Erstarkender Antisemitismus - Innenansichten aus der polnischen Linken

Neue Parolen in Polen

Disko Von Kacper Konar

Seit dem 7. Oktober grassiert der Antisemitismus in der polnischen Linken. In Warschau haben Studierende ein Universitätsgebäude belagert sowie Universitätsmitarbeiter bedroht und angegriffen. Linke störten zudem die Vorführung eines Films über das Nova-Festival, bei der eine Überlebende des Hamas-Massakers sprach.

International machen Linke und Antirassisten die »German guilt« (deutsche Schuld) für eine vermeintliche Unterdrückung »propalästinensischer« Positionen in Deutschland verantwortlich. Doch auch außerhalb Deutschlands gibt es Linke, die für das Existenzrecht Israels einstehen und einen Schulterschluss mit Islamisten und Antisemiten ablehnen. Yves Coleman kritisierte, dass der Linken die Begriffe fehlen, um den politischen Islam zu analysieren (»Jungle World« 49/2023). Peshraw Mohammed analysiert diesen als faschistische Ideologie (51/2023). Susie Linfield beklagte eine Rückkehr linker Abscheulichkeiten (2/2024). Rafael Gumucio erklärte die Anziehungskraft des islamistischen Todeskults für postmoderne Linke (3/2024). Marcos Barreira beschrieb das Entstehen einer neostalinistischen Linken in Brasilien, die einem linken Antizionismus Aufschwung verleiht (9/2024). Ivan Segré sieht in einer Allianz mit iranischen und arabischen Progressiven Hoffnung für Israel (12/2024).

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»Antisemitismus kommt in Polen gut an, die meisten kümmert’s nicht, die meisten wollen nicht helfen« – einst sangen auf Konzerten der Band Leniwiec ganze Konzertsäle voll polnischer Punks diese Zeilen aus dem Song »Deportation 68« mit. Spielte die Band dieses Lied heutzutage, würde sie wohl mit Drohungen und Boykottaufrufen überzogen werden, es sei denn, die Musiker schwenkten palästinensische Fahnen und verurteilten Israel. Dann könnten sie vielleicht den Antisemitismus erwähnen, ohne angegriffen zu werden, aber trotzdem würden wohl nur wenige Leute mitsingen.

In Polen sind Anarchisten und Linksradikale immer noch stark mit der Punk-Szene verbunden. Ihre Gesänge und Parolen haben sich aber verändert. Fast immer beziehen sie sich mittlerweile positiv auf Palästina. Das gilt auch für jene parteipolitisch organisierten oder junge Linken, die nicht mehr so stark mit dieser Subkultur verbunden sind.

Eine Filmvorführung zum Nova-Festival, bei der Chen Malca, eine Überlebende der Hamas-Attacke, geladen war, wurde von Störern mit »Völkermord«-Rufen unterbrochen.

Auf den Demonstrationen zum Krieg im Gaza-Streifen sind die Parolen ähnlich wie die in anderen Ländern. Man hört und liest auf Schildern »Free Palestine« oder »Ceasefire now«. Manchmal werden die Slogans aber auch ex­tremer, weil die polnische Justiz nichts davon als hate speech ansieht. Das in Deutschland indizierte »From the river to the sea« beispielsweise, oder auch »Solidarität mit dem palästinensischen Widerstand«, »Sanktionen gegen Israel, Waffen für Palästina«. Zu sehen sind immer wieder Graphiken, die Israel mit Nazi-Deutschland gleichsetzen und beispielsweise einen Davidstern mit einem Hakenkreuz kombinieren.

Organisatoren stören sich auch nicht an Transparenten wie jenem, das zeigt, wie ein Davidstern in den Mülleimer geworfen wird und unterschrieben ist mit »Haltet die Welt sauber«. Auf dem Foto, das auf einer Demonstration der linken Partei Lewica Razem gemacht wurde und auf dem antisemitismuskritischen X-Account »Bundystaprzeciwantysemityzmowi« dokumentiert ist, trägt ein Teilnehmer ein Schild mit der Aufschrift: »Die Hamas für das Abfeuern von Raketen zu verurteilen, ist so, als würde man eine Frau dafür verurteilen, ihren Vergewaltiger zu schlagen.«

Regelmäßiger Redner auf diesen Demonstrationen ist Omar Faris, Vorsitzender der Vereinigung der Palästinenser in Polen. Er sagt Dinge wie:

