Ein neues feministisches Berliner Bündnis kritisiert die Entsolidarisierung mit jüdischen Opfern

Glaubt israelischen Frauen

Die jüdischen und israelischen Opfer der Hamas erfahren kaum feministische Solidarität. Ein neu gegründetes Bündnis nahm dies am 8. März zum Anlass, an diese zu erinnern.

»Vor Oktober letzten Jahres hätten wir es nicht für denkbar gehalten«, so die feministische und antisemitismuskritische Gruppe Vitka, »dass gewisse feministische Mindestforderungen einfach so über Bord geworfen werden würden.« Es ist der 8. März in Berlin, der erste Frauenkampftag nach dem Massaker der Hamas am 7. Oktober.

Noch immer befinden sich irgendwo im Gaza-Streifen mindestens 19 Frauen in Gefangenschaft der islamistischen Terrorgruppe – wenn sie denn noch am Leben sind. Ständig erscheinen neue Berichte über die sexuelle Gewalt der Hamas. Trotz der feministischen Mindestforderung, an der Seite von Opfern sexueller Gewalt zu stehen, schweigen, leugnen oder relativieren feministische Organisationen, Gruppen und Aktivistinnen diese noch immer . »Genau wegen dieser Empathielosigkeit, der fehlenden Solidarität und der Verklärung des antisemitischen Terrors als Befreiungskampf sind wir heute hier«, betonte Vitka an diesem 8. März.

Die mangelnde Solidarität mit den israelischen Opfern ist eine Enttäuschung für viele jüdische und israelsolidarische Feministinnen und ein Schlag ins Gesicht der Opfer.

Die mangelnde Solidarität mit den israelischen Opfern ist eine Enttäuschung für viele jüdische und israelsolidarische Feministinnen und ein Schlag ins Gesicht der Opfer. Seit dem 7. Oktober beweist sich immer wieder, dass die feministische Maxime »Glaube den Opfern!« Jüdinnen ausschließt. Das neu gegründete (queer)feministische Berliner Bündnis Feminism Unlimited, das sich explizit gegen Antisemitismus und Islamismus positioniert, rief deshalb am 8. März zu einer Demonstration unter dem Motto »Für universelle feministische Solidarität. Gegen selektiven Feminismus« nach Berlin-Friedrichshain auf, um eine zen­trale Forderung laut zu machen: »Believe Israeli women« (glaubt israelischen Frauen). Rund 10.000 Menschen folgten an diesem Tag dem Aufruf des Bündnisses.

»Absolute Bankrotterklärung des Feminismus«

In seinem Selbstverständnis kritisiert das Bündnis, dass Teile der feministischen Linken sich der patriarchal-faschistischen Ideologie des Islamismus anbiedern und eine Auseinandersetzung mit Antisemitismus verweigert werde. »Frauen waren nicht zufällig, weil sie eben da waren, Opfer des Po­groms des 7. Oktober, sondern weil sie ein besonderes Feindbild in der verschränkten antisemitischen und misogynen Ideologie der Islamisten darstellen«, betonte die Gruppe Vitka in ihrer Rede.

Die »Entsolidarisierung mit den Opfern« sei eine »absolute Bankrotterklärung des Feminismus«, brachte es die Journalistin Sharon Adler in ihrer Rede zur Auftaktkundgebung auf den Punkt. Die Teilnehmerinnen der Demonstration dankten es ihr mit Applaus. »Die anderen Frauenkampfdemons­trationen benennen kein einziges Mal die sexualisierte Gewalt am 7. Oktober 2023 in ihren Aufrufen«, betonte eine junge Frau, die an der Demonstration von Feminism Unlimited teilnahm, im Gespräch mit der Jungle World wütend. Auf den vielen Schildern, die an diesem Tag zu sehen waren, stand: »Rape is not resistance« (Vergewaltigung ist kein Widerstand). Auf einem anderen war zu lesen: »Feminist solidarity against antisemitism« (Feministische Solidarität gegen Antisemitismus). Es waren Regenbogenfahnen mit Davidstern zu sehen. Teilnehmende verteilten ein Heft, das über Antisemitismus an der Universität der Künste in Berlin informiert.

