Wahlk(r)ampf

Arbeitslose, aufgepaßt!

"Es gibt viele schöne Plätze in Deutschland. Die Schönsten sind für uns Arbeitsplätze." So poetisch kann die SPD sein. Etwas platter formuliert es die PDS: "Arbeit muß her!" Auch die Grünen lassen sich nicht lumpen und drohen allen Jugendlichen eine Lehrstelle an. Von der CDU erwarten wir schon gar nichts anderes mehr.

Im ganzen Berliner Stadtgebiet wird man von diesen Sprüchen verfolgt, und jedesmal sieht man sich schon im Bergwerk Kohle schleppen. An allen Ecken und Enden drohen die Parteien damit. Egal was, wo und wie. Hauptsache Arbeit, Arbeit, Arbeit.

Dabei steht doch selbst in manchen Parteiprogrammen etwas anderes. Warum dazu keine Plakate? Auch wenn es deutlich zu wenig ist, warum plakatieren Bündnis 90/Grüne nicht mit 800 Mark Grundsicherung plus Miete? Und warum hält die PDS nicht mit "Bei uns gibt's 1 425 Mark plus Wohngeld" dagegen. Auch die SPD könnte doch mit dem Vorschlag ihres designierten Arbeitsministers Riester nach einer "Mindestrente für Alle" hausieren gehen?

Offensichtlich haben die meisten Menschen in diesem Lande die Arbeitsideologie durch und durch gefressen. Bevor Martin Luther dieses Land heimsuchte, war Arbeit "Mühsal und Plage", die man möglichst schnell hinter sich brachte und, wenn möglich, gleich ganz ausfallen ließ. Erst der Protestantismus, und mit ihm der aufkommende Kapitalismus, setzten die Arbeitsideologie als innere Berufung, Pflichterfüllung und Kern des menschlichen Seins durch. Mit Arbeitshäusern und Todesstrafe für Landstreicherei. Auch die Arbeiterbewegung brach mit dieser Ideologie nicht, als sie den Slogan "wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen" gegen die müßiggängerischen Reichen richtete.

Je weniger heute noch sinnvolle Arbeit vorhanden ist, desto verrückter werden die von dieser Ideologie Geblendeten danach, irgendeinen Müll arbeiten zu dürfen. Dies gibt ihnen das Gefühl, in der Gesellschaft mitzuspielen, weil fast die gesamte soziale Verortung über Arbeit läuft.

Ohne Probleme ließe sich heutzutage die gesellschaftlich notwendige Arbeit verteilt, auf unter 20 Stunden in der Woche reduzieren. Und der Rest wäre endlich freie Zeit, Spiel, Spaß und allerlei Tätigkeiten außerhalb einer Verwertungslogik. Es gibt noch einen weiteren Grund. Diejenigen, die sich einbilden, der Kern der Gesellschaft zu sein, müssen die eigene (Selbst-)disziplinierung vorexerzieren. Sie halten es nicht aus, daß andere ausschlafen, wenn sie sich ins Büro quälen.

Also aufgepaßt, ihr glücklichen Arbeitslosen! Nach der Wahl wird - egal unter wessen Kommando - der Angriff laufen. Nichts mit 1 500 Mark plus Warmmiete für Alle, sondern 1 650 Mark Kombilohn für 40 Stunden die Woche und Laubharken bei Wind und Wetter. Derzeit streiten sich noch die verschiedenen Schulen, wie sich das am besten durchsetzen läßt: mit etwas Zuckerbrot oder doch lieber mit der Peitsche?

Und ob mit Kombilohn oder Lohnkostenzuschuß, Tony Blair zeigt derzeit in Großbritannien, wie das geht. Als ob ein Kind aufziehen nicht schon genug Arbeit wäre, sollen zwei Millionen alleinerziehende Mütter auch noch zusätzlich Lohnarbeit leisten. Sonst ist Schluß mit Sozi. Wir werden uns - leider - noch zurücksehnen nach der Gemütlichkeit beim "Dicken".