»Glücklicherweise sehen immer mehr Menschen, dass die Hamas-Kämpfer keine Terroristen sind«, oder »Die Hamas hat nie Zivilisten getötet oder jemanden vergewaltigt, das sind alles zionistische Lügen.« 

Die Parteigänger von Lewica Razem stören sich daran offenbar nicht, lassen sich, wie beispielsweise Dorota Kolarska, eine EU-Abgeordnete der Partei, mit Faris fotografieren und teilen seine Aussagen. Faris leugnet nicht nur die Verbrechen der Hamas, sondern sagt auch offen, dass »die Juden die Holocaust-Fabel geschaffen« hätten. Omar Faris ist als Teilnehmer und Redner auf Besetzungen und Protesten in ganz Polen anzutreffen, ebenso Hamad M. Nidal, Journalist und Autor mit Wohnsitz in Norwegen, der diejenigen, die sich der BDS-Bewegung widersetzen, als Nazis und die Hamas als die Helden und das Gewissen Palästinas bezeichnet.

Massaker vom 7. Oktober als Aufstand gegen die Kolonisatoren

Unmittelbar nach dem 7. Oktober 2023 explodierte der Antisemitismus in der anarchistischen Szene geradezu. Die Anarchistische Föderation ist die größte anarchistische Organisation in Polen. Die Sektion Breslau veröffentlichte am 9. Oktober auf ihrer Website statt einer Solidaritätserklärung mit Palästina gleich eine komplette Falschdarstellung der Geschichte der Staatsgründung Israels als Geschichte eines Konflikts zwischen jüdischen Koloni­satoren und palästinensischen »Ureinwohnern«. So schließt der Text dann auch damit, dass das Massaker vom 7. Oktober ein Aufstand gegen die Kolonisatoren und ein Kampf für die Freiheit sei.

Die größte antifaschistische Gruppe in Polen, die »161 Crew«, brachte im November 2023, kurz nachdem sie der Reichspogromnacht gedacht hatte, Merchandise und Abbildungen in den Palästina symbolisierenden Farben heraus, darunter eine Graphik, die das gesamte Gebiet des heutigen Israel mit einer palästinensischen Flagge überzogen zeigt. Auf der Seite der Anarchis­tischen Föderation in Breslau erschien im März ein Interview mit Mitgliedern der »Fauda-Bewegung«, auf das auch auf der Facebookseite der Anarchistischen Föderation Polens verwiesen wird.

Ob es sich bei Fauda tatsächlich wie behauptet um palästinensische Anarchisten handelt oder die Gruppe ein Fake ist, wie auch der Journalist Jakub Woroncow vermutet, lässt sich kaum beurteilen. Auf seinem X-Account zitiert er aus dem Telegram-Kanal von Fauda und beschreibt, dass man dort Beiträge der Hamas teile, wenn auch unter anderen Logos. Dazu gehörten KI-generierte Graphiken, die palästinensische Terroristen zeigen, die unbewaffnete Juden an einer Bushaltestelle ermorden, oder Anleitungen für Messerstechereien. In dem erwähnten Interview sprechen die angeblichen palästinensischen Anarchisten selbst davon, auf die ­Hamas und ihre Ältesten zu hören.

Zweierlei Maß

Auch in Polen gab es Besetzungen an den Universitäten. In Krakau hängte man ein Banner mit der Aufschrift »Intifaduj« auf, also einer Buchstabenkombination, die das Akronym der Universität (UJ) mit dem Begriff Intifada kombiniert. Das erinnert an die in anderen Ländern ausgerufene »studen­tische Intifada«. Eine Filmvorführung zum Nova-Festival, veranstaltet von der israelischen Botschaft am 1. Juli in einem Kino in Warschau, bei der die Überlebende der Hamas-Attacke auf das Festival, Chen Malca, geladen war, wurde von Störern mit »Völkermord«-Rufen unterbrochen, woraufhin es zu einem Handgemenge kam.

In Breslau forderten Besetzer der Universität das »Recht auf Rückkehr für palästinensische Flüchtlinge aus der Nakba«. Sie tun das in einem Gebiet, das lange von deutschsprachigen Einwohnern geprägt war, auf deren Rückkehr polnische Linke wohl nicht bestehen würden. Das Gebäude, das sie besetzen, ist eine vormals deutsche Universität. Der Ausgang des Zweiten Weltkriegs hat diese Fakten geschaffen, und dass die Deutschen ihn nicht gewonnen haben, ist sicherlich ein guter Ausgang der Geschichte. Im Fall von Israel messen die Universitätsbesetzer allerdings mit zweierlei Maß.