Hengameh Yaghoobifarah, Redaktionsmitglied des Missy Magazine, betonte bei der Zwischenkundgebung, es sei eine »neue Qualität der selektiven Empathie«, sich eher mit den Tätern als mit den betroffenen Frauen und Mädchen zu solidarisieren. Yaghoobifarah bemängelte das Abkanzeln einer antideutschen Kritik an postmodernen Standpunkten, die sich beispielsweise in der pauschalen Darstellung von Jüdinnen und Juden als »weiße Subjekte« äußere. Es war ein Beitrag, den man auf einer queerfeministischen Demonstration nicht erwartet hätte, er wurde mit lautem Zwischenapplaus belohnt.

Falsches Verständnis von Antisemitismus

Die Islamwissenschaftlerin und Journalistin Amina Aziz begann ihre Rede mit einem kämpferischen »Jin, Jiyan, Azadî« (Frau, Leben, Freiheit). Nachdem sie auf die katastrophalen Lebensbedingungen für LGBT-Personen in islamischen Ländern aufmerksam gemacht hatte, wendete sie sich kritisch an ihre Zuhörerinnen: »Ich möchte insbesondere Linken ans Herz legen, zu schauen, welche Werte man vertritt.« Diese sollte man »auch uneingeschränkt bei migrantischen Communitys gelten« lassen, so Aziz, »ohne dabei in Überheblichkeit oder gar Rassismus zu fallen«.

Das neu gegründete Bündnis ergänzt eine emanzipatorische Kritik, die jahrelang fehlte und deren Notwendigkeit der 7. Oktober und die Reaktionen auf diesen eklatant unter Beweis stellten. In queerfeministischen Kreisen dominierte lange ein falsches Verständnis von Antisemitismus, das ihn schlicht als Unterkategorie des Rassismus einstufte und damit selbst ein Einfallstor für antisemitische Ressentiments bot.

Bei anderen Demonstrationen an diesem Tag, in Leizpig etwa oder in München, erwies sich, dass nach wie vor über sexuelle Gewalt hinweggesehen wird, wenn es die antikoloniale Sichtweise zu erfordern scheint.

Dass es aus diesem Dilemma keinen Ausweg gebe, konnte die positive Erfahrung einer antisemitismuskritischen Frauenkampftagsdemonstration ansatzweise widerlegen. Dennoch bleibt es ein langer Weg. Denn bei anderen Demonstrationen an diesem Tag erwies sich, dass nach wie vor über sexuelle Gewalt hinweggesehen wird, wenn es die antikoloniale Sichtweise zu erfordern scheint.

Auf der queerfeministischen Demonstration in Leipzig beispielsweise wurde in einem Redebeitrag der Mord an 278 Frauen am 7. Oktober erneut als »bewaffneter Widerstand« legitimiert. Femizide als Widerstand zu bezeichnen, ist alles andere als feministisch.

»Ihr repräsentiert den zionistischen Siedlungskolonialismus«

Und in München bedrängten israelfeindliche Teilnehmer der »Internationalen Frauen*Kampftag«-Demonstration solche, die der israelischen Opfer gedenken wollten, und schlossen diese schließlich aus der Veranstaltung aus. Eine Frau mit Ordner-Binde hetzte einer jüdischen Augenzeugin zufolge: »Ihr habt hier nichts zu suchen. Ihr repräsentiert den zionistischen Siedlungskolonialismus.« Sie könne den Ausschluss bestimmen, da sie Teil des Organisationsteams sei. Dabei war die Teilnahme sogar vorher abgesprochen – solange keine Israelflaggen geschwenkt werden.

Palästinensische Flaggen hingegen waren auf der Demonstration erlaubt. Die antizionistischen Gruppen Klasse gegen Klasse, Palästina Spricht und Queer Resistance feierten den Ausschluss jüdischer und ihnen solidarischer Menschen im Nachhinein sogar noch als Erfolg.