Das Berliner Humboldt-Forum ist ein Symbol für die Ablehnung der Moderne

Der Kolonialwarenladen

Der Förderverein Berliner Schloss e. V., der den Neubau des Humboldt-Forums unterstützte, verteidigt seine zum Teil extrem rechten Spender gegen einen angeblichen »woken« Kulturkampf.

Vor einem Jahr wurde das Berliner Humboldt-Forum eröffnet. Als deutsches Pendant zum Pariser Centre Georges Pompidou sollte es ein Ort werden, der Wissenschaft, Kunst und Kultur einen prominenten Platz nahe den Institutionen staatlicher Macht einräumt und sie der Gesellschaft zugänglich macht. Statt jedoch als Ort für künstlerische und wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit Fragen der Gegenwart wahrgenommen zu werden, ist das Humboldt-Forum selbst Gegenstand öffentlicher Diskussionen.

Konkret geben das Gebäude, dessen Fassade eine Nachbildung derjenigen des einstigen Berliner Stadtschlosses ist, an dessen ehemaliger Stelle es sich befindet, und die Förderer, die dessen Errichtung mit Spenden in Millionen­höhe unterstützt hatten, Anlass für Debatten, die sich in den vergangenen Wochen erneut verschärft haben. Ohne die finanzielle und politische Unterstützung durch Institutionen wie die Stiftung des Puddingfabrikanten Rudolf-August Oetker oder Mäzene wie den Verleger Hubert Burda wäre die Kopie des Stadtschlosses, die das Humboldt-Forum beherbergt, wohl nicht errichtet worden.

Hinter den Bemühungen um den Wiederaufbau preußischer Schlösser und Kirchen verbirgt sich eine Ablehnung der Moderne.

Im vergangenen Jahr thematisierte der Architekturtheoretiker Philipp Oswalt im Tagesspiegel, dass der 2016 verstorbene Bankier Ehrhardt Bödecker, einer der wichtigsten Unterstützer des Baus, sich in rechtsextremen Kreisen bewegt und in Publikationen antisemitisch geäußert hatte. Daraufhin wurde eine Plakette, die Bödecker als Spender würdigte, aus dem Gebäude entfernt.

Wenn die Betreiber des Humboldt-Forums gehofft hatten, damit die Diskussion zu entschärfen, hatten sie sich getäuscht. Denn Oswalt wies darauf hin, dass es mutmaßlich noch wei­tere rechtsextreme Spender gebe, und warf die Frage auf, inwieweit diese insbesondere für den Nachbau der Kuppel gespendet hätten. Diese trägt die Inschrift: »Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.« Sie drückt den Anspruch der preußischen Monarchen aus, von Gottes Gnaden zu herrschen. Daran war zuletzt vor allem aus postkolonialer Perspektive scharfe Kritik geübt worden, beherbergt das Humboldt-Forum doch umfangreiche Sammlungen von Kulturgütern aus Afrika und Asien.

Ende Mai veröffentlichte der Träger der Spendensammlung für den Nachbau der Fassade, der Förderverein Berliner Schloss e. V., eine Ausgabe seiner Vereinszeitschrift Berliner Extrablatt, in der er auf die Kritik reagierte. Sie wurde in einer Auflage von 40 000 Exem­plaren verteilt. Darin zeigt sich der ­Geschäftsführer des Fördervereins, Wilhelm von Boddien, entrüstet darüber, dass die Arbeit des Fördervereins durch die Leitung des Humboldt-Forums nicht gewürdigt und unterstützt werde, und lässt wissen: »Wir bekennen uns ohne jede Einschränkung zu unseren Spendern. Wir lassen es nicht zu, wie man mit ihnen umspringt.«

Der Theologe Richard Schröder steuerte einen langen Artikel bei, in dem er Oswalt vorwirft, Quellen manipuliert zu haben. Außerdem sei die Auseinandersetzung mit den politischen Ansichten der Spender eine »Überprüfung auf Rechtgläubigkeit«, die der Praxis der »Inquisition und von totalitären Regimen« ähnele. In weiteren Beiträgen wird die Idee des Wiederaufbaus »schöner« historischer Architektur gegen die Brutalität modernen Bauens verteidigt und die Kritik am Stadtschloss als Teil eines »Kulturkampfs« für eine »›woke‹ neue Welt« bezeichnet.

Während die Entscheidung für den Bau des Pariser Centre Pompidou Ende der sechziger Jahre fiel, in einer Zeit des kulturellen Aufbruchs, in der hergebrachte Vorstellungen von Gesellschaft, Wissenschaft und Kunst in Frage gestellt wurden, sollte der Bau des Humboldt-Forums in Form des Stadtschlosses gerade die Rückkehr zur hergebrachten Ordnung illustrieren und be­siegeln. An dieser Stelle im Zentrum Berlins stand seit 1976 der Palast der Republik, Sitz der Volkskammer, des Parlaments der DDR, und gleichzeitig prächtigstes Kulturhaus des realsozialistischen Staats. Nach der Eingemeindung der DDR in die BRD bildete sich ein Milieu aus ostdeutschen Konservativen und wohlhabenden Westdeutschen, das den Abriss ostdeutscher Repräsentationsbauten und den »Wiederaufbau« von Schlössern und Kirchen forderte, die meist im Zweiten Weltkrieg mehr oder weniger stark zerstört und in der DDR vollends geschleift worden waren. Nicht nur der Palast der Republik musste dem Wunsch nach Restaura­tion der monarchistischen Vergangenheit weichen, sondern beispielsweise auch das Hauptgebäude der Karl-Marx-Universität in Leipzig und der Rohbau des Hans-Otto-Theaters in Potsdam. Neben der Kopie des Berliner Stadtschlosses entstanden Nachbauten der Dresdner Frauenkirche und des Pots­damer Stadtschlosses. An einem Replikat der Potsdamer Garnisonkirche wird immer noch gebaut.

Kritik daran hatte es in den neunziger und frühen nuller Jahren schwer und wurde schnell als DDR-Nostalgie sowie Nachwirken von SED-Propa­ganda denunziert. Mittlerweile besteht hingegen keine politische Notwendigkeit mehr, die DDR architektonisch zu delegitimieren. Stattdessen erfreut sich die »Ostmoderne« international großer Beliebtheit unter Architektur­interessierten.

Als das Humboldt-Forum im vergangenen Jahr für Besucherinnen geöffnet wurde, erschien deshalb die preußisch-monarchistische Hülle, in die es gepresst worden ist, als purer Anachronismus. Auf einmal wurde offensichtlich, was man all die Jahre hätte wissen können, wenn man nur gewollt hätte: Hinter den Bemühungen um den Wiederaufbau preußischer Schlösser und Kirchen verbirgt sich eine Ablehnung der Moderne, die sich längst nicht auf die Architektur beschränkt, sondern die auf die Verfasstheit der Gesellschaft zielt. Mit der aktuellen Ausgabe seiner Vereinszeitschrift hat der Förderverein Berliner Stadtschloss e. V. das noch einmal deutlich bestätigt.