Lob der Sommerpause

Gelobt sei die Pause

Gemeinhin gilt die Parlamentarische Sommerpause als tote Zeit für den innenpolitischen Betrieb. Dabei ist dies die schönste und interessanteste Zeit des Jahres.

Herrschaft der Kaninchen

Eine der ewigen Fragen des Journalismus lautet: Warum passiert eigentlich immer genau so viel, wie in die Zeitung passt? An dieser Stelle sei verraten, dass Insider munkeln, dem sei gar nicht so und vor allem in Lokalredaktionen laute vielmehr ein gängiger Satz: »Ham wa nicht noch ’ne Anzeige da?« Einen besonders schlechten Ruf genießt unter Journalisten ausgerechnet die schönste Zeit des Jahres. Spätestens wenn sich das Parlament in die Ferien verabschiedet und das Regierungsviertel in Berlin ganz allein den Kaninchen in den Grünanlagen gehört, beginnt in den Inlandsressorts das große Wehklagen.
Dabei sollte man doch lieber befreit aufatmen. In diesen Wochen ist nicht mit Aufträgen zu rechnen, sich doch bitte etwas Originelles zum Zitat von Politikerin X oder den Vorgängen in Partei Y aus dem Hirn zu klauben. Zudem lässt sich Geld mit der Themennot der Redaktionen verdienen. Es ist die ideale Jahreszeit, um Schubladenware unter die Leute zu bringen. Man kann sich natürlich auch einfach einmal über die temporäre Arbeitslosigkeit freuen und einige Tage Urlaub machen oder sich wenigstens in den Park legen. Und überhaupt sollte man dankbar sein, dass es einem nicht ergeht wie den Kollegen in den Auslandsredaktionen. Ich für meinen Teil jedenfalls wäre dieser Tage froh, beim Einschalten des Radios oder dem Blick in die Zeitung irgendetwas von Sommerloch zu spüren.

Svenna Triebler

 

Für die sofortige Einführung der Winterpause!

Für normale Zeitungsleser ist die alltägliche parlamentarische Arbeit völlig undurchschaubar und langweilig. Sie scheint daraus zu bestehen, dass griesgrämige Menschen in mäßig sitzenden Anzügen von Konferenz zu Konferenz hasten, während Sigmar Gabriel ihre Arbeit nahezu live und stets missgünstig in die nächste Kamera kommentiert. Die Folgen dieses parlamentarischen Betriebs sind im Leben des normalen Zeitungslesers kaum zu spüren. Manchmal bekommt man einen Brief, dass ab sofort irgendeine neue Abgabe zu zahlen ist. Manchmal bekommt man sogar Steuerrückzahlungen. Der Lieblingskäse verschwindet wegen plötzlich verbotener Farbstoffe aus den Regalen, dafür wollen lautstarke Handwerker eine bessere Wärmeisolierung und Rauchmelder in der Wohnung anbringen.
Aber was geschieht in der Sommerpause? Lauter hochinteressante Dinge ereignen sich, die ansonsten anscheinend von irgendwelchen Mächten irgendwie gedeckelt werden. Plötzlich setzt das deutsche Fußballteam alle Regeln der Logik außer Kraft und siegt 7:1 gegen Brasilien. Plötzlich muss man nur den Fernseher einschalten, um brave Radfahrer durch Frankreich jagen zu sehen. Plötzlich »ist Bayreuth« – was immer das heißen mag – und Angela Merkel zeigt ihr einziges Kleid mit Ausschnitt. Sogar der Mond scheint plötzlich viel größer zu sein als sonst. Eine Zeit voller Wunder ist sie also, diese parlamentarische Sommerpause. Was würde passieren, wenn auch weitere Pausen eingeführt würden? Im Winter sickerte immerhin ein Bild von Frau Merkel auf Langlaufskiern durch, und Michael Schumacher fuhr sich ebenfalls auf Skiern ins Koma. Was wird dem normalen Zeitungsleser noch verschwiegen? Ist der Pluto vielleicht doch ein Planet? Und bewohnt? Und wer hat eigentlich diesen erstaunlich lebensechten Roboter namens »Sigmar Gabriel« programmiert? Schafft zwei, drei, viele parlamentarische Pausen!

Knud Kohr

 

