Die AfD-Spitzenkandidaten bei der Europawahl sollen Geld von prorussischen Politikern erhalten haben

Gelbe Scheine aus Moskau?

Dem AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, wird vorgeworfen, er habe Geld von kremlnahen Politikern erhalten. Kontakte zu diesen pflegte er seit Jahren. Zudem ist einer von Krahs Assistenten wegen des Verdachts der Spionage für China festgenommen worden.

U-Haft statt Wahlkampf: Wenige Monate vor der anstehenden Europawahl im Juni wurde Jian G., Mitarbeiter des Spitzenkandidaten der Partei »Alternative für Deutschland« (AfD), Maximilian Krah, in Dresden festgenommen. Die Generalbundesanwaltschaft wirft dem deutschen Staatsangehörigen vor, Informationen aus dem EU-Parlament an einen chinesischen Geheimdienst weitergegeben zu haben. Außerdem steht er im Verdacht, chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespäht zu haben. Auf Krahs offizieller Website als Abgeordneter des EU-Parlaments wird Jian G. als akkreditierter Assistent aufgeführt.

Der US-Regierung zufolge hätten Krahs ukrainische Kontakt­personen im Falle eines russischen Siegs die Besatzungsregierung in Kiew leiten sollen.

Krah gab sich überrascht. Von der Festnahme habe er aus der Presse erfahren. »Spionagetätigkeit für einen fremden Staat« sei eine schwerwiegende Anschuldigung. Sollten sich die Vorwürfe als wahr erweisen, »würde dies die ­sofortige Beendigung des Dienstverhältnisses nach sich ziehen«, so Krah.

Die AfD will sich im Wahlkampf als »Friedenspartei« profilieren, eines ihrer Wahlplakate zeigt eine weiße Taube mit dem Slogan: »Frieden schützen!« Gemeint ist damit eine Annäherung an Russland, die Aufhebung aller gegen das Land gerichteten Sanktionen, das Ende der militärischen Unterstützung der Ukraine und eine außenpolitische Abkehr von den USA – bei gleichzeitiger Aufrüstung der Bundeswehr und Wiedereinführung der Wehrpflicht. Krah träumt davon, Europa als eine der Großmächte in der kommenden »Multipolarität« der Weltordnung gegen die USA zu positionieren. Schon seit Jahren wird er, selbst in der eigenen Partei, für seine Verteidigung der autoritären Regime in Russland und China kritisiert.

Als Spitzenkandidat will Krah nicht zurücktreten. »Trump zeigt, wie man koordinierte Angriffe von Presse, Geheimdiensten und Teilen der Justiz übersteht«, twitterte er nur Tage nach der Festnahme seines Mitarbeiters. Doch der Druck auf Krah nimmt zu: Ende April leitete die Generalstaatsanwaltschaft Dresden gegen ihn zwei Vorermittlungsverfahren wegen angeblicher Zahlungen aus prorussischen sowie chinesischen Quellen ein.

Krah vom FBI vernommen

Grundlage für die Ermittlungen sind Berichte, dass Krah 2023 bei der Einreise in die USA vom FBI vernommen wurde, unter anderem, weil er eine vierstellige Summe Bargeld mit sich führte. Spiegel und ZDF zufolge sollen die US-Beamten ihn dabei nach Chat-Nachrichten aus dem Jahr 2020 gefragt haben, in denen der damalige ukrainische Abgeordnete Oleg Wolo­schyn, der heute in Russland lebt, an Krah geschrieben hatte, dass das Pro­blem mit den »Kompensationen« gelöst sei.

Woloschyn, mit dem Krah seit mehreren Jahren Kontakt pflegt, gehörte bis 2022 der Parlamentsfraktion des ukrainischen Oligarchen Wiktor Medwedtschuk an. Medwedtschuk setzte sich gegen die Westorientierung der Ukraine ein und wurde 2021 in der Ukraine aufgrund seiner Zusammenarbeit mit der russischen Regierung wegen Hochverrat angeklagt und unter Hausarrest gestellt.

Wenige Wochen vor dem breitangelegten russischen Einmarsch in die Ukraine im Februar 2022 verhängten die USA Sanktionen gegen Woloschyn, weil er und der bereits seit Jahren sanktionierte Medwedtschuk von Russland zur Vorbereitung und Übernahme des ­zukünftigen Besatzungsregimes in der Ukraine rekrutiert worden seien. Im Falle eines russischen Siegs hätten demnach Krahs alte Bekannte die Besatzungsregierung in Kiew leiten sollen. Im September 2022 wurde der kurz nach der Invasion untergetauchte und wenig später wieder festgenommene Medwedtschuk bei einem Gefangenenaustausch nach Russland ausgeliefert, Woloschyn hatte die Ukraine wenige Tage vor der Invasion verlassen.

