Der Impresario René Block

Alles in Flux

Das waren noch Zeiten. Berlin 1961: Die Mauer, frisch hochgezogen, isolierte die ökonomisch und politisch abgeschnittene Stadt zunächst auch kulturell, aber sie markierte für die abgemagerte Kunstgemeinde Berlins zugleich den herbeigesehnten Neubeginn - bis hin zur medialen Ausfächerung der Formen und Politisierung künstlerischer Inhalte.

Karl Horst Hödicke, Markus Lüpertz und Bernd Koberling begründeten das Haus der jungen Talente, die Produzentengalerie "Großgörschen 35". Markus Lüpertz prügelte sich in der Potsdamer Straße. Die Nacht war im Eimer - zumindest auf dem gleichnamigen Skandalbild von Georg Baselitz (1963). Und die Szene provozierte mit Aktionen, Flugblättern, Performances.

Mittendrin im Geschehen: René Block, der 1964 seine Berliner Galerie gründet und mit der programmatischen Ausstellung "Neodada, Pop, Décollage, Kapitalistischer Realismus" eröffnet. Der 22jährige kellnert in Kneipen und verkauft Honig auf dem Winterfeldtmarkt, um die Galerie finanzieren zu können, und wird weltweit einer der wichtigsten Promotern von Fluxus, einer Kunstrichtung, die (wie Dada) Distanz und Humor gegenüber dem eigenen Schaffen und Skepsis gegenüber dem Kunstmarkt pflegt. Die Besonderheit der Galerie Block besteht darin, daß die Ausstellungen jeweils mit Aktionen, Happenings, Performances und Konzerten anderer Künstler/innen flankiert werden.

Blocks Galerieeröffnung in New York 1974 mit der Beuys-Aktion "I like America and America likes me" ist ebenso spektakulär wie sein Abgang in Berlin 1979 ebenfalls mit Beuys ("Ja, jetzt brechen wir hier den Scheiß ab"). Die Namensliste derer, die Block ausstellte, liest sich wie ein Who's Who der neueren Kunstgeschichte: Richter, Polke, Brouwn, Beuys, Vostell, Hödicke, Paik, Cage, Rühm, Christiansen, Ruthenbeck, Hamilton, Kaprow, Filliou, Köpcke, Broodthaers, On Kawara, Graham u.a.

Block war aber nicht nur ein wichtiger Avantgarde-Galerist, der z.B. 1967 die Kunstmesse Art Cologne mitbegründete, er ist auch Sammler. Die Sammlung von Ursula und René Block zählt heute zu den besten Fluxus-Kollektionen Deutschlands. Man hat Block immer wieder nachgesagt, er sei zwar ein begnadeter Galerist, aber ein lausiger Kunsthändler gewesen. Mit Ausnahme von Richter und Beuys, deren bescheidene Verkäufe die Galerie sicherten, hat Block tatsächlich kaum etwas verkauft, aber nicht deshalb, weil Kunst sich schlechter verkaufen ließe als Kartoffeln, sondern weil er nicht verkaufen wollte. Oder, wie Wieland Schmid spitzfindig formulierte: "René Block liebte, was sich nicht verkaufen ließ."

Das ist nur die halbe Wahrheit. Der in der Galerie Block zelebrierte Aktionismus, Situationismus und Gruppenegoismus gab einem Lebensgefühl, dem Bemühen einer ganzen Generation nach Überwindung des Lebens durch die Kunst Ausdruck und taugte nicht für die erste schnelle Mark.

"Ich habe mit der Galerie aufgehört, als der Kunstmarkt-Boom einsetzte", sagt Block im Rückblick. Von 1982 bis 1992 leitet er die Ressorts Bildende Kunst und Musik beim Berliner Künstlerprogramm des DAAD und begründet u.a. das Festival "inventionen". 1993 geht er als Ausstellungsleiter zum Institut für Auslandsbeziehungen (IfA) nach Stuttgart. 1995 scheidet er nach Differenzen mit dem IfA-Generalsekretär wieder aus. Er organisierte die Sydney Biennale 1990 und die Istanbul Biennale 1995.

Seit 1997 ist er neuer künstlerischer Direktor des Fridericianums in Kassel, Ausstellungsort der documenta. Zur Eröffnungsausstellung "Echolot" lud er neun Künstlerinnen aus der Peripherie ein.