Marsch der Lebenden. In der KZ-Gedenkstätte Auschwitz forderten die Teilnehmer am 6. Mai die Befreiung der Geiseln aus Hamas-Gefangenschaft

Marsch der Lebenden. In der KZ-Gedenkstätte Auschwitz forderten die Teilnehmer am 6. Mai die Befreiung der Geiseln aus Hamas-Gefangenschaft

Bild:
picture alliance / NurPhoto | Klaudia Radecka

In Warschau löste die Polizei am 12. Juni die Belagerung der Universität durch Protestierende auf, die versuchten, das Gebäude zu besetzen, und die Ausgänge versperrten. Skandalisiert wurde hinterher, die Polizei habe Gewalt gegen die Belagerer angewendet und es habe sich bei dem Polizeieinsatz um einen Eingriff in die Unabhängigkeit der Universität gehandelt. Die Realität sah anders aus. Der Rektor hatte die ­Polizei auf Bitten des Universitätspersonals zu Hilfe gerufen, das von Protestierenden bedroht, angegriffen und daran gehindert wurde, das Gebäude zu verlassen. In einer danach veröffentlichten Stellungnahme berichtete die Universitätsleitung, eine Person vom Wachpersonal habe sogar ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen. Die Belagerer hatten ihr Schnittwunden an der Hand zugefügt.

Die starke Beteiligung von Anarchisten und »Post-Linken«, wie sie sich selbst bezeichnen, an der Belagerung hat sicherlich zu solch einer Eskala­tionen beigetragen. Die beteiligte post-linke Gruppe Nieczytel hatte den Belagerern »Ratschläge« zukommen lassen, in denen sie kollektive Diskussionen als Zeitverschwendung bezeichnete. Auf ihrer Website schreibt die Gruppe, es habe »noch nie einen besseren Zeitpunkt für eine Eskalation gegeben«.

Zustimmende Kommentare von Rechtsextremen

Lewica Razem integrierte die Kritik an dem Polizeieinsatz wohlfeil in ihre antizionistische Kampagne, die sie ins polnische Parlament trägt. Ein Beispiel für die Haltung der linken Partei ist der Fall Aleksandra Korniak, Mitglied des Krakauer Ortsverbands von Lewica Razem, die in der Vergangenheit immer mal wieder durch brisante Äußerungen auf Social Media auffiel. Unter einem Interview mit Konstanty Gebert, einem polnisch-jüdischen Historiker, in der Fernsehsendung »Didaskalia« über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern kommentierte sie: »Über den Genozid in Gaza sollten nicht die Mörder, sondern die Opfer zu Wort kommen.« Gebert ist wohlgemerkt Jude, aber weder Israeli noch Soldat. Auf öffentliche Kritik hin entschuldigte Korniak sich für die Aussage.

Anlässlich der EU-Wahlen postete sie dann eine Liste von Kandidaten, die man nicht wählen sollte, da sie »den Völkermord unterstützen«. Dass auf der Liste der Unwählbaren niemand von der konservativen Partei PiS und auch nicht von der rechtsextremen Konfederacja war, brachte Korniak zustimmende Kommentare von Rechtsextremen ein. Cyprian Mrzygłód, Vorstandsmitglied des Jugendverbands von Lewica Razem, kommentierte Korniaks Liste kritisch: »Ich bin ein wenig schockiert über die Erstellung von Listen durch Razem-Mitglieder, die implizieren, dass die einzigen Parteien, in denen jeder moralisch und wählbar ist, PiS und Konfede­racia sind.«

Gegen den Antisemitismus steht eine Minderheit in Polen ein, unter ihnen Künstler, Historiker, ein paar so­zial Engagierte und Linksliberale. Trotz jahrelanger Basisarbeit und einiger Publikationen, auf die kritisch Denkende zurückgreifen können, wird der Antisemitismus in der polnischen ­Gesellschaft seit dem 7. Oktober schlimmer. Vor allem in der Linken.

