Burger-Krieg in den USA

Der zum Fasten gezwungene McDonald's-Konzern reagiert nicht nur nervös auf seine Konkurrenten

In den USA herrscht Krieg zwischen den Fast-Food-Konzernen. Burger King hält seine Pommes Frites für die besten und ließ alle mal kosten - 15 Millionen Portionen gingen so gratis über die Theke. Daraufhin verteilte McDonald's ebenfalls Gutscheine für eine kostenlose Portion. Schließlich sollen die Pommes unter dem goldenen Doppelbogen die allerbesten sein. Mehr als 70 Millionen Dollar boten die beiden Restaurant-Ketten jeweils auf, um sich gegenseitig die Fritten-Fans abspenstig zu machen. "Wir müssen dem Gast mehr geben", heißt es bei den amerikanischen Gastronomen, "um gleichzeitig weniger von ihm zu bekommen."

Der Burger-Krieg dauert nun schon einige Jahre an. 1997 war für McDonald's kein gutes Jahr; zwar dringt das Hackfleisch-Imperium unaufhaltsam in jeden Winkel der Erde vor. Aber zu Hause setzte es Kampagnen in den Sand, brachte Filialbesitzer gegen sich auf und verlor in der Gunst der Kunden.

Die McDonald's Corporation steckt in einer Falle. Mahlzeiten zu kleinen Preisen bei rationeller Zubereitung und bei schneller Bedienung erfordert ein standardisiertes Sortiment, Massenumsatz und systematisierte Abfertigung. Was Henry Ford für die Autoindustrie erfand, machten sich die Brüder McDonald für den Straßenverzehr zunutze. "Der Zweck all dieser Verfeinerungen", erklärte der langjährige Konzernboß Ray A. Kroc, "den wir nie aus dem Auge verloren, bestand darin, daß unser Griller seine Arbeit leichter und schneller tun konnte. Andere Überlegungen wie Kostensenkung, Kontrolle über den Lagerbestand und so weiter waren ebenfalls wichtig, aber sie standen an zweiter Stelle hinter der entscheidenden Einzelheit: Was geschah am rauchenden Bratblech? Es war der lebenswichtige Abschnitt unseres Fließbandes, und das Produkt mußte ihn reibungslos durchlaufen, sonst wäre die ganze Anlage ins Stocken geraten."

Das hob die herkömmliche Teilung in Küche und Bedienung auf und reduzierte unterschiedliche Qualifikationen auf einfache Durchschnittsarbeit. Die Gewerkschaft Nahrung, Genuß und Gaststätten (NGG) schätzt, daß in Deutschland 80 Prozent des Personals ausschließlich monotone Arbeit verrichten. In den ersten anderthalb Jahren könne eine ledige Mitarbeiterin auf bestenfalls 1 940 Mark brutto kommen. Die Fluktuationsrate liege bei 180 Prozent. Der Preis des BigMäc zielt auf ein schnell zu befriedigendes Publikum und ein Personal, das als Anhängsel der Küchenmaschinerie fungiert.

Die Hamburger können also nur bei strikter Kostenökonomie und rigider Personalführung angeboten werden. Diese starre Grundlage sucht das Unternehmen durch eine flexible Konzernstruktur zu kompensieren. Sein US-amerikanisches Franchisesystem schreibt vor, daß der Betreiber vor Ort mit 75 000 Dollar die Geschäftsidee für 20 Jahre erwirbt, 650 000 Dollar in Küche und Gastraum steckt und monatlich etwa 20 Prozent von seinem Umsatz für Pacht und Konzern-Leistungen abführt. Dafür erwartet der konzernabhängige "Selbständige", jährlich 200 000 Dollar an Kasse zu machen.

Für die neuen Bundesländer rechnet McDonald's Deutschland (München) mit einer durchschnittlichen Investition von 4,5 Millionen Mark pro Futterkrippe. Davon soll der Lizenznehmer 1,5 Millionen Mark für die Ausstattung hinblättern, zum Einstieg werden 100 000 Mark von ihm erwartet. Aber auch Lehrgang und Wartefrist muß der künftige Systemgastronom vorfinanzieren. Bei der Gestaltung des Hauses hat er nur ein Mitspracherecht, völlig freie Hand bleibt ihm dagegen in der Personalpolitik. Lieferanten sind in die Angebotspolitik einbezogen, für den ununterbrochenen Zustrom von Ketchup, Hackfleisch und Kartoffeln stimmen sich Zentrale und Restaurant ab. Das Top-Management hält sich den Kleinkrieg mit Personal und Lieferanten vom Halse. Dafür stärkt es jedem seiner Geschäftspartner den Rücken, wenn es gegen Gewerkschaften, Medien und Kommunen geht.

