Fünf Jahre Haft im Iran für einen Franzosen

Knast für die Staatsgeisel

Im Iran wurde der französische Unternehmensberater Louis Arnaud wegen Gefährdung der Sicherheit des Staats zu fünf Jahren Haft ­verurteilt. Der Sittenpolizei fiel eine weitere junge Frau zum Opfer.

Die Anklagen sind in trauriger Weise typisch und von ähnlichen Verfahren her bereits gewohnt: »feindliche Propaganda« und »Gefährdung der Sicherheit des Staats«. Die Islamische Repu­blik Iran geht inflationär mit solcherlei Vorwürfen um.

In diesem Fall trifft es einen 36jährigen Franzosen, Louis Arnaud. Der Unternehmensberater wurde, wie seine Mutter Sylvie Arnaud Mitte voriger Woche in Frankreich bekanntgab, deswegen zu fünfjähriger Haft im Iran verurteilt. Dorthin war er im September 2022 gereist – zum falschen Zeitpunkt, wie sich im Nachhinein herausstellen sollte. Denn im selben Monat brachen wegen des gewaltsamen Todes von Mahsa Amini, genannt Jina, mächtige Unruhen im Iran aus. Das Regime schlug im Inland gewaltsam um sich und drohte zugleich international noch stärker isoliert zu werden. Deswegen griff es auf das bereits hinlänglich erprobte Prozedere zurück, sogenannte Staatsgeiseln zu nehmen – also sich im Iran aufhaltende Bürger west­licher Länder zu inhaftieren, die ausgewählt wurden aufgrund ihrer Eignung, gemäß dem politischen Bedarf Druck auf die entsprechenden Länder auf­zubauen.

Arnaud reiste ohne politische Absichten, er versuchte auch nicht, Angehörige der sozialen oder politischen Opposition zu treffen, wie das im vorigen Jahr im Iran festgenommene ­Lehrerpaar Cécile Kohler und Jacques Paris es mutmaßlich tat. Louis Arnaud wollte auf der sogenannten Seidenstraße durch mehrere asiatische Länder reisen, historische Orte und Kulturen kennen­lernen. Am 28. September vorigen Jahres wurde er festgenommen, seitdem hat er bereits über 400 Tage in Haft verbracht.

Neben ihm sowie den gleichfalls noch inhaftierten Kohler und Paris befindet sich noch mindestens ein wei­terer französischer Staatsbürger in iranischem Gewahrsam, dessen Identität bislang nicht öffentlich enthüllt wurde. Die französischen Gewerkschaften machten sich über Verbandsgrenzen hinweg mehrfach mit öffentlichen Stellungnahmen und Druck auf die Behörden für Kohler und Paris stark, die dem Gewerkschaftsbund Force ­ouvrière (FO) angehören.

Narges Mohammadi begann am 6. November einen Hungerstreik, den sie vier Tage später beendete, nachdem die Behörden ihr die zuvor vorenthaltenen Medikamente überreicht hatten.

Westliche Staatsangehörige haben nach bisherigen Erfahrungen in der 44jährigen Geschichte des islamistischen Re­gimes immerhin keine Hinrichtung zu befürchten – mindestens in den achtziger Jahren gab es allerdings Fälle von Folter, auch an inhaftierten Deutschen. Wesentlich schlimmer droht es iranischen Staatsangehörigen in Haft zu ergehen. Selbst mit internationalen Preisen Ausgezeichnete, deren grenzübergreifende Prominenz in anderen Ländern einen gewissen Schutz bedeuten könnte, entrinnen der Repression nicht.

Am 6. Oktober entschied das internationale Nobelpreiskomitee in Nor­wegen, einer politischen Gefangenen im Iran den diesjährigen Friedens­nobelpreis zu verleihen. Es handelt sich um die 51jährige Journalistin und Menschenrechtlerin Narges Mohammadi, die seit 1998 mehrfach aus politischen Gründen inhaftiert wurde. Nachdem sie zuletzt im Oktober 2020 aus der Haft entlassen worden war, wurde sie kurz ­darauf zum 13. Mal inhaftiert und wegen ihrer anhaltenden Regimekritik zu insgesamt zehn Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt.

Mohammadi hatte im berüchtigten Evin-Gefängnis Zeugnisse von Mithäftlingen gesammelt, die 2022 in Buchform unter dem Titel »White Torture« publiziert wurden. Aus Anlass des ersten Jahrestags des Todes von Mahsa Amini verbrannte sie im September symbolisch ihren Hijab, dessen Tragen im Iran für alle Frauen obligatorisch ist.

Die Preisverleihung im fernen Oslo lenkte die internationale Aufmerksamkeit auf sie, verhinderte zunächst jedoch nicht, dass ihr in der Haft kurz darauf wichtige Medikamente vorenthalten wurden, was ihre Gesundheit ernsthaft bedrohte. Daraufhin begann sie am 6. November einen Hungerstreik, den sie vier Tage später beendete, nachdem die Behörden in diesem Punkt nachgegeben und ihr die Medikamente überreicht hatten.

Ein neues Keuschheitsgesetz droht unterdessen den Druck auf breite Massen der Bevölkerung, insbesondere Frauen, zu verschärfen. Für das Gesetz stimmten am 20. September 152 von 201 anwesenden Abgeordneten des Majles, des iranischen Pseudoparlaments (alle Kandidaturen zu den Majles-Wahlen müssen zuvor durch ein nichtgewähltes Organ, den Wächterrat, genehmigt werden); das Gesetz muss noch vom Wächterrat gebilligt werden. Dieser hatte im September einen ersten Entwurf zurückgewiesen, weil dieser Begriffe wie »Nacktheit« und »verderbliches Verhalten« nicht genau genug definiert habe.

Bislang stand für Frauen darauf, ihr Haupthaar nicht zu verhüllen, eine mehrwöchige Freiheitsstrafe, allerdings drohten zusätzlich körperliche Misshandlungen und Züchtigungsstrafen. Dem neuen Entwurf zufolge, der zunächst für drei Jahre in Kraft treten soll, können bei Vorliegen weit definierter politischer Begleitumstände bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden: wenn nämlich die Nichtbedeckung der ­Haare »in Konspiration mit feindlichen Mächten« und »um die familiären Werte zu zerstören« erfolgt und prinzipiell »gegen die Werte der Islamischen Republik« gerichtet ist, es sich also um demonstratives Verhalten und nicht um das unbeabsichtigte Verrutschen eines Kleidungsstücks handelt.

Bereits im Juli war die sogenannte Sittenpolizei (Gasht-e ershad) wiederaufgestellt worden. Deren Auflösung war im Herbst vergangenen Jahres als Zugeständnis an die von einer Massenunterstützung im Land getragene Revolte gegen den Verhüllungszwang nach dem Tod von Mahsa Jina Amini angekündigt worden. Das konnte zunächst als Teilerfolg der Protestbewegung gelten, auch wenn dem Regime weitere Repressionsorgane wie die mehrheitlich ideologisch gestählten Milizen der Pasdaran (Revolutionswächter) zur Verfügung standen.

Auch dieses Zugeständnis zurückzunehmen, muss als Ausdruck der absoluten Kompromisslosigkeit des Regimes betrachtet werden. Ende Oktober forderte das Agieren der reinstallierten Sittenpolizei ein weiteres Todesopfer: Nach mehreren Wochen im Koma starb die 17jährige Armita Garawand in einer Teheraner Klinik. Sittenwächter hatten sie Menschenrechtlern zufolge angegriffen, weil sie kein Kopftuch trug.