Haste was, biste was

Die Europäische Währungsunion regelt die Beherrschung Deutschlands als deutsche Vorherrschaft

Das Gelingen der Währungsunion sei eine "Frage von Krieg oder Frieden", hatte Helmut Kohl schon vor Jahren erklärt. Tatsächlich ist die Einführung des Euro, der Ersatz von nationalem durch europäisches Geld, ein administrativer Akt mit dem Anspruch, den Gegensatz von national begrenzter, aber international wirksamer Kapitalakkumulation in einer kontinentalen "Schicksalsgemeinschaft" (Klaus Kinkel) aufzuheben. Die bürokratische Form fungiert als von der öffentlichen Verwaltung kontrollierte Alternative zu den vorhergehenden, dem selben Gegensatz entsprungenen, aber unkontrollierten, d.h. dem Gesetz des Stärkeren überlassenen Versuchen, die "Europäische Gemeinschaft" gewaltsam als Herrschaft Deutschlands über Sklavenvölker zu erzwingen. In diesem Sinne ist die von Helmut Kohl postulierte Alternative von Krieg und Frieden als Ultimatum zu verstehen.

Insofern das Gemeinsame Europas durch Geld vermittelt ist, reproduziert es die schon in den bestehenden Volkswirtschaften hervortretenden Widersprüche der auf der Konkurrenz unter Privatleuten basierenden, aber von der "öffentlichen Hand" national zusammengefaßten Produktion; gleichzeitig wird in der international verflochtenen Wirtschaft die Verstaatlichung im nationalen Maßstab beibehalten. Das Fortbestehen privater, nationaler und euroregionaler Konkurrenz ist damit ebenso garantiert wie der sich daraus ergebende Gegensatz zwischen den besonderen Interessen der Privatleute und Euroregionen und des für sie allgemein gültigen Geldes. Die im Volksstaat durch die Nationalbank symbolisierte Ideologie der Identität von privat angeeignetem Geldbesitz und öffentlich garantiertem Geldwert wird von der Europäischen Zentralbank allerdings nicht reproduziert; statt dessen garantieren die Nationalstaaten, die hinter der gegenüber nationalstaatlicher Politik unabhängigen Europäischen Bank agieren, daß diese sich im unmittelbaren Gegensatz zu den konkurrierenden privaten, nationalen und euroregionalen Interessen herausbildet.

Indem die Europäische Zentralbank unabhängig von einer besonderen staatlichen Macht ist, verliert der Staatsbürger das Vertrauen in sein Geld, auf das noch andere Staaten Einfluß ausüben. Die ihm zuvor identisch scheinende Geld- und Staatsmacht verwandelt sich in seinem Hirn in den scheinbaren Gegensatz zwischen heimischer Macht, der er sich ergibt, und heimatlosem Geld, gegen das er aufbegehrt. Was er als Staatsbürger stillschweigend hinnimmt, weil er es nicht durchblickt, daß nämlich das Geld ein Herrschaftsverhältnis ist gegen die Privatperson, welche den Verhältnissen unterworfen ist, anstatt sie zu entwerfen, stellt er sich als ausgeheckte Gemeinheit dar, sobald das Geld wirklich unabhängig, d.h. der Kontrolle des Staates, der den Bürger beherrscht, entzogen ist; er verhält sich wie der sprichwörtliche Bauer, der nicht fressen will, was er nicht kennt. Was er in Wahrheit nicht kennt und deshalb frißt, ist der im Geld selbst für ihn verborgene Widerspruch privater und öffentlicher Macht.

Als "allgemeine Äquivalentform aller Waren" ist Geld die "unmittelbar gesellschaftliche Inkarnation aller menschlicher Arbeit". Indem alle Waren, also auch die menschliche Arbeitskraft, gegen Geld austauschbar sind, kann beliebig über jene verfügen, wer dieses besitzt. Darin besteht "die Macht des Geldes, der stets schlagfertigen, absolut gesellschaftlichen Form des Reichtums". Im Gegensatz zu seiner gesellschaftlichen Form steht die private Aneignung des Reichtums: Das Geld selbst ist eine Ware, "ein äußerlich Ding, das Privateigentum eines jeden werden kann. Die gesellschaftliche Macht wird so zur Privatmacht der Privatperson" ("Das Kapital").

So einträglich der Gegensatz von Geld und Geldbesitz für den Besitzenden ist, so unerträglich für den Besitzlosen. Dieser kann am gesellschaftlichen Reichtum nicht in gleichem Maße teilhaben, obgleich er mit jenem - Mensch, potentielle Ware, potentielles Geldäquivalent wie er - austauschbar ist, also mit dem gleichen Maßstab bewertet wird. In Geld bemessen, verfügen sie über unterschiedliche Tauschwerte, obgleich sie vor dem Gesetz als gleichwertige Staatsbürger und vor dem Kapital als gleichwertige Gebrauchswerte, potentielles variables Kapital, gelten. Ihr Verhältnis, soweit sie sich als Eigentümer vergleichen, erscheint so als ein zu durchsichtiges Unrecht gegenüber dem Verhältnis, welches sie als Menschen zusammenbringen mag.

Das Geld stellt sich zuerst zwischen die beiden, versachlicht dadurch ihre zwischenmenschliche Beziehung und verhindert, daß sie sich als Menschen gegenübertreten. Indem sie sich rein sachlich miteinander vergleichen, die Sache zum Maßstab ihrer jeweiligen Bewertung machen, erscheint ihr Verhältnis zueinander sodann unsachlich: Als Repräsentanten unterschiedlich großer Geldschätze stehen sie sich verwundert als ungleiche Menschen gegenüber. Aus ihrer verrückten Sicht erscheint ihr jeweiliger Standpunkt als von Neid, Habsucht, Faulheit, Fleiß, Dummheit etc. verursachte Störung der rein sachlichen Bewegung des Geldes.

