Der Kampf um die Erinnerung an die Shoah in Polen

Die Rettung des nationalen Selbstbilds

Die Erinnerungskämpfe um die Shoah, die in Polen von nationalkonservativer Seite geführt werden, dienen dieser oft dazu, Souveränität zu behaupten – die Debatte im Land ist dabei aber vielschichtiger und kontroverser, als man es sich in Deutschland gern vorstellt.

In Polen tobt ein Erinnerungskampf. Das wurde erst im April wieder deutlich, als die Historikerin Barbara Engelking einem regierungskritischen Fernsehsender ein Interview gab. Die Leiterin des Zentrums für Holocaustforschung an der Polnischen Akademie der Wissenschaften sagte in diesem Gespräch, dass es selbstverständlich Polen gab, die ihren jüdischen Nachbarn während der deutschen Besatzung geholfen haben. Sie seien Helden. Die meisten Polen hätten jedoch weggesehen oder sich sogar an der Verfolgung und Ausplünderung beteiligt.

Nach dem Interview meldete sich kein Geringerer als Ministerpräsident Mateusz Morawiecki zu Wort. Der PiS-Politiker bezeichnete das Gespräch als »skandalös«. Engelkings Aussagen widersprächen den »kollektiven, gemeinschaftlichen Erwartungen« in Polen. Sie hätten »nichts mit redlichem historischem Wissen zu tun«.

Auch Wissenschaftsminister Przemysław Czarnek (PiS) schaltete sich ein. Er behauptete, Engelking habe das gesamte Land beleidigt. Zugleich drohte er, ihrem Forschungszentrum die staatlichen Mittel zu kürzen. »Die Polen wünschen das nicht«, so Czarnek.

Die Auseinandersetzung knüpft an eine ganze Reihe konservativer Versuche an, Forschungen über die Kollaboration während der deutschen Besatzung zu behindern. Schon unter der ersten PiS-Regierung hatte das Parlament 2006 ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Es stellte unter Strafe, von einer Beteiligung der polnischen Nation an den Verbrechen des Kommunismus und des Nationalsozialismus zu sprechen.

Die Debatte über den polnischen EU-Beitritt war eng mit Diskussionen über eine Nato-Mitgliedschaft verbunden. Eine starke EU erschien als Bastion gegen Russland, das seine imperialen Interessen deutlich artikulierte.

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