Pogrome der polnischen Bevölkerung an Juden

Warum das so ist? Weil »der Antisemitismus in Polen gut ankommt«, wie Leniwiec singt. Seinen Höhepunkt erreichte er kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und drückte sich in ­Pogromen der polnischen Bevölkerung an Juden aus und später in häufiger Kollaboration mit den deutschen Nazis bei der Judenvernichtung. Nach dem Krieg trug der heftige sowjetische Antizionismus dazu bei, die wenigen fortbestehenden jüdischen Gemeinden fast auszulöschen, insbesondere durch die antisemitische Hetzkampagne der Regierung und die darauffolgenden Vertreibungen von 1968.

Die weitgehende Abwesenheit von Juden in Polen spätestens seit 1968 hat den Antisemitismus nicht vermindert; nach dem ­Niedergang des Realsozialismus 1989 erstarkte er bei Linken wie Rechten. In Polen gibt es das spezielle Wort żydokomuna. Antikommunisten drücken damit aus, dass alle Kommunisten oder Linken Juden seien oder von ihnen kontrolliert würden. Die Antikapitalisten wiederum machten in den Juden eine fremde Macht aus, die für die Übel der kapitalistischen Transformation verantwortlich sei. Schließlich vermittelte die zeitgenössische linke Propaganda, die Israel als das schlimmste Kolonisierungsprojekt der weißen Vorherrschaft darstellt, jungen Pseudorevoluzzern eine Rechtfertigung für ihren Antisemi­tismus.

Im Dezember vergangenen Jahres ging ein Abgeordneter der rechts­extremen Partei Konfederacja im polnischen Parlament auf einen Chanukka-Leuchter mit einem Feuerlöscher los.

Die meisten Regierungsparteien in Polen haben sich irgendwann antisemitischer Rhetorik bedient. Die vorherige rechtspopulistische Regierung stand dabei an vorderster Front. Die Frage nach der Rückerstattung jüdischen Eigentums, das sich zunächst die Nationalsozialisten, teilweise polnische Nachbarn und schließlich die realsozialistische Herrschaft aneigneten, stellen die Rechtspopulisten als Angriff auf Polen dar, gegen den sich die Nation zu wehren habe. Eine Gesetzesänderung 2021, die Rückerstattungsforderungen mit einer Verjährungsregelung eingrenzte, führte zu einer diplomatischen Krise zwischen Israel und Polen.

Im Alltag sieht es kaum besser aus. Es kommt schon mal vor, dass sich Kinder bei Schulaufführungen als »schlaue« jüdische Verkäufer oder Verschwörer verkleiden. »Jude« ist ein weit verbreitetes Schimpfwort. Minderheiten in Polen, die nicht dunkelhäutig sind, gelten schnell als jüdisch. Das galt zumindest bis 2014, als der Zustrom ukrainischer Flüchtlinge die Zusammensetzung der polnischen Gesellschaft zu verändern begann.

In der offiziellen polnischen Geschichtsschreibung stellt Polen sich gern als Retter der Juden dar und Juden, die nicht zu schätzen wissen, wie sehr die polnische Nation »für sie gelitten« habe, als undankbar. Seit 2018 steht es außerdem unter Strafe, kritisch über die Rolle vieler Polen beim Holocaust zu sprechen. Rechtsextreme antisemitische Vorfälle sind in Polen an der Tagesordnung, das geht von der öffentlichen Verbrennung von Puppen, die ­Juden darstellen sollen, und der Verhöhnung des Holocaust bis hin zu körperlichen Angriffen auf jüdische Menschen. Im Dezember vergangenen Jahres ging ein Abgeordneter der rechtsextremen Partei Konfederacia im polnischen Parlament auf einen Chanukka-Leuchter mit einem Feuerlöscher los und löschte diesen. Der Feuerlöscher wurde daraufhin zu einem Symbol, das polnische Antisemiten auf Plakaten zur Schau stellen, auch in Oświęcim (Auschwitz) beispielsweise.

Gedenken an den Aufstand im Warschauer Ghetto

Mit polnischen Linken, bei denen der Antizionismus virulent ist, ist es ein schwieriges Unterfangen, den Antisemitismus zu bekämpfen. Zwar gibt es inzwischen eine linke Tradition des Gedenkens an den Aufstand im Warschauer Ghetto, aber über das Thema ­hinaus kaum eine Beschäftigung mit Antisemitismus. Nun, nach dem 7. Oktober, wird es noch schwieriger, wenn linke Gruppen versuchen, das Gedenken auf ihre Palästina-Solidarität umzumünzen. »Heute ist ein großer Tag«, kommentierte beispielsweise die Anarchistische Föderation am 19. Oktober, dem Gedenktag auf X. »Antisemiten und Befürworter der systematischen Unterdrückung ethnischer Minderheiten werden sich wie jedes Jahr die Erinnerung an den Aufstand im Warschauer Ghetto aneignen, bevor sie zur Standardverteidigung rassistischer staatlicher Unterdrückungsapparate zurückkehren.«