Der Volksstaat schaffte den im Geld verkörperten Gegensatz zwischen gesellschaftlicher Macht und deren privater Aneignung nicht ab; vielmehr hob er diesen in der "nationalen Währung" und ideologisch in der "nationalen Identität" auf. Indem die Bürger ihr Schicksal aus der Hand gaben, um mit der staatlich geprägten Münze ihr Glück zu versuchen, schienen ihnen staatliches und eigenes Schicksal identisch, verschwand das Individuum im nationalen Kollektiv.

Die Lebensdauer dieser Ideologie ist auf die des Nationalstaats beschränkt. Fallen die Grenzen zwischen den Staaten, während das Geld seine grenzüberschreitende Macht in einer Währungsunion verliert, steht der anachronistische Staatsbürger mit dieser erneut im Zwiespalt. Der Euro zieht nun allen Haß auf sich an Geldes statt, gegen welches sich der Zorn nur so lange richtet, wie das ungewohnte Zahlungsmittel staatenlos scheint. Wo die nationale gegen die supranationale Währung verteidigt wird, beklagt sich die "Volksgruppe", welche noch keine grenzenlose Macht besitzt, welcher sich arm und reich wie gehabt unterwürfen. Die Hüter der Deutschmark fordern implizit das Heilige Deutsche Reich Europäischer Nationen.

Darin ähneln sie ihrem Gegenpart, der die seit 1990 über sich hinauswachsenden Deutschen noch zusätzlich anstachelt, sie möchten gleich den ganzen Kontinent in einen einheitlichen Währungsraum verlegen. Da sie nicht durchschauen, wie sich abstrakte Geldmacht nur vermittelt über die konkrete Aneignung als politische Macht materialisiert, so erscheint ihnen politische Macht losgelöst von volkswirtschaftlicher. Die Staaten, die gegen den deutschen mobilisiert werden, sind aber längst vom regionalen Zerfall geschwächt, während Deutschland sich zur übermächtigen Euroregion aufbläht.

Die Widersprüche, die die noch bestehenden Nationalstaaten unterminieren - die ansteigende organische Zusammensetzung des Kapitals, bei dem das variable Kapital für die Kapitalakkumulation tendenziell überflüssig wird -, verhindert ebenso die Errichtung seiner Entsprechung im kontinentalen Maßstab. Mit dem Arbeitsvolk hat und ist damit auch der Volksstaat überlebt. Als Staatsvolk unterwarfen sich Kapitalisten und Arbeiter einem Volksstaat, der ihr Zusammenkommen über die Geldbeziehung vermittelte und so ihren Gegensatz scheinbar aufhob, der sich mit steigender Stufenleiter der Produktion fortentwickelte.

Im nächsten Jahrhundert werden kaum 20 Prozent der Erwerbstätigen hinreichen, um die wachsenden Kapitalmassen in Bewegung zu setzen; 80 Prozent der Erwerbstätigen werden überschüssig und somit als Staatsvolk untragbar. Damit verliert der Volksstaat seine politische Tragfläche. Gleichwohl ist die ausgedachte Unabhängigkeit einer Europäischen Zentralbank ein ausgemachtes Hirngespinst, da Geld ein gesellschaftliches Verhältnis ist. Zu jeder Nationalbank gehört ein Nationalstaat. Der Warenbesitzer tauscht nur gegen Geld, das er wieder gegen Waren loswird. Er traut nicht dem Geld, sondern der Macht, die dessen Tauschwert garantiert.

Die Volkswirtschaftslehre hat mit dem unpolitischen Geld freilich keine Probleme, weil jene selbst unpolitisch ist. Der Widerspruch zwischen "reinem Geld" und "reinem Eigentum" erscheint ihr als Versöhnung von Ökonomie und Politik - die Herrschaft der Ökonomie über die Politik als ihr Ideal. Das Staatsvolk jedoch, das zu einer solchen Unterwerfung allzeit bereit wäre, verlangt, daß die Tauschrationaliät, der es gehorcht, ideologisch verschleiert wird. Unter der Annahme, daß der Volksstaat seine Zukunft noch vor sich hätte, müßte zur Zentralbank in Frankfurt das Berliner Oberkommando hinzukommen, um die Deutschen mit dem Euro zu versöhnen.

Mit dem Zerfall des Nationalstaats wird die Nationalökonomie durch die regionale Weltmarktproduktion ersetzt, das Staatsvolk durch regional organisierte "Volksgruppen". Die Realität nähert sich dem Ideal der Volkswirtschaftslehre: "Erst auf dem Weltmarkt funktioniert das Geld in vollem Umfang als die Ware, deren Naturalform zugleich unmittelbar gesellschaftliche Verwirklichungsform der menschlichen Arbeit in abstracto ist. Seine Daseinsweise wird seinem Begriff adequat." ("Das Kapital") Geld verwandelt sich in Weltgeld, welches den nicht mehr staatlich organisierten Produktionsgemeinschaften unvermittelt gegenübertritt. An die Stelle des Rechtsstaats tritt das Recht des Stärkeren, an die Stelle staatlich vermittelter Gewalt die unvermittelte. "Volksgruppen" agieren spontan. Macht soll möglichst wenig institutionalisiert sein; so kann sich die stärkere gegen die schwächere uneingeschränkt hervortun. Von den "Volksgruppen", die den Volksstaat beerben, ist die deutsche die mächtigste. Sie pocht auf die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank, damit niemand sonst mehr Einspruch erheben kann.