Monopoly in Zürich

Schweizer Großbanken fusionieren zur United Bank of Switzerland (UBS)

In der Schweiz entsteht eine der größten Banken der Welt. Die UBS Schweizerische Bankgesellschaft und der Schweizerische Bankenverein (SBV) werden sich zur United Bank of Switzerland (UBS) zusammenschließen. Damit führt zwar nach wie vor die Bank of Tokyo-Mitsubishi die Weltrangliste an, aber die neue UBS nimmt nun den zweiten Platz noch vor der Deutschen Bank ein. Das neue Geldhaus will auf fast ein Viertel seiner Angestellten verzichten. Von 56 000 Geldzählern werden 13 000 den Laufpaß erhalten - 7 000 davon in der Schweiz, der Rest in den ausländischen Filialen.

Vom Fusionsfieber ist auch die Konkurrenz gepackt. Mittlerweile herrscht unter Global Playern das Gesetz: Wer 20 Prozent Gewinn macht, frißt. Wer darunter bleibt, wird verschluckt. Die Deutsche Bank brachte 10,4 Prozent Eigenkapitalrendite vor Steuern zustande, die Commerzbank schaffte 14. Können in dieser Situation Mainhattan und München untätig bleiben? Die Deutsche Bank denkt an ein Schnäppchen in Frankreich. Auf die Commerzbank soll die Hongkong Shanghai Bank Corporation (HSBC) begehrliche Blicke geworfen haben. Ziel müsse es sein, erklärte Commerzbank-Chef Martin Kohlhausen, sich strategisch besser auf globalen Märkten zu positionieren und die Kosten in den Griff zu bekommen.

Dagegen sieht man in der Schweiz der Megafusion mit gemischten Gefühlen entgegen. Seit Anfang der neunziger Jahre hat sich die Bankenlandschaft verändert. Das begann mit den dramatischen Sanierungsfällen der Berner Kantonalbank (1992) und der Solothurner Kantonalbank (1994). Es setzte sich mit der Entwicklung der Crédit Suisse Group fort, die sich in diesem Jahr mit der Winterthur-Versicherung verband, nachdem sie schnöde, wie die Neue Züricher Zeitung vermerkt, von den beiden anderen abgewiesen wurde. Eine Reaktion der beiden Großbanken war daher abzusehen. Allerdings wurde die Finanzwelt von der Fusion überrascht, auch hatte sie eine so drastische Restrukturierungspolitik nicht erwartet.

Konjunkturell fühlen sich die Eidgenossen ohnehin aus der Bahn geworfen. Die Wirtschaft stagniert, auf dem Immobilienmarkt herrscht Windstille, und

die internationale Diskussion um das Raubgold hat die Bergrepublik demoralisiert. Ohnehin muß sich das Finanzgewerbe umstellen, denn die Bankgeschichte der Schalterräume und Sparbücher geht zu Ende. Treibende Kraft der Produktivitätssteigerungen ist die Informationstechnologie.

Die Baseler Forschungsstelle für Arbeitsmarkt und Industrieökonomie hat 30 Prozent Produktivitätsunterschiede zwischen den Banken ausgemacht. Neben der Arbeitsintensivierung sind die wachsenden Überkapazitäten ein Problem, das Alpenland gilt als "overbanked". Mit anderen Worten: Die Einkommensklassen müssen neu gewichtet werden.

Die Gewerkschaft Handel, Banken, Versicherungen (HBV) schätzt, daß in den nächsten zehn bis 15 Jahren jeder Fünfte von den 700 000 deutschen Bankern gehen muß. In der Schweiz schrumpfte das Bankpersonal seit 1990 um sechs Prozent auf 120 000 Angestellte zusammen. Jede fünfte Filiale wurde einer anderweitigen Nutzung zur Verfügung gestellt. Die neue United Bank of Switzerland (UBS) will nun allein in der Schweiz 200 Filialen schließen und sich 7 000 Arbeitsplätze vom Halse schaffen. Das geht natürlich auf Kosten von Beschäftigung, Ausbildung und Gemeindekassen. Kantonalbanken revidieren bereits ihre Konjunkturerwartungen nach unten. Schließlich entstammen zehn Prozent des Schweizer Volkseinkommens seinem Geldgewerbe.

Die Bank will sich künftig auf die lukrativsten Bereiche im Finanzgeschäft konzentrieren. Mit dem nominalen Kassengeschäft verdienen sich eidgenössische Banken ihr Kleingeld. Wirklich Kasse machen sie aber aus der Vermögensverwaltung. Das ist ein recht verschwiegenes Metier, auf das sich Schweizer Banker seit jeher verstanden haben. Es richtet sich an alle, die ihr Schätzchen ins Trockne bringen wollen.