Bystron soll Geld aus ukrainischen Pro-Putin-Kreisen bekommen haben

Krah hatte Medwedtschuk vor 2022 mehrmals persönlich getroffen und ihn unter anderem 2021 in seinem wegen der Anklage des Hochverrats verhängten Hausarrest in Kiew besucht. Den Parteivorsitzenden der AfD, Alice Weidel und Tino Chrupalla, soll Krah versichert haben, in diesem Zusammenhang keinerlei persönliche Zahlungen erhalten zu haben. »Wir werden klare Konsequenzen ziehen, wenn sich diese Dinge gegen den Herrn Krah bestätigen«, sagte Chrupalla in der ZDF-Sendung »Maybrit Illner«.

Die Vorwürfe gegen Krah sind aber nicht das einzige Problem der AfD im derzeitigen Europawahlkampf. Denn auch der Nummer zwei auf der Wahlliste, dem Bundestagsabgeordneten Petr Bystron, wird vom tschechischen Geheimdienst BIS vorgeworfen, Gelder aus dem Umfeld von Medwedtschuk erhalten zu haben. Bystron hatte Krah 2021 bei seinem Besuch bei Medwed­tschuk in Kiew begleitet.

»Kurz nach seinem eindeutigen Debattensieg über den linken Journalisten Thilo Jung läßt man gegen Maximilian Krah einen Spionageskandal hoch­gehen«, raunte Martin Sellner.

Geflossen sein soll das Geld über das von Medwedtschuk finanzierte Medienportal Voice of Europe, das in zahlreichen Sprachen prorussische Artikel und Videos verbreitete, darunter auch Interviews mit Krah und Bystron. Seinen Sitz hatte das Unternehmen zuletzt in Prag, bis die tschechische Regierung im März Sanktionen gegen die Betreiber verhängte. Bis zu eine Million Euro soll über das Unternehmen an putinfreundliche Politiker gezahlt worden sein.

Tschechischen Parlamentariern wurde eine Tonaufnahme einer mutmaßlichen Geldübergabe an Bystron vorgespielt, wobei dieser sich unter anderem beschwert haben soll, dass 200-Euro-Scheine schwer zu wechseln seien. Bystron sprach von »manipu­lativen Anwürfen ausländischer Geheimdienste«.

Den beiden Spitzenkandidaten springen prominente Fürsprecher bei. »Wenn es sich anfühlt und liest wie eine politische Kampagne und Einmischung in Wahlen, dann ist es wahrscheinlich auch so«, schrieb Max Otte, der ehemalige Bundesvorsitzende des Vereins Werteunion, auf X. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, Björn Höcke, sprach von einer »Schmutzkampagne« staatlich finanzierter NGOs und westlicher Geheimdienste. In einem Beitrag auf dem Blog der Sezession raunt Martin Sellner: »Kurz nach seinem eindeutigen Debattensieg über den linken Journalisten Thilo Jung läßt man gegen Maximilian Krah einen Spionageskandal hoch­gehen.«

AfD als unpatriotisch bezeichnet

Der neurechte Verleger Götz Kubi­tschek bezeichnete die Ermittlungen ebenfalls als Machenschaft einer Verschwörung gegen die AfD, der auch der derzeit in Halle/Saale stattfindende Gerichtsprozess gegen Björn Höcke anzulasten sei. Höcke ist angeklagt, weil er die verbotene Losung der SA »Alles für Deutschland« verwendet hat. Das Ansinnen des von Kubitschek insinuierten Komplotts sei es, »die einzige Opposition in Deutschland an der Machtbeteiligung zu hindern«. Dazu würden »immer wieder dieselben Politiker vom Gegner markiert: Höcke und Krah«. Kubitschek fordert die Partei dringlich auf, sich nicht spalten zu lassen, sondern an Höcke und Krah festzuhalten. Beide sind Vertreter der extremsten ostdeutschen AfD-Landesverbände Thüringen beziehungsweise Sachsen und gehören zu Kubi­tscheks engerem Umfeld.

Bislang scheint die Parteiführung unschlüssig, wie sie reagieren soll. Krah bleibt zwar Spitzenkandidat, doch er nahm nicht wie geplant an der Auftaktveranstaltung des Europawahlkampfes in Baden-Württemberg teil. Medienberichten zufolge will die Partei in den kommenden Wochen versuchen, Krah von der medialen Öffentlichkeit fernzuhalten.

Konservative und sozialdemokratische Politiker nutzen die Enthüllungen derweil, um die AfD als unpatriotisch zu bezeichnen. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) sagte beispielsweise: »Wer spioniert, wer sich bestechen lässt, schadet Deutschland, verrät die Menschen und unser Land.« Auch der Spiegel titelte mit »Die Landesverräter«, die Junge Union griff auf X bezüglich Krah gleich zu einer Nazi-Vokabel und fragte »Volksverräter?«.

Doch erscheint zweifelhaft, ob diese Rhetorik beim harten Kern der AfD-Wähler, die ohnehin an eine Verschwörung von Regierung und Geheimdiensten gegen ihre Partei glauben, so viel Eindruck macht, wie es sich die wackeren Vaterlandsverteidiger erhoffen. Denn für das nationalpazifistische Wählermilieu der AfD sind gute Kontakte nach China oder Russland keineswegs su­spekt. Ganz im Gegenteil.