Ein oppositioneller Präsidentschaftskandidat im Tschad wurde getötet

Déby lässt wählen

Am 6. Mai soll im Tschad ein neuer Präsident gewählt werden. Ein oppositioneller Kandidat kam bereits bei einem Einsatz der Ordnungskräfte ums Leben.

Paris. Gleich von drei Staatsoberhäuptern kamen die freudigen Gratulationen, die am Montag aus der Sahel-Zone an den frisch wiedergewählten russischen Präsidenten Wladimir Putin übersandt wurden. Fast gleichzeitig schrieben ihm die Interimspräsidenten Assimi Goïta aus Mali, Abdourahamane Tchiani aus dem Niger und Mahamat Idriss Déby aus dem Tschad.

Alle drei stammen aus der Armee ihrer jeweiligen Länder, doch passt Déby eigentlich nicht so recht zu den beiden anderen Gratulanten. Mali und Niger sowie das zwischen beiden liegende Burkina Faso als drittes Mitglied der im September vorigen Jahres gegründeten Allianz der Sahel-Staaten gingen in den vergangenen Jahren auf Konfrontationskurs mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und näherten sich Russland an.

Hingegen gilt der Tschad, auf dessen Territorium seit 1986 französische Truppen stationiert sind und dessen Regime mehrfach, wie im Februar 2008 und im Februar 2019, durch französische Militäreinsätze vor auf die Hauptstadt N’Djamena anrückenden Rebellengruppen beschützt, ja gerettet worden ist, als frankreichfreundlich. Neben den stärker demokratisch regierten Staaten Senegal – das Land wählt am kommenden Sonntag einen neuen Präsidenten – und Côte d’Ivoire sowie den Autokratien der zentralafrikanischen Nachbarn Kamerun und Gabun zählt der oft mit blutigen Methoden regierte Tschad zu den am stärksten auf ihre ehemalige Kolonialmacht Frankreich orientierten afrikanischen Staaten.

»Le Monde« identifizierte den ungarischen Offizier im Tschad: den 32jährigen Gáspár Orbán, Sohn des Putin-freundlichen Ministerpräsidenten Ungarns, Viktor Orbán.

Doch der Machthaber im Tschad, Idriss Déby junior, der seinen seit Dezember 1990 bis zu seinem Tod im April 2021 regierenden Vater Idriss Déby Itno an der Spitze des Staats abgelöst hat, sichert sich nach mehreren Seiten ab. Es könnte ja sein, dass Frankreich ihm eines Tages doch die Unterstützung entzieht oder aber sich eine Russland wohlgesinnte Putschgruppe in seiner Armee herausbildet. Mahamat Idriss Déby traf am 24. Januar in Moskau mit Putin zusammen.

Außer auf das russische Regime baut Idriss Déby junior, um seine – bislang stark auf Frankreich ausgerichteten – auswärtigen Allianzen zu diversifizieren und dadurch seinen Spielraum zu erweitern, auch auf einen EU-Staat, dessen politische Führung, neben der slowakischen, eine der Putin-freundlichsten in der Union ist.

Am 25.Oktober vorigen Jahres hatte Ungarns Verteidigungsminister Kristóf Szalay-Bobrovniczky angekündigt, sein Land werde 200, später hieß es 400, Soldaten in den Tschad entsenden. Es gehe Ungarn dabei um den Kampf gegen illegale Migration. Die Operation sollte ursprünglich im Dezember 2023 beginnen, wurde jedoch mehrfach aufgeschoben und soll nun wohl im April beginnen; die den Nachrichtendiensten nahestehende französische Publikation Intelligence Online spricht von der Schwierigkeit, Offiziere für die als gefährlich betrachtete Operation im Tschad zu finden. Viele hätten abgelehnt.

Ein ungarischer Armeeoffizier hielt sich allerdings spätestens seit Herbst mehrfach im Tschad auf. Wenn Kameras zugegen waren, versuchte er, sein Gesicht zu verbergen; Le Monde gab jedoch in einem Artikel vom 26. Januar bekannt, es mit Gesichtserkennungsprogrammen identifiziert zu haben. Es handle sich um den Sohn des Ministerpräsidenten Viktor Orbán, den 32jährigen Gáspár Orbán. Auch das kleine Nato-Land strebt offenkundig, nach Russland, der Türkei und dem Iran, mehr Einfluss in der Region an.

Die Bevölkerung des Tschad wird nun für den 6. Mai zur Wahl gerufen. Dies gab die Wahlagentur Ange Ende Februar bekannt, ein Gremium, das von der herrschenden Militärjunta ins Leben gerufen worden war. Drei Tage später verkündete General Mahamat Idriss Déby seine Kandidatur. Vom Amt des Übergangspräsidenten, das er offiziell seit dem Tod seines Vaters im April 2021 ausübt, wobei er einem von der Armee gestellten Übergangsrat vorsteht, könnte er so mit mehr oder weniger demokratischer Legitimation zum dauerhaften Machthaber werden.

In einem Land wie dem Tschad dürften die Machthaber Wahlen gewiss »nicht organisieren, um sie zu verlieren«, wie sich dereinst der gabunische Staatspräsident Omar Bongo ausgedrückt hatte, der es verstand, sich trotz Wahlen fast 42 Jahre im Amt zu halten. Dennoch besteht ein Rest an Ungewissheit, denn der derzeitige Premierminister tritt als Gegenkandidat bei der Wahl an: Am 1. Januar hatte der in wenigen Tagen 40jährige Übergangspräsident einen früheren Oppositionsführer, Succès Masra, ins Amt berufen. Der gleichaltrige frühere Ökonom und Banker hatte 2018 die Partei Les Transformateurs gegründet und hat nun auch seine Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl angekündigt.

Abgesehen von der offenen Frage, wie frei, geheim und fair diese ausfallen wird, steht ihm allerdings ein wichtiges Hindernis im Wege: Auch wenn die tatsächliche Macht nicht in Masras Händen liegt, zieht er als Regierungsoberhaupt bereits den Unmut und die Frustration bisheriger Opponenten und Kritiker auf sich.

Einen weiteren Unsicherheitsfaktor hat das Regime bereits ausgeschaltet. In der Nacht vom 28. zum 29. Februar, wenige Stunden nach der Verkündung des Wahltermins, starb der Oppositionspolitiker Yaya Dillo bei einem Angriff starker Ordnungs- und Militärkräfte auf seinen Wohnsitz.

Dillo, ein Neffe des früheren und Cousin des jetzigen Präsidenten aus dem Déby-Clan, hatte eine Partei unter dem klangvollen Namen »Sozialistische Partei ohne Grenzen« gegründet. Bereits die Ankündigung seiner Kandidatur zur vorigen Präsidentschaftswahl im April 2021 hatte seinen Onkel Idriss Déby auf die Palme gebracht, der nach offiziellen Angaben die Wahl haushoch gewann, die Verkündung des Ergebnisses allerdings nicht mehr erlebte.

Bei einem Angriff von Sicherheitskräften auf Dillos Haus waren damals, am 28. Februar 2021, seine Mutter und einer seiner Söhne getötet worden. Drei Jahre später hat es nun also auch ihn getroffen. Am 1. März wurde auch noch der Sitz der von Dillo gegründeten Partei demoliert und mit Baggern abgetragen – wohl um wirklich auf Nummer sicher zu gehen. Premierminister Succès Masra kündigte eine »internationale Untersuchung« des Todesfalls an. Versprechen kann er das ja.