Polnische Linke pflegen einen gewissen gegen Deutsche gerichteten Chau­vinismus, darin unterscheiden sie sich nicht von der polnischen Gesamtgesellschaft. In der Diskussion über eine linke Israel-Solidarität ist es daher nicht hilfreich, dass man diese Position vor allem mit deutschen Linken asso­ziiert. Wäre beispielsweise die spanische Linke besonders israelsolidarisch, würden polnische Linke ihren Antizionismus wohl eher überdenken. Geht es hingegen um Deutschland, ist die Reaktion sofort: Die Deutschen sind doch beschissen, reich und dumm, ist doch klar, dass sie dumme Ansichten haben. Die israelsolidarische Haltung mancher Deutscher wird weniger auf die deutsche Schuld am Holocaust zurückgeführt. Man glaubt vielmehr, die Deutschen seien im Innern immer noch ­Nazis und sympathisierten deshalb mit Israel, dessen Politiker man ebenfalls für Nazis hält.

Ein großes Feindbild für polnische Rechtsextreme ist außerdem die »deutsche Antifa«. Rechtsextreme behaupten, dass es keine originär polnische Antifa gebe, sondern lediglich von Deutschland bezahlte Schlägertrupps. Diesem Gerücht begegnen polnische Antifaschisten manchmal, indem sie ostentativ nichts mit deutschen Genossen zu tun haben wollen.

Israelsolidarische deutsche Linke gelten als Gegner

Seit dem 7. Oktober gelten israelsolidarische deutsche Linke den polnischen Linken als Gegner. Das Hausbesetzerprojekt Rozbrat aus Poznań, dessen Stellungnahmen in der linken Szene viel rezipiert werden, verurteilte die Hamas für das Massaker am 7. Oktober ausdrücklich nicht als Terrororganisation. Im Rozbrat wurde hingegen ein Konzert mit der in Deutschland wegen ihrer Unterstützung für die BDS-Kampagne kritisierten schottischen Band Oi Polloi organisiert. Konzerte der Gruppe wurden in Deutschland mancherorts auch schon wegen Antisemitismusvorwürfen abgesagt. Im Rozbrat fühlte sich die Band mit ihrer politischen Einstellung offenbar willkommen. Anders als bei den »Genozid-Leugner-Clowns vom deutschen Veranstaltungsort«, wie es in ihrer Danksagung auf Facebook heißt.

Diese Ablehnung bekam auch das soziokulturelle Basiszentrum Postój in Breslau zu spüren, das nach dem 7. Oktober seine Solidarität mit den angegriffenen Kibbuzim und den Opfern des Hamas-Massakers zum Ausdruck brachte, was zu einer Boykottkampagne gegen das Zentrum führte.

Als Kommunist, der die Revolution in Rojava unterstützt hat, weiß ich, wie gefährlich der islamische Faschismus ist.

Seit Jahren wird die linke Szene Polens allerdings auch ganz allgemein von Konflikten erschüttert und interne Gewalt ist sicherlich eines der größeren Probleme der polnischen Linken. Das wirkt sich auch auf die Auseinander­setzung über den Antisemitismus aus.

Besonders in der linken Subkultur, zu der viele Musiker und Konzertveranstalter zählen, sollte Empathie mit den Opfern des Nova-Festivals eigentlich naheliegen. Auch Mitgefühl und Identifikation mit den angegriffenen Kibbuzim in Israel sollten für Linke eigentlich nicht so schwer sein. Gerade Kibbuzim sind auch Teil einer linken Tradition in Polen. In Niederschlesien gab es in den dreißiger und vierziger Jahren mehr Kibbuzim als im Mandatsgebiet Palästina. Als Kommunist, der die Revolution in Rojava unterstützt hat, weiß ich auch, wie gefährlich der islamische Faschismus ist.

Zu beobachten, wie Teile der Linken jeden Dialog verhindern und wegen Meinungsverschiedenheiten zu Boykotten aufrufen, ist beängstigend. Eine bessere und gerechtere Welt lässt sich so nicht erstreiten.