativen Welt des Golfs wahrscheinlich auch nur bedingt auf Gegenliebe stoßen.

Der größte Unterschied zur PGA Tour besteht jedoch in den Geldsummen, die fließen. Bereits vor Beginn der ersten Saison wurden etliche große Stars des Golfsports mit sehr viel Geld von der Teilnahme an der neuen Tour überzeugt. Dustin Johnson, der Sieger des Masters 2020, soll für seinen Wechsel 125 Millionen US-Dollar erhalten haben. Bei Phil Mickelson, dem Sieger der vorjährigen PGA Championship, sollen es sogar 200 Million US-Dollar gewesen sein. Auch anderen Stars, unter ihnen der Deutsche Martin Kaymer, dürfte die Entscheidung, die PGA Tour zu verlassen, durch die eine oder andere Million erleichtert worden sein.

Die Preisgelder sind ebenfalls ungewöhnlich hoch. Beim ersten Turnier in London Anfang Juni wurden insgesamt 20 Millionen plus weitere fünf Millionen US-Dollar in der Teamwertung ausgeschüttet. Allein der Sieger Charl Schwartzel aus Südafrika durfte sich über 4,75 Millionen US-Dollar freuen. Bei der Players Championship im März, dem höchstdotierten Turnier der PGA Tour, erhielt der Australier Cameron Smith für seinen ersten Platz lediglich 3,6 Millionen US-Dollar.

Eigentümer der in Florida ansässigen Firma LIV Golf ist der saudische Staatsfonds Public Investment Fund, der Schätzungen zufolge weltweit Vermögenswerte in Höhe von 620 Milliarden US-Dollar verwaltet.

Bei derart hohen Geldsummen stellt sich selbstverständlich die Frage, wer all das bezahlt. Die Antwort ist ganz einfach: Saudi-Arabien. Eigentümer der in Florida ansässigen Firma LIV Golf, Inc. ist der saudische Staatsfonds Public Investment Fund, der Schätzungen zufolge weltweit Vermögenswerte in Höhe von 620 Milliarden US-Dollar verwaltet.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Public Investment Fund sein Geld auf spektakuläre Weise im Sportbereich investiert. Seit Oktober 2021 hält er 80 Prozent der Anteile an dem englischen Premier-League-Club Newcastle United. Gegen die Übernahme des Clubs hatte es unter Verweis auf die Menschenrechtslage in Saudi-Arabien und vor allem den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi lautstarken Protest gegeben. Auch da­rüber hinaus steht das sogenannte Sportswashing der Golfmonarchien unter erheblicher Kritik.

Der Ansatz von LIV Golf, »golf, but louder« anzubieten und damit die verkrustete Welt des professionellen Golfsports vielleicht für neue Schichten und Milieus zu öffnen, ist ebenso interessant wie vielversprechend. Aber es handelt sich bei LIV Golf um wenig anderes als ein Investitions- und Marketingobjekt eines autoritären Regimes, das Freedom House zufolge zu den zehn unfreiesten der Welt gehört. Darüber hinwegzusehen, sollte eigentlich unmöglich sein.

Das scheint jedoch zumindest einigen der Golfer, die nun an der neuen Tour teilnehmen, dennoch zu gelingen. Talor Gooch zum Beispiel reagierte auf einer Pressekonferenz in London auf eine Frage nach »Sportswashing« mit der Aussage: »Ich glaube nicht, dass das fair ist. Außerdem bin ich Golfer. Ich bin nicht klug. Ich versuche, einen Golfball in ein kleines Loch zu schlagen. Das ist hart genug.« Sein Kollege Graeme McDowell aus Nordirland sagte, sie alle seien sich einig, dass »die Sache mit Khashoggi« verwerflich gewesen sei, aber sie seien halt »keine Politiker«. Golf sei eine »Kraft des Guten in der Welt« und er wolle »für Kinder ein Vorbild« sein. Ob er diesen Anspruch mit seinem Verhalten in diesem Fall erfüllt, ist fraglich.

Die PGA Tour hat inzwischen reagiert und sämtliche Golfer ausgeschlossen, die bei Turnieren von LIV Golf antreten. Diese Entscheidung dürfte freilich weniger politischen Bedenken als vielmehr der Furcht vor einer durchaus ernstzunehmenden Konkurrenz geschuldet sein. Ob diese Furcht begründet ist, muss sich noch zeigen. Derzeit ist die neue Tour nur im Internet live zu verfolgen; Einschaltquoten lassen sich daher nicht erheben. Die Klickzahlen auf Youtube für das erste Turnier in London waren allerdings eher überschaubar.

Mit Interesse war daher der direkte sportliche Vergleich von Golfern beider Touren bei den U.S. Open erwartet worden. Für LIV Golf ist dieser eher ernüchternd ausgefallen. Von 15 Golfern der neuen Tour überstanden nur drei den Cut nach der zweiten Runde. Der Topverdiener Mickelson beendete das Turnier mit elf über Par sogar auf einem desaströsen 135. Platz. Noch am besten schnitt Dustin Johnson mit dem 24. Platz ab. Die Zeitschrift Golfweek mutmaßte, dass die vielen unangenehmen Fragen zum Thema Saudi-Arabien sich ­negativ auf die Vorbereitung der Teilnehmer der LIV Golf ausgewirkt ­haben könnten. Das erscheint durchaus naheliegend.

Sieger der U.S. Open wurde der Engländer Matt Fitzpatrick. Für ihn war es der erste Sieg bei einem ­Major-Turnier und er erreicht damit erstmals einen der ersten zehn Plätzen der Weltrangliste. Für die PGA Tour war es ein Sieg über die neureiche Konkurrenz, der zumindest vorerst ihre Grenzen aufgezeigt wurden.