Macht, Manipulation und die feinen Unterschiede: Emma Clines »Die Einladung«

Makellos gestrandet

Wie schon in Emma Clines gefeiertem Debütroman »The Girls« geht es auch in ihrem nun erschienenem zweiten Roman »Die Einladung« um Abhängigkeit, Berechnung und Manipulation in einer asymmetrischen Beziehungskonstellation.
Buchkritik Von

Wer Emma Clines genialen Debütroman »The Girls« (2016) über eine weibliche Pubertät im Bann der Manson-Sekte im kalifornischen Sommer 1969 gelesen hat, wusste, dass er alle kommenden Bücher der US-amerikanischen Autorin lesen würde. In Clines nun erschienenem zweiten Roman »Die Einladung« (»The Guest«, 2023) geht es wie in »The Girls« um Abhängigkeit, Berechnung und Manipulation in einer asymmetrischen Beziehungskonstellation.

Alex hat einen Plan: Sie wird am Wochenende überraschend auf seiner Gartenparty auftauchen, sie wird absolut umwerfend aussehen und den Enttäuschten um den Finger wickeln.

Das Escort-Girl Alex hat es von der Stadt in ein Anwesen in den Hamptons geschafft. Einen Sommer lang führt sie an der Seite eines vermögenden älteren Kunsthändlers ein sorgenloses Leben im Luxus: Schwimmen im Pool, Partys in spektakulären Locations, teure Klamotten und exklusive Restaurants.

So soll es immer weitergehen, aber dann lässt Alex sich auf einen Fremdflirt ein, wird beobachtet und von Simon vor die Tür gesetzt. Dumm gelaufen zwar, aber Alex hat sofort einen Plan. Sie wird am Wochenende überraschend auf seiner Gartenparty auftauchen, sie wird absolut umwerfend aussehen und den Enttäuschten um den Finger wickeln. Was sie nicht mitbekommen hat: Simon hat nur auf einen Anlass gewartet, das aus seiner Sicht unpassende Verhältnis zu beenden.

Emma Cline wuchs in Kalifornien auf. Für ihr schriftstellerisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Plimpton Prize for Fiction der Paris Review

Emma Cline wuchs in Kalifornien auf. Für ihr schriftstellerisches Schaffen wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Plimpton Prize for Fiction der Paris Review

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picture alliance / dpa | Jussi Nukari

In einer unvergleichlich schwerelosen Sprache, in der sich künftiges Unglück ganz subtil andeutet, erzählt Cline davon, wie sich die mittel- und obdachlose Frau sieben Tage lang durch das Reservat der Reichen schnorrt, sich chamäleonartig unter die rich kids, Kindermädchen und Hausmeister mischt, sich verstellt und lügt, um bis zum erhofften Wiedereinzug in die Villa durchzukommen und vor allem ihren makellosen, frischen Look zu bewahren.

Auch wenn der Plot eine gewisse Verwandtschaft zur Seifenoper hat, schafft Cline es in ihrem zweiten Roman erneut, die Abgründigkeit und Vulnerabilität der Jugend einzufangen und aufzuzeigen, woran Eman­zipation scheitert.


Buchcover

Emma Cline: Die Einladung. Aus dem amerikanischen Englisch von Monika Baark. Hanser, München 2023, 320 Seiten 26 Euro