Hamburger Marmorriesen
Energisch, atemlos, unerbittlich – vor allem sich selbst gegenüber: Die Songtexte von Kristof Schreuf zerfasern die Sprache, bis fast nur noch Verben übrigbleiben. Bereits der Einstieg in das Debütalbum »Heile Heile Boches« (1989) seiner Band Kolossale Jugend macht dies überdeutlich: »Leerblatt / Bohrt, brütet / Weichschlaf entdeckt nichts«.
Im Refrain wird der eigenen Getriebenheit weiter Ausdruck verliehen: »Ich gehe, zähle jeden Schritt.« Oder die notwendige Selbstbehauptung gegenüber den Umständen wird gleich substantiviert: »Kein Schulterklopfen« heißt die erste Single der Band von 1988, zugleich eine der ersten Vinylveröffentlichungen der Hamburger Plattenfirma L’Age d’Or.
Der vor einem Jahr verstorbene Schreuf beherrscht mit seiner schneidenden Stimme den Raum, während die Band mit treibendem Schlagzeug, angezerrtem Bass und dissonanten Gitarrenakkorden fast wie eine SST-Noiserockgruppe klingt.
Das Label Tapete hat nun ein limitiertes 3-LP-Boxset der Kolossalen Jugend herausgebracht, mit den beiden Alben der leider nur kurzlebigen Gruppe (1988–1991) sowie weiteren »Fundstücken«, bestehend aus Raritäten (wie der Debütsingle) und einem bisher unveröffentlichten Konzertmitschnitt aus dem legendären Musikclub »Forum Enger« von 1989.
Der vor einem Jahr verstorbene Schreuf beherrscht mit seiner schneidenden Stimme den Raum, während die Band mit treibendem Schlagzeug, angezerrtem Bass und dissonanten Gitarrenakkorden fast wie eine SST-Noiserockgruppe klingt. Ein eindrucksvoller Beleg dafür, dass Kolossale Jugend mit Pascal Fuhlbrügge, Klaus Meinhardt, Christoph Leich und eben Schreuf auch live eine Wucht waren.
Benannt hatten sie sich nach dem minimalistischen und antirockistischen Post-Punk-Klassiker »Colossal Youth« (1980) der Young Marble Giants. Doch Widersprüche auszudrücken und auszuhalten, gehörte zu den vornehmsten Charakteristika der Hamburger Szene, die von der Band maßgeblich geprägt wurde.
Kolossale Jugend: Heile Heile Boches / Leopard 2 / Fundstücke (Tapete Records)