Und in diesem "Private Banking" steckt die Superbank ganz groß drin. Das ihr anvertraute Vermögen von 1,6 Billionen Mark entspricht in etwa der Hälfte des deutschen Bruttoinlandsprodukts. Da bleibt die Deutsche Bank mit nur einem Viertel des Betrages weit abgeschlagen zurück. Allerdings müssen sich die Banker in Genf, Zürich und Basel Sorgen machen, denn mit der unerfreulichen Angelegenheit "nachrichtenlose Konten" wurde das Markenzeichen Bankgeheimnis beschädigt. Nun will sich die UBS ganz besonders um ihre Kunden kümmern, sofern sie mindestens eine Million Franken besitzen. Das soll schon die Hälfte künftiger Gewinne bringen.

Neben dieser Schweizer Spezialität versprechen sich UBS-Banker ein Drittel des projektierten Profits vom Börsengeschäft. In diesem "Investment Banking", auf das alle Banken setzen, herrscht Goldgräberstimmung. Für den Kauf renommierter Maklerhäuser und das Abwerben gewiefter Analysten ist ihnen keine Summe zu gering. Vorneweg der Schweizerische Bankverein, der in den letzten Jahren O'Connors, Brinson, S.G. Warburg und Dillon Read erwarb. Hintendran die Schweizerische Bankgesellschaft. In New York beschäftigten die Alpenländer 6 000 Experten, in London 9 500 und in den restlichen Finanzplätzen noch 4 500.

Konzerne und Regierungen holen sich ihr Geld nicht mehr in Form von Bankkrediten, sondern von der Börse. Was Kreditsachbearbeiter verloren, mußten Finanzmakler wieder wettmachen. Samt Börsengänge, Übernahmeaktionen und Privatisierungen gelang ihnen das auch. Bloß: Wenn alle mitspielen wollen, müssen Margen knapper und Kurse unruhiger werden. Das Züricher Monopoly brachte die spekulierende Zunft nun ins Grübeln, weil die UBS 6 000 Stellen über den Jordan gehen lassen will. Mit bis zu 2 000 Stellen sieht die Londoner Lombard Street die größten Verluste auf sich zu kommen, aber auch an der Wall Street müssen sich noch annähernd 1 000 Bank-Yuppies darauf gefaßt machen. Unter dem Firmenschild Warburg Dillon Read, das ich auf London und New York konzentriert, sollen immer noch 14 000 bezahlte Spekulanten mit Devisen, Aktien, Anleihen und auch ganzen Unternehmen handeln.

Am Eurobondmarkt sind die Schweizer ebenso führend wie im Goldhandel. Und die kollabierenden japanischen Wertpapierhäuser könnten Platz für mehr Geschäfte machen. Aber noch haben die Amerikaner mit Merill Lynch, Salomon Brothers und Morgan Stanley hier die Nase vorn. Insofern kam den Schweizern die Debatte über die nachrichtenlosen Konten ungelegen. Nicht aus Gewissensgründen, sondern wegen der kostspieligen Boykottdrohung in New York.

Dabei hat die neue United Bank of Switzerland nicht nur mit einem äußeren Handicap zu tun haben, sondern auch mit internen Auseinandersetzungen. In der Fusionsentscheidung hieß es, daß die "kulturelle Basis hochgradig gegeben" sei. Allein schon die Herkunft der beiden Banken spricht dagegen. Der Schweizerische Bankverein war eine Gründung des weltoffenen Bürgertums in Basel. Dagegen gab sich die Züricher Bankgesellschaft, die regionalen Kreditinstituten entstammt, eher kleinbürgerlich. Sie galt als "Kasino", weil eine Karriere in der Miliz unabdingbar für den Aufstieg ins Manegement war.

So führte Robert Studer bisher die Bankgesellschaft - "Colonel Studer" nannte ihn die Financial Times. Und entsprechend derbe und von Ressentiments getragen verhielten sich auch Bank und Präsident in den Verhandlungen mit den Opfern des Holocaust. Hinter Präsident Studer steht der Großaktionär Martin Ebner, der sich wiederum mit dem Nationalisten Christoph Blocher verbunden fühlt. Die Zeit spottete: Die Wirtschaft global, die Politik emotional. Colonel Studer, Finanzmogul Ebner und Rechtspopulist Blocher wollten seit 1995 eine große Lösung im Schweizer Bankgeschäft.

Das will das neue Führungsduo der USB, Mathis Cabiallavetta und Marcel Ospel, zwar ebenfalls, aber zugleich wollen sie Studer aus dem Verkehr ziehen und Ebners Anteil verwässern. Damit haben sie bisher kein Erfolg. Als es vor einigen Tagen hieß, der amerikanische UBS-Chef Richard Capone wolle sich bei dem Ex-Wachmann Meili entschuldigen, wurde dies von Züricher Zentrale umgehend dementiert. Als Zeuge der Aktenvernichtung war Meili von der Bankgesellschaft zuvor geschaßt worden.

Eine reibungslose Fusionsgenehmigung kann sich New York jetzt nicht mehr vorstellen.