Eingeschränktes Lob

Journalisten sind Journalisten, weil sie keine Schriftsteller sind. Immerzu müssen sie irgendwas woanders abschreiben und kommentieren, selbst fällt ihnen nicht so viel ein. Kein Wunder, dass das Gejammer groß ist, wenn die Politik mal Pause macht. Mal was Eigenes auszubuddeln, ist nicht Sache des Politikjournalisten. Für die Menschen in Deutschland ist die parlamentarische Sommerpause nun einerseits ein Segen: Die Politik fährt nach Hause in den Wahlkreis. Sie bringt Marzipanbärchen als Geschenke aus der Hauptstadt mit, spricht gütig mit den ihr Anvertrauten, löst ihre Probleme, kurbelt die heimische Wirtschaft und Gastronomie an und winkt aus dem Auto.
Alles schön und gut. Die Sommerpause hat andererseits eine ganz schwere Macke. Und die heißt »vor«. Denn »vor der Sommerpause« ist immer die Schweinewoche. Da werden noch ganz schnell die echt miesen Sachen durchgeboxt. »Noch vor der Sommerpause werden wir die Sanktionen gegen die Arbeitslosen verschärfen.« »Fracking soll noch vor der Sommerpause Gesetz werden.« »Noch vor der Sommerpause werden die Garantiezinssätze für Lebensversicherungen sinken.« Sommerpause – schön, wenn man eine hat. Und schön wär’s, wenn Politik und Presse schon vor der Sommerpause Sommerpause machten.

Jürgen Kiontke

 

Ssssssommerloch

Was entgeht der Aufmerksamkeit im alltäglichen Trubel? Was wird übersehen? Erst während der parlamentarischen Sommerpause merkt man, was man sonst so verpasst: +++ Betrunkener sitzt in Baumkrone fest +++ Betrunkener schläft nach Irrfahrt am Steuer ein +++ Betrunkener Autofahrer kann fahren – aber nicht stehen +++ Betrunkener Rentner verfehlt Einfahrt zur Garage +++ Betrunkener mit Auto in Bank gerast +++ Betrunkener landet mit Auto im Fluss +++ Betrunkener Kapitän mit Güterschiff gestoppt +++ Betrunkene 74jährige im Elektrorollstuhl gestoppt +++ Betrunkene will mit Rangierlok nach Hause fahren +++ Betrunkener Rollerfahrer fährt zur Polizei +++ Betrunkener Autofahrer rammt Polizeifahrzeug +++ Betrunkene Autofahrer rempeln auf Parkplatz aneinander +++ Ohne Vorderreifen auf der Autobahn – aber mit zwei Promille +++ Betrunkener kracht mit 2,08 Promille in Rettungswagen +++ LKW-Fahrer mit 2,35 Promille auf Bundesstraße gestoppt +++ 2,5 Promille – Alkoholisierter Autofahrer rammt parkenden PKW +++ 2,73 Promille – Betrunkene Fahrerin kippt samt Auto um +++ Orientierungslose Autofahrerin mit fast drei Promille gestoppt +++ Frau saß mit drei Promille mitten auf der Straße +++ Mit mehr als drei Promille Pferdetransporter gesteuert +++ Fahrer mit 3,1 Promille kippt mit LKW um +++ Autofahrer fährt mit knapp 3,5 Promille, Bierkästen im Kofferraum und offener Heckklappe +++ Frau fährt mit 3,51 Promille gegen Straßenlaterne +++ Autofahrerin mit fast vier Promille und vier Kindern unterwegs +++ Traktorfahrer mit 4,2 Promille gestoppt +++ Frau stürzt mit 4,44 Promille gegen Bahn-Automaten +++ Polizei nimmt Mann mit 4,46 Promille mit +++ Schwarzfahrer mit 4,7 Promille unterwegs +++ Autofahrer verursacht Unfall mit fast fünf Promille +++ Rollerfahrer mit 5,2 Promille ohne Führerschein +++ Mann mit 5,52 Promille aufgegriffen +++ Wodka am Mittag – Kinder torkeln durch die Stadt +++

Regina Stötzel (mit Material diverser ­Agenturen)

 

Nichts geht mehr

Auch Linke stellen taktische Überlegungen an, wenn es um die Bundestagswahl und die Regierungsbildung geht. Manchen erscheint eine Große Koalition dann als kleinstes Übel, denn, so die Theorie, in einer solchen Regierungskoalition bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die beiden Parteien sich eher gegenseitig blockieren als gemeinsam große Dinge in Angriff zu nehmen. Und solange sich die Regierung selbst blockiert, könne es zumindest nicht schlechter werden, so die Annahme. Diese wurde allerdings mittlerweile von drei Großen Koalitionen widerlegt, die recht rege und tatkräftig kleine, mittelgroße und große Übel zu Gesetzen machten. In dieser Hinsicht sollte man also die Hoffnung auf den Stillstand fahren lassen, der zumindest die Verschlechterung verhindern soll. Und überhaupt: Was nützt die Hoffnung? Man braucht Dinge, auf die Verlass ist – etwas wie die parlamen­tarische Sommerpause eben. Einmal im Jahr bricht sie an, allein die Erwähnung ihrer Dauer verströmt etwas durchweg Entspannendes: »Die parlamentarische Sommerpause dauert in der Regel zwei Monate, von Juli bis August. In dieser Zeit finden im Deutschen Bundestag keine Sitzungen statt.« Zwei Monate – eine Zeit, in der keine weitere Gängelung der Arbeitslosen und keine Verschärfung des Asylrechts beschlossen wird. Und auch sonst nichts. Ein Hoch also auf die parlamentarische Sommerpause – denn besser als nichts wird es nicht.

Markus Ströhlein