Mittwoch, 15.05.2024 / 22:38 Uhr

Kuwait: Parlament aufgelöst

Von
Gastbeitrag von Hossam Sadek

Parlamentsgebäude in Kuwait, Bild: Arab Center Washington DC

Nach Auseinandersetzungen zwischen der Exekutive und der Legislative hat der Emir von Kuwait, Scheich Mishal Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah, das Parlament aufgelöst und einige Artikel der Verfassung für einen Zeitraum von höchstens vier Jahren ausgesetzt.

 

In einer Rede im kuwaitischen Fernsehen erklärte das Königshaus, es »werde niemals zulassen, dass die Demokratie ausgenutzt wird, um den Staat zu zerstören« und fügte hinzu, die kuwaitische Verfassung sehe vor, dass Änderungen und ihre Bestimmungen nach fünf Jahren überprüft werden könnten.

»Um das Ziel zu erreichen, den Niedergang [des Staates] zu stoppen und zu verhindern, dass wir das Stadium des Zusammenbruchs erreichen, haben wir daher Folgendes angeordnet: Die Auflösung der Nationalversammlung [Parlament] und die Aussetzung einiger Artikel der Verfassung für einen Zeitraum von höchstens vier Jahren.« In diesen Zeitraum »würden alle Aspekte des demokratischen Prozesses untersucht und uns die Ergebnisse der Untersuchung und Überprüfung vorgelegt werden, damit wir die uns angemessen erscheinenden Maßnahmen ergreifen können.«

Seine Entscheidungen begründete Scheich Al-Sabah mit der »Einmischung« einiger Vertreter der Nationalversammlung in die Befugnisse des Emirs und der Auferlegung von »Bedingungen« für die Regierungsbildung durch andere. »Wir sind mit Schwierigkeiten und Hindernissen konfrontiert worden, die nicht toleriert werden und zu denen wir nicht schweigen können. Wir stellen fest, dass einige Leute soweit gehen, sich in die Befugnisse des Prinzen und seine Wahl des Kronprinzen einzumischen, wobei sie vergessen, dass dies ein ausdrückliches verfassungsmäßiges Recht des Prinzen ist.«

Von Krisen geprägt

Kuwait erlebt seit Jahren immer wieder Krisen, die auf anhaltende Auseinandersetzungen und Konflikte zwischen den vom Emir ernannten Regierungen und den direkt gewählten Parlamenten zurückzuführen sind. Laut Reuters haben diese Auseinandersetzungen die wirtschaftlichen Reformbemühungen und dringend notwendige Entwicklungsprojekte stark behindert.

Erst am 4. April war in Kuwait ein neues Parlament gewählt worden, das vierte seit Dezember 2020. Die Wahlen brachten nur begrenzte Veränderungen mit sich: Von den fünfzig zu wählenden Mitgliedern wurden nur elf neu bestimmt, wobei die Opposition ihre Mehrheit im Rat behielt, was auf ein anhaltendes politisches Patt hindeutet. Die jüngste Ankündigung des Emirs, einige Artikel der Verfassung auszusetzen, ist der dritte solche Schritt in der Geschichte des Landes. Eine ähnliche Maßnahme wurde zum ersten Mal 1976 während der Herrschaft von Scheich Sabah Al-Salem Al-Sabah getroffen und erneut 1986 während jener von Scheich Jaber Al-Ahmad Al-Jaber Al-Sabah.

Dem Verfassungsexperten Muhammad Al-Faili zufolge dauerte die Aussetzung einiger Artikel der Verfassung 1976 und 1986 ebenfalls vier Jahre lang; in beiden vorangegangenen Fällen wurde die 1962 erlassene Verfassung später wieder in Kraft gesetzt.

Michael Herb, Professor für Politikwissenschaft an der Universität von Georgia, meinte, die Aussetzung der Nationalversammlung sei ein schwerer Rückschlag für die Demokratie im Nahen Osten. Allerdings bestehe »immer noch Hoffnung, dass das Land einen antiautoritären Weg einschlagen wird, denn nach den beiden vorangegangenen Aussetzungen wurde das Parlament ja schließlich auch wieder eingesetzt«.

Rückkehr zum parlamentarischen Status?

Der kuwaitische Politologe Ayed Al-Manna wiederum erklärte, die Entscheidung ziele darauf ab, »den Zustand der Instabilität im politischen Leben zu beenden, da die Situation eine Pause zur Überprüfung und Korrektur erfordert«. Al-Manna erwartet eine Rückkehr zum parlamentarischen Status, aber mit »einer disziplinierteren Verfassungsformel, die es den beiden Gewalten [Regierung und Parlament] ermöglicht, zusammenzuarbeiten, ohne sich in die Befugnisse und Angelegenheiten der anderen einzumischen«.

Der kuwaitische Politologe verwies auf die früheren Erfahrungen des Landes mit der Auflösung des Parlaments und der Aussetzung einiger Verfassungsartikel. Dabei betonte er, dass die gesetzgebende Institution nach dem Ende der Aussetzungsperiode zum ersten Mal 1976 und nach der Aussetzung 1986 ihre volle Tätigkeit wieder aufgenommen habe. Die parlamentarische Erfahrung des Landes müsse »geläutert werden, damit Kuwait zu einem besseren Zustand als dem Bestehenden zurückkehrt«, so Al-Manna, der überzeugt ist, dass die politische Führung »das parlamentarische Leben und die Verfassungsstruktur nicht endgültig opfern wird«.

 

Beitrag zuerst erschienen auf Mena-Watch