Rück im Vormarsch

Firmenübernahmen: Vor allem US-lnvestoren setzen auf die Rentabilität deutscher Konzerne

Der Markt für Unternehmensübernahmen boomt - gefragt sind deutsche Konzerne. Keine Spur von Standortschwäche, vor allem US-Investoren sind dabei. Zahlreiche Übernahmen stehen bei Finanz-, Schiffbau- und Energieunternehmen bevor. Dies geht aus einer Übersicht hervor, die von der M&A International GmbH kürzlich vorgelegt wurde. Demnach wurden im letzten Jahr 152 Milliarden Mark für die Übernahme von Unternehmen ausgegeben; das entspricht einer Verdreifachung gegenüber dem Vorjahr. Fast 2 000 Betriebe wechselten 1997 ihren Besitzer, sieben Prozent mehr als im Jahr zuvor, dabei prägten besonders teure Großunternehmen-Takeover die Statistik. Der Anteil ausländischer Investoren nahm von 25 auf 34 Prozent zu, wobei amerikanische Anleger ihre Position von sechs Prozent auf knapp zwölf Prozent verdoppelten.

"Nach profitablen Großunternehmen in Deutschland besteht große Nachfrage", erklärte Arno Burckhard, Geschäftsführer von M&A International. Für Konzerne zahlten Käufer durchaus das Sieben- bis Neunfache des zu erwartenden Gewinns - und zwar vor Abzug von Steuern und Zinsen. Mittelständische Betriebe sind jedoch schon zum Fünffachen des Gewinns zu bekommen. Es gebe einfach zu viele Angebote, meinen jedenfalls die Königsteiner Marktbeobachter, die schon seit 20 Jahren im Geschäft sind.

Dabei schien es zunächst, als bliebe der hiesige Markt von der weltweiten Fusionswelle verschont. Dann aber kamen die Paukenschläge: Die Fusion von Krupp und Thyssen, der Münchner Großbanken und einiger Versicherungen. Vor allem der Zusammenschluß von Krupp und Thyssen wirkte als Startsignal für die Übernahmen, zumal der neue Konzern sich nicht nur zu einem der gößten europäischen Stahlanbieter entwickelte, sondern auch nach weiteren Expansionsmöglichkeiten suchte. Der Fall Krupp und Thyssen zeigt deswegen alle Gründe für die grassierende Fusionitis: betriebliche Restrukturierung, Positionierung im künftigen Euroland und Sicherung von Marktzugängen.

Hauptmotiv für den lebhaften Handel mit Konzernen ist die erfolgreich vorausgegangene Restrukturierung vieler Betriebe. Deren Käufern geht es längst nicht mehr um ausgewogene Breite und Risikoausgleich, sondern um das Optimum des Beteiligungs-Portfolio, deswegen wird vor dem Deal mit vergleichendem Blick auf sämtliche Branchenergebnisse jeder einzelne Bereich auf seine Leistungsfähigkeit kontrolliert. Sobald irgendwo eine Branche mit überdurchschnittlichen Ergebnissen ausgemacht werden kann, die noch im Konzernportefeuille fehlt, ist das Interesse geweckt.

So bewogen die jährlichen Wachstumsraten von fünf Prozent den Baukonzern Hochtief zum Erwerb von 50 Prozent des Düsseldorfer Flughafens. Die Preussag griff beim Reiseveranstalter TUI zu, der Einstieg beim Hapag-Lloyd Konzern soll bald folgen. Bleibt dagegen ein Bereich unter dem erwarteten Ertrag, wird er in einem Joint-Venture untergebracht oder schlicht abgestoßen. Auch langjährige Zugehörigkeit zum Konzern oder Fürsprache des Managements schützt nicht mehr.

Daß die Neuordnung der Marktanteile erst begonnen hat, wird durch die Entwicklung bei Banken und Versicherungen verdeutlicht. Während die Münchner Allianz AG für einen Kaufpreis von neun Milliarden Mark die französische AGF-Versicherungsgruppe kaufte, erwarb Assicurazioni Generali aus Rom für elf Milliarden Mark die Aachener und Münchner Beteiligungsgesellschaft AG. Mit der Fusion der Düsseldorfer Victoria Holding AG, der Hamburg-Mannheimer-Versicherungs-AG und der Kölner Deutschen Krankenversicherungs AG zur neuen Ergo-Versicherungsgruppe hat die Münchner Rück ihren Besitz erweitert. Mit dem 18,7 Milliarden Mark teuren Zusammenschluß der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG mit der Bayerischen Vereinsbank AG in München ist die Fusionitis in der Finanzbranche vermutlich noch nicht beendet - den Wettbewerbshütern in Berlin oder Brüssel scheint dabei die Kontrolle entglitten zu sein.

Die baldige Einführung des Euros spielt in den Fusionsplänen der Konzerne schon jetzt eine große Rolle. "Der Markt wird durch den einheitlichen Währungsraum sehr viel transparenter", meint Paul M. Achleitner von der Investment Bank Goldman Sachs. Der Banker rechnet mit weiteren spektakulären Übernahmen.