Die Corporation, die ihren Sitz am Stadtrand von Chicagos hat, kann auf diese Weise Kapital sparen und sich ganz ihren beiden Hauptaufgaben widmen: Das Angebot zu erweitern und das Netz der Filialen enger zu knüpfen. Für dieses Gehirn des Frikadellenimperiums zahlen die Franchisenehmer. Die Wachstumsfinanzierung muß hingegen, so hatten es sich die Konzernväter Kroc und Turner ausgedacht, durch Immobiliengeschäfte aufgebracht werden - eine Kapitalisierungsquelle, die Banken und Börse sehr schätzen.

Mit den Immobilien hat Chicago alle Fäden bei der Standortpolitik, der architektonischen Ausrichtung und Disziplinierung seiner geschäftlichen Untertanen in der Hand. Mit dem Immobilienboom der siebziger und achtziger Jahre breitete sich McDonald's über die USA und die Welt aus.

Diese Konstruktion von praktischer Ausbeutung und idealer Kapitalisierung basiert auf dem Geschmack der zahlungsfähigen Konsumenten. Zwei Drittel der Kunden sind zwischen 16 und 24 Jahre alt, ihre finanzielle Existenz hängt von Taschengeld, Sozialleistungen oder Ausbildungsvergütungen ab. Ihnen steht der Sinn nach Burgern und Pommes: Es soll gemampft und geschlungen werden. Aber alles Drumherum soll sauber und ordentlich sein. Das mißbilligen nicht nur die konsumkritischen Geister, auch die Ketchup-Gemeinde ist mit sich selbst nicht ganz im reinen. Der Kölner Diplom-Psychologe Axel Dahm hat sich unter den Freunden des "Etagenklumpens" kundig gemacht. Demnach haben sie Mitleid mit den zwar lockeren, aber ausgebeuteten Angestellten. Zahllos sind auch ihre Verdächtigungen, was sie alles im Hackfleisch vermuten. Ihr schlechtes Gewissen kapituliert jedoch schnell vor der kapitalistischen Verführung und der "gepflegten Gier", die sie bereitet. Weniger Probleme haben Kinder, die bei aller "Messer-und-Gabel-Herrlichkeit" mit den Fingern essen wollen.

Seit Mitte der achtziger Jahre ist McDonald's zu einem Synonym für Globalisierung geworden. In seinen 20 000 Restaurants in über 100 Ländern sei schon ein halbes Prozent der Weltbevölkerung beköstigt worden, feiern Geschäftsberichte. Zugleich sieht sich der Multi auf dem amerikanischen Markt bedrängt. Das spitzte sich 1997 zu. Anfang Juli trat mit Edward Rensi das Top-Management zurück, die Zentrale nahm ihre Expansionsziele in aller Form zurück. Die Immobiliengewinne wurden spärlicher, gleichzeitig verschlang die globale Expansion immer mehr Mittel.

Als die Zentrale versuchte, ihre Franchisenehmer noch mehr auszunehmen, gingen diese auf die Barrikaden. Ihr Sprecher Dick Adams trauerte einem unternehmerischen Geist nach, der verloren gegangen sei. Advokaten und Buchhalter hätten das Heft in die Hand genommen. Jedenfalls kann sich Adams das Debakel in London nicht anders erklären.

Adams spielt auf einen Prozeß gegen Mitglieder einer Greenpeace-Gruppe an, der zu einem Kapitel britischer Justizgeschichte wurde. In Flugblättern hatte die Gruppe dem Multi die Plünderung der Dritten Welt, Ausbeutung und Kulturimperialismus vorgeworfen. Besonders die Begriffe "McProfit", "McKrebs" und "McMörder" brachten den Konzern in Rage. Zwar wurden die beiden Verantwortlichen, die erwerbslosen David Helen Steal (30) und Dave Morris (41), verurteilt, aber der Goliath kam nicht unversehrt davon. In diesem Verfahren sei, so der französische Soziologe Pierre Bourdieu, einer globalen Zivilisation der Prozeß gemacht worden. Es gehe um die Auswirkungen einer rücksichtslosen Konzernpolitik auf Kosten der Umwelt, lokaler Kulturen und sozialer Produktionsstrukturen: "Aus diesen drei Gründen ist die Zivilisation auch